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Horrorliteratur: Alles was du über das Genre wissen musst (Teil 2/3)

Banner Horrorliteratur: Alles was du über das Genre wissen musst (Teil 2/3)
© David Dilbert / unsplash

BUCH

 

Markus Mäurer, 27.07.2018

Nachdem es im ersten Teil um die Entstehung des Horrors als Genre ging, schauen wir uns jetzt aktuelle Horror-Bücher und die zahlreichen Untergenres der Horrorliteratur an.

Horrorliteratur aktuell im deutschsprachigen Raum

Bei den großen Publikumsverlagen hat es der Horror aktuell schwer. Abseits von einzelnen Bestsellerautoren wie Stephen King, Dean Koontz oder Clive Barker hatte das "Schmuddelgenre" meist einen schweren Stand. Speziell aufs Genre zugeschnittene Verlagsprogramme, wie es sie für den Krimi, die Science Fiction und die Fantasy gibt, gab es meines Wissens nach nie über einen längeren Zeitraum. Autoren wie King und einzelne Erfolgsromane wie z. B. Der Exorzist von William Blatty, Rosmarys Baby von Ira Levin oder Falling Angel von William Hjortberg liefen in den allgemeinen Reihen, oft als Thriller maskiert und vor allem durch die Verfilmungen gepusht.

Zwischenzeitlich gab es immer wieder Phasen, in denen bestimmte Horrorautoren wie z. b. Brian Keene, Bentley Little oder Adam Neville verstärkt von den großen Verlagen publiziert wurden. Inzwischen sind aber auch diese meist zu Kleinverlagen wie Festa, Luzifer oder Voodoo Press gewandert (wobei letzterer kürzlich sein Pforten geschlossen hat).

Für deutschsprachige Autoren ist es, anders als in der Science Fiction, der Fantasy und dem Krimi, immer noch besonders schwierig, bei einem größeren Verlag unterzukommen. Als aktuelles Beispiel fällt mir nur Tom Finn mit Lost Souls ein. Und obwohl es in dem Buch um die Sage vom Rattenfänger von Hammeln geht, hat man dem Roman einen englischsprachigen Titel verpasst. Schaut man sich die Nominierungsliste des Vincent Preis (Deutschlands einziger Horrorpreis) an, wird man feststellen, dass fast alle Nominierten der letzten Jahre in Klein- und Kleinstverlagen erschienen sind oder vom Autor selbst im Selfpublihsing veröffentlicht wurden.

Horror-Romane: zahlreiche Subgenres

Der Horror hat sich auf dem deutschen Buchmarkt eine Nische erarbeitet, in der er ganz gut funktioniert. Dabei verteilt er sich - ähnlich vielfältig wie die Metal-Musik - in zahlreiche Untergenres, die zum einen als Hilfsmittel für den Buchhandel zur Einsortierung dienen, andererseits als Orientierung für die Leser, um den gewünschten Lesestoff leichter zu finden. Vor allem Letzteres, da Horror in Buchhandlungen (bis auf ein paar löbliche Ausnahmen) kaum stattfindet.

Im Folgenden werde ich die aktuell populärsten und bekanntesten Untergenres in unbestimmter Reihenfolge vorstellen, darunter klassische Subgenres wie die Vampirgeschichte aber auch relativ neue wie die Bizzaro Fiction.

Horror-Bücher: Postmoderner Horror

Postmoderne Literatur löst sich von klassischen Erzählnormen und experimentiert mit traditionellen Elementen. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Thomas Pynchon, David Foster Wallace und Italo Calvino. Das wohl herausragendste Werk des postmodernen Horrors ist Das Haus - House of Leaves (2000) von Mark Z. Danielewski, das eine klassische Spukhausprämise mit modernen Erzählformen mischt. Ein Buch, das den Leser auf vier verschiedenen Erzählebenen in ein verschachteltes Spukkonstrukt zieht.

Ein deutscher Vertreter dieser Richtung ist Tobias O. Meißner mit seinem Zyklus um Hiobs Spiel (Golkonda Verlag), wo er in bisher vier Bänden unterschiedlichste Stile und Dialekte in einem wilden Parforceritt gekonnt durcheinanderwirbelt. Grady Hendrix wiederum hat in Horrorstör seine Gruselgeschichte im Format eines Ikeakatalogs erzählt.

