Science Fiction

Per Literaturtipp durch die Galaxis: Die besten Science-Fiction-Bücher der letzten Jahre

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Per Literaturtipp durch die Galaxis: Die besten Science-Fiction-Bücher der letzten Jahre

 

Judith Vogt, 11.06.2017

Science Fiction: Galaxien, weit, weit entfernt oder doch in ganz naher Zukunft? Wir präsentieren euch: die besten Science-Fiction-Romane der letzten Jahre.

Da es sich mit euch so gut über „Best of Fantasy“ diskutieren ließ, kommen wir ja vielleicht auch über Science Fiction ins Gespräch!

Science-Fiction – Ein Genre, in dem ihr euch immer mal festlesen wolltet, aber irgendwie wurdet ihr mit den jahrzehntealten Romanen nicht so recht warm? Kein Asimov für euch, kein Philip K. Dick und beim Gedanken an Dune – der Wüstenplanet überkommt euch ein Gähnen? 

Aufgeatmet: In unseren Buchtipps widmen wir uns den aktuelleren Science-Fiction-Büchern.

Wenn wir über Science Fiction reden, reden wir meist auch über … Zeit! Spielt der Roman in naher Zukunft, handelt von der Verschmelzung von Mensch und Maschine – denkt er aktuelle Probleme weiter, konfrontiert uns mit Totalitarismus und Konzernen, die die Welt beherrschen? Oder geht’s um unseren Erstkontakt mit Außerirdischen? Katapultiert uns die SF weit in die Zukunft – oder kann sie uns sogar tief in die Vergangenheit führen? Das ist natürlich eine Frage des Genres. Fangen wir mit der Dystopie an.

Cyberpunk / Near Future / Dystopie

Machen wir uns nichts vor: Angesagter als „klassische“ Science-Fiction mit Weltall, Laser-Pew-Pew und Aliens war in den vergangenen Jahren die Dystopie. Alles nahm seinen Anfang mit Die Tribute von Panem, und irgendwie wurde uns da plötzlich alle bewusst, dass wir unheimlich gern in möglichst abgefahrenen Zukunftsängsten schwelgen wollten.

Ein Beispiel für abgefahren? Vollendet von Neal Shusterman. Prämisse ist, dass Abtreibungen in naher Zukunft verboten sind. Man muss seine Kinder bis zur Pubertät aufziehen, aber danach … nun ja, kann man sie quasi postnatal abtreiben. Aber nicht einfach so, sie dienen dann schon einem Zweck! Ihre Organe, Gliedmaßen etc. sind ja nun ausgewachsen und daher dienen die Körper dieser Jugendlichen als Ersatzteillager einer perfekten Gesellschaft. Klingt völlig überzogen? Ja, total, aber die Geschichte von drei entflohenen Jugendlichen und ihrer Suche nach einem legalen, menschenwürdigen Leben sowie die Frage nach dem, was menschliche Existenz eigentlich ausmacht, schlägt einen als Leser trotzdem in den Bann.

Auch nukleare oder sonstwie geartete Katastrophen bescheren uns Dystopien oder postapokalyptische Science-Fiction: So zum Beispiel die Romanreihe Silo / Level / Exit von Hugh Howey, in der es ums Überleben in einem unterirdischen Bunker, das Rückerobern eines feindlichen Lebensraums und die Entfaltung und den Freiheitsdrang der Menschen geht.

Auch das russische Franchise Metro 2033 von Dmitry Glukhovsky spielt mit der Angst vor einem unterirdischen Closed-Room-Setting mit Mutanten, jedoch vor der phantastischen Kulisse der Moskauer Metro.

Ein „älteres“ Subgenre der Near-Future-SF ist der Cyberpunk, zu dem beispielsweise das jüngst verfilmte Ghost in the Shell zählt. Der literarische Urvater des Cyberpunks, aus dem sich auch das Rollenspiel Shadowrun mit seinen Romanen entwickelt hat, ist William Gibson mit seiner Neuromancer-Trilogie aus den  80er-Jahren. Aber Gibson gehört noch nicht zum alten Eisen: Mit Peripherie hat er vor drei Jahren einen neuen Meilenstein des Genres geschrieben, in dem es nicht nur um eine, sondern gleich um zwei Zukunftsvisionen geht: Die junge Flynne testet in naher Zukunft ein vermeintliches Computerspiel, durch das sie jedoch in eine weiter entfernt liegende Zukunft blickt, in der London nach einem Beinahe-Kataklysmus von Gangsterbanden regiert wird.

