Christian Endres, 03.10.2017
Was man in Sachen Sword-and-Sorcery-Fantasy liest, nachdem man die Genre-Klassiker von Robert E. Howard („Conan“), Fritz Leiber („Fafhrd und der Graue Mausling“), Michael Moorcock („Elric“), Karl Edward Wagner („Kane“) und David Gemmell („Drenai-Saga“) mindestens einmal durchgearbeitet hat? Hier sind fünf Empfehlungen mit reichlich Schwertkämpfen, massig Zauberei und ohne Ende Heldentum, auf deren Seiten sowohl Tradition als auch Innovation geboten werden – und ein Kontrastprogramm zwischen dem Witcher, Warhammer und Michael Chabon.
Dichter Dauerbrenner – Vlad Taltos von Steven Brust
Steven Brusts exquisit geschriebene Romane über den Bandenchef, Auftragskiller, Flüchtigen und Antihelden Vlad Taltos und seinen frechen Flugechsen-Sidekick, die im magischen Reich der langlebigen Dragaeraner agieren, bieten mehr als bloß Fantasy. Sie sind eine facettenreiche Mischung aus Schwert-und-Magie-Fantasy, Mantel-und-Degen-Abenteuer und Noir-Krimi, ergänzt um allerhand philosophische Gedanken zum Leben, der Liebe und dem ganzen Rest, abgeschmeckt mit gutem Essen, exotischer Musik und großartigen Dialogen. Zwischendurch gibt es sogar mal einen Military-Fantasy-Roman, eine Coming-of-Age-Story, einen Polit-Krimi oder einen Wirtschafts-Thriller im Bankenmilieu. Hier und da schießt Brust mit seinen verwinkelten Plots, die Dutzende Haken schlagen, schon mal übers Ziel hinaus, macht das jedoch stets durch viel Dichte und überragende Charakterisierungen wett. Seit 1983 stechen Steven Brust und Vlad Taltos deshalb konstant aus dem Genre-Einheitsbrei heraus – und sind der Konkurrenz noch immer um Längen voraus. Auf Deutsch erschienen leider nur die ersten sechs Romane bei Klett-Cotta, im Original kommt diesen Herbst Band fünfzehn der Serie, deren Chronologie so speziell und besonders ist wie alles andere an ihr. Wenn man nur eine Fantasy-Serie auf Englisch liest (oder weiterliest), dann unbedingt diese.
Europäisches Epos: The Witcher –Der Hexer von Andrzej Sapkowski
Die „Witcher“-Games gehören seit Jahren zu den gefeierten Hits und Verkaufsschlagern im Videospiele-Bereich. Die Bücher, auf denen sie basieren, gehören ebenfalls zur Oberklasse der Fantasy. Mit seinem grandiosen, ja perfekten Schwert-und-Magie-Fantasy-Roman „Zeit des Sturms“ kehrte der polnische Autor Andrzej Sapkowski vor nicht allzu langer Zeit sogar noch einmal in die Welt seines Hexers und Monsterjägers Geralt von Riva zurück. Fünfzehn Jahre hatte Sapkowski nichts Neues mehr über seinen weißhaarigen Protagonisten zu Papier gebracht, der hierzulande erst im zweiten Anlauf ein Erfolg geworden war. Der jüngste Episodenroman, von Erik Simon wie immer herrlich kantig und sprachgewaltig übersetzt, spielt zwischen den einleitenden Kurzgeschichtenbänden „Der letzte Wunsch“ und „Das Schwert der Vorsehung“ (und damit ebenso vor dem epischen fünfbändigen Roman-Zyklus) und gestaltet sich als Schaulaufen all dessen, was die Hexer-Bücher so gigantisch und lesenswert macht. Harte Kämpfe, eine Kulisse zwischen rauem Mittelalter und Märchen, superbe Dialoge, ein paar nette Anachronismen, hübsche Zauberinnen, Ungeheuer, Freundschaft, Liebe, Sex, Verrat, Politik – alles dabei und alles meisterhaft inszeniert. Und mal ehrlich: Wie könnte man ein spürbar europäisches Fantasy-Buch zwischen bester internationaler Genre-Tradition und absoluter charakteristischer Eigenständigkeit nicht lieben, das vor den Kapiteln Leonard Cohen und Shakespeare auf Augenhöhe zitiert? Sapkowskis „Zeit des Sturms“ sollte selbst für bisherige Nichtleser und für Witcher-Daddler funktionieren, macht zumindest mit den beiden Kurzgeschichten-Bänden im Rücken aber noch viel mehr Freude.