Horror-Bücher: Vampire

Über die Klassiker der Vampirgeschichten wie Sheridan Le Fanu und Bram Stoker wurde ja bereits in Teil 1 unserer Artikelreihe berichtet, mit John Polidoris The Vampyre (1819) und J. Malcolm Rymer Varny the Vampyre (1947) hatten sie bereits Vorläufer, die die osteuropäische Folklore um die Blutsauger aufgriffen. Den modernen Vampirroman hat meines Erachtens nach vor allem Anne Rice mit Interview mit einem Vampir von 1973 geprägt, indem das Problem mit der Unsterblichkeit vor allem um den Vampir Lestat behandelt wird. Es folgten elf Fortsetzungen (die letzte 2016), eine Verfilmung (mit Brad Pitt und Tom Cruise) und aktuell ist eine Serie in Planung.

Schon zwei Jahre später nahm sich Stephen King des Themas in Brennen muss Salem an, wo die Thematik, wie für King üblich, in einen Kleinstadtkosmos verlegt wurde. Ähnlich, wie es Charlaine Harris ab 2004 in ihrer Sookie Stackhouse-Serie tat (Serienadaption: True Blood), allerdings um noch weitere phantastische Wesen wie Werwölfe, Gestaltwandler und Feen erweitert, die Genregrenze zur Urban Fantasy überschreitend.

Einen moderneren Ansatz fährt zum Beispiel Charlie Huston, der seinen Vampir Joe Pitt als Hard-Boiled-Detektiv im modernen New York in einer knallharten Handlung schildert (Stadt aus Blut, 2007 und weitere).

Wenn auch Klassiker, wurde Dracula doch in vielen weiteren modernen Variationen verarbeitet. Der amerikanische Autor Kim Newman versetzte den rumänischen Fürsten ab 1992 in seiner Anno Dracula-Reihe in ein popkulturelles Alternativweltfeuerwerk. Wesentlich subtiler ging Elizabeth Kostova 2005 in ihrem Roman Der Historiker vor, der die Legende um Vlad den Pfähler als historischen Krimi inszeniert, der zu einer Jagd über mehrere Kontinente führt.

Und dann gab es da natürlich noch die erzkonservative Mormonenpropaganda von Stephanie Meyer, in der ein Jahrhunderte alter Vampir ein Highschoolmädchen stalkt, während er schön in der Sonne glitzert. Für alle, die immer noch nicht wissen, von wem ich rede: ja, ich meine Twilight!

Horror-Bücher: Zombies

Das moderne Zombiegenre jenseits von Voodoo- und Hoodoo-Mythen wurde durch den Filmmacher George R. Romero und seine Klassiker Die Nacht der lebenden Toten (1968) und Dawn of the Dead (1978) ins Leben gerufen. Literarisch hielt sich das Untergenre lange stark zurück. Der erste Zombieroman, der für Aufsehen und Neuerungen sorgte, war Auferstehung (The Rising, 2003) von Brian Keene, der eine etwas andere Erklärung für die Zombifizierung lieferte, die auch vor Tieren nicht Halt machte (Stichwort: Killereichhörnchen).

Für die Zeit von 1968, als Die Nacht der lebenden Toten über die Leinwand lief, bis zu Keenes Auferstehung habe ich an reinrassigen Zombieromanen nur einige Bücher von John Russo finden können, der übrigens mit George Romero zusammen das Drehbuch zu Night of the Living Dead verfasste. Wirklich bekannt wurden die nicht, aber zumindest zwei Übersetzungen sind in den 90ern bei Goldmann erschienen, dazu noch The Night Boat (Tauchstation) von Robert McCammon(1980), I, Zombie von Curt Selby (1982), The Breeze Horror von Candace Caponegro (1988) und The Dead (1989) von Mark E. Rogers - die bis auf McCammon meines Wissens nach nie ins Deutsche übersetzt wurden.