Ebenfalls ein Meilenstein des Sub-Sub-Sub-usw.-Genres “Leute verlieren sich in einer Cyberspace-Realität” ist die vierteilige Reihe Otherland von Tad Williams – schon etwas älter, aber immer noch weitestgehend plausibel, ein abgefahrenes Abenteuer, in dem eine Gruppe von Menschen vor den unsterblichen Geistern alter reicher Männer von Cyberwelt zu Cyberwelt fliehen …

Auch Ready Player One von Ernest Cline schlägt die Brücke zwischen dystopischer Zukunft und virtueller Ersatzwelt, und getreu dem Westworld-Ausspruch „The maze is not meant for you!“ verbirgt sich in der künstlichen Welt ein tiefes Geheimnis …

First Contact – Erstkontakt mit Aliens

Bereit fürs nächste Subgenre? Stell dir vor, Aliens kommen auf die Erde – und du bist dabei! Wie könnten sie aussehen, was könnten sie im Sinn haben und wie kommunizieren wir mit ihnen? Eine Nigerianerin und ein Chinese geben faszinierende Antworten darauf.
 

Für Die drei Sonnen erhielt Cixin Liu als erster Chinese den renommierten Hugo Award. Der Roman spielt sowohl während der chinesischen Kulturrevolution als auch heute und auf einem Planeten, der als einziger noch nicht von den chaotischen Kräften eines Sonnensystems mit drei Sonnen verschlungen worden ist. Dieser Roman wartet zusätzlich zum First-Contact-Motiv mit harter Physik auf!

Lagune von Nnedi Okorafor erzählt, wie drei ganz unterschiedliche Menschen – ein Rapper, ein Soldat, eine Meeresforscherin – auf Außerirdische treffen. Bald trifft das Militär die Entscheidung, die mutmaßlich feindlichen Invasoren mit einer Atombombe auszulöschen. Das würde eine nigerianische Millionenstadt in den Untergang reißen. Lagune lohnt sich auch, um einmal aus der amerikanisch-europäisch geprägten Erzählkultur auszubrechen und ganz neue Bildwelten zu erforschen. Toll!

SCIENCE Fiction im Weltall

Wie realistisch darf’s denn sein? Es gibt SF, die das Science großschreibt, und solche, bei der es sich eher um Fiction dreht. Der Marsianer ist ein Self-Publishing-Wunder – klein angefangen, hat er es innerhalb weniger Jahre sogar zum Hollywood-Blockbuster geschafft, und das ganz ohne Softporno-SM! In Andy Weirs Roman geht es um einen zurückgelassenen Astronauten auf einer Mars-Basis – und ja, es braucht keine Außerirdischen und keine verrückte Technik, um Spannung aufzubauen. Im Prinzip ein klassisches Robinson-Crusoe-Szenario mit viel Humor. 

Science FICTION im Weltall

Hat hier jemand Space Opera gerufen? In manchen SF-Romane geht es weniger darum, wie das Raumschiff denn nun überlichtschnell fliegt oder welche Gravitationskräfte wie wirken, sondern da werden vornehmlich handlungsgetriebene Abenteuergeschichten erzählt. So wie im Western, in dem es halt nach Westen geht, geht es in diesen Büchern … in die Weite des Alls! Und wo wir gerade bei Western sind: Freunden der Firefly-esken Unterhaltung seien die Frontiersmen-Romane von Wes Andrews alias Bernd Perplies ans Herz gelegt (der Autor durfte mit seinem Kollegen und Co-Autor Christian Humberg außerdem die ersten deutschsprachigen Star Trek-Romane verfassen!).

Eine weitere, sehr kurzweilige Space Opera ist Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten von Becky Chambers. Das Graben eines Wurmlochs in ein feindliches System wird für eine junge Marsianerin zur Erforschung der eigenen Vergangenheit.

Vom Erstkontakt aus geht Dirk van den Boom mit seinen Skiir-Romanen weiter in die Zukunft. Die Menschheit ist von den Skiir unterjocht worden und muss nun die Wahl treffen, ob sie sich mit den Invasoren und der fremdartigen Politik ihres Imperiums verbünden oder eine Rebellion wagen soll.

Vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis….

Mein Herz schlägt ja für Star Wars. Das Schöne an Star Wars: Es ist eine Space Opera, die vor langer Zeit, weit entfernt spielt. Das heißt, sie muss heutige Technik nicht weiterdenken, sondern folgt eigenen Regeln und wartet mit eindeutigen Fantasy-Elementen auf. Ich habe die meisten Romane und Comics der letzten Jahre verschlungen, und hier findet ihr meine Favoriten:

John Jackson Millers Eine neue Dämmerung brachte mich wieder als Leser statt nur als Film- und Serienkonsument in die Galaxis weit, weit entfernt. Caleb Dume ist vielleicht der letzte überlebenden Jedi-Padawan. Seine Meisterin wurde von den verbündeten Klonen niedergeschossen, er entkam, legte sich den Decknamen Kanan Jarrus zu und überlebte mit Gelegenheitsjobs und zu viel Alkoholkonsum in einer Galaxis, in der er der letzte seiner Art scheint. Der Kampf gegen das Imperium ist nicht seiner: Er hält lieber den Kopf unten. Bis er der Freiheitskämpferin Hera Syndulla begegnet.

Außerdem heiß zu empfehlen: Chuck Wendigs Nachspiel-Trilogie. Die Handlung findet komplett im ersten Jahr nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter statt, erzählt vom Ringen mit den letzten Resten des galaktischen Imperiums und gipfelt in der Schlacht über Jakku, in deren Überresten Rey in Das Erwachen der Macht lebt. Wer auf eine gesunde Mischung aus ambivalenten, neuen Charakteren und actionreicher Handlung ohne Atempause steht, der ist bei Aftermath goldrichtig. (Außerdem: Der erste schwule Charakter in Star Wars – yeah!)

Eher im Jugendbuch anzusiedeln ist Claudia Grays Verlorene Welten. Zwei Kinder von einem Hinterwäldlerplaneten gehen auf die Imperiale Akademie nach Coruscant und landen schließlich als junge Offiziere im Dunstkreis des Todessterns … Nach dessen Zerstörung kommen ihnen Zweifel, doch nur einer von beiden desertiert zur Rebellion. Eine klassische Liebesgeschichte zwischen den Fronten, toll geschrieben und mit einem Finale, das mich absolut in den Bann geschlagen hat. 

Grenzfälle der SF – Paralleldimensionen, Zeitreise und Co.

Zeitreisen und das Wandern durch Paralleldimensionen haben durchaus auch SF-Charakter. So zum Beispiel die bislang nur auf Englisch erhältliche Trilogie A Thousand Pieces of You von oben bereits erwähnter Claudia Gray, die ihre Parallelwelten auf gut verständlicher Physik aufbaut und eine Liebes- und Abenteuergeschichte in vielen verschiedenen Welten erzählt.

Andreas Eschbach ist ein wohlbekannter Zeitreise-Profi und hat kürzlich seinen Erfolg Das Jesus-Video mit dem Jesus-Deal fortgeführt.

Und schlussendlich sei noch Venus siegt erwähnt, das zwar eindeutig in der Zukunft und eindeutig im Weltall, nämlich in einer Venuskolonie, spielt, aber letztlich in einem Gedankenexperiment die Geschichte der Sowjetunion in einem neuen Kontext ausbreitet. Dietmar Dath erzählt eine Geschichte von Terror, Freiheit und Emanzipation.

Science-Fiction lohnt sich immer, um über unsere Zukunft ebenso nachzudenken wie über das, was uns im Wesenskern ausmacht. Die Maschinen von Morgen treffen auf das Menschliche, das uns schon immer innewohnt. Ihr habt noch einen besonderen Tipp für einen modernen Science-Fiction-Roman für mich? Immer her damit – ab in die Kommentare!