Den aktuellen Boom, des Genres, das in Filmform nie totzukriegen war, löste die TV-Serie The Walking Dead aus, nach den Comicvorlagen von Robert Kirkman, die seit 2003 erscheinen und ähnlich wie in Dawn of the Dead in einer postapokalyptischen Welt das Schicksal der Überlebenden schildert.

Neuland betrat Seth Grahame-Smith, der einfach Zombies in die Handlung von Jane Austens Roman Stolz und Vorurteil integrierte (Stolz, Vorurteil und Zombies, 2009). Während Max Brooks 2003 mit Der Zombie Survival Guide ein Sachbuch zum Thema, wie man die Zombieapokalypse überleben könnte, schrieb.

Horror-Bücher: Werwölfe

Ähnlich wie der Vampir handelt es sich beim Werwolf um eine Sagengestalt, die schon lange vor ihrer fiktionalisierten Form in Mythen und Märchen unterschiedlicher Kulturen vorkommt. Ein Mensch, der sich in einen Wolf verwandeln kann. In vielen Geschichten geht es dabei um einen Fluch, der den Betroffenen bei Vollmond dazu zwingt, als blutrünstiges Monster zu wüten - unterschieden wird dabei zwischen einem richtigen Wolf, in den man sich verwandelt, und ein Mischwesen aus Wolf und Mensch, die zur Bestie wird.

So richtig hat sich dieses Subgenre nie durchsetzen können, von einigen Filmerfolgen wie Der Wolfsmensch (1941), Das Tier - Howling (1981, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Gary Brandner von 1977) oder American Werwolf (1981) mal abgesehen. Oft dient der Werwolf nur als Nebenfigur in Vampir- und Urban-Fantasy-Geschichten. Vereinzelte Romane zum Thema erscheinen aber immer wieder.

Den beeindruckendsten Werwolfroman der letzten Jahre hat wohl Benjamin Percy mit Roter Mond (2013) geschrieben, in dem es ihm gelingt, moderne Thematiken wie Terror und Überwachungsstaat mit dem Mythos Werwolf zu verknüpfen.

Einen historischen Ansatz fährt Christoph Hardebusch mit Die Werwölfe (2009), indem er die Gegensätze von archaischen Überbleibseln einer mythischen Welt und dem Übergang zur modernen Welt (Stichwort: Industrialisierung) herausstellt.

Auch Markus Heitz (Ritus, 2006) und Wolfgang Hohlbein (Wolfsherz, 1999) haben sich des Themas angenommen, ebenso wie Stephen King (Der Werwolf von Tarker Mills, 1988), George R. R. Martin (In der Haut des Wolfes, Novelle von 1989) und Robert McCammon (The Wolf's Hour, 1989)

Horror-Bücher: Haunted House & Spukhausgeschichten

Im Prinzip handelt es sich bei Haunted-House-Geschichten um klassische Geistergeschichten, wie sie schon M. R. James verfasst hat, nur dass der Fokus ganz auf dem Gebäude und seiner Historie liegt. Es geht nicht einfach um ein Haus, in dem es spukt, es ist das Haus selbst, dem das Böse innewohnt. Genau genommen kann man die Wurzeln dieses Subgenre bis zur Gothic Novel zurückverfolgen, zu Klassikern wie The Castle of Otranto (1764) von Horace Walpole.

Einer der moderneren Klassiker des Untergenres, der es - auch durch die Verfilmung Bis das Blut gefriert von 1963 - maßgeblich geprägt hat, ist Spuk in Hill House (1959) von Shirley Jackson. Weiteren Schwung ins Genre brachte die Verfilmung von Jay Ansons The Amityville Horror (1977, der Film 1979). Ein Meister dieses Genre ist der Brite James Herbert, der mit Besessen (Haunted) bereits 1988 einen Beitrag leistete, 2006 mit The Secret of Crickley Hall noch einmal dazu zurückkehrte und auch dazwischen immer wieder Elemente verwendete.

Auch Stephen King hat 1977 mit Shining einen herausragenden Beitrag geleistet, in dem ein böses Hotel vorkommt, dass das Schlimmste im Menschen hervorbringt. 1983 erschien Die Frau in Schwarz von Susan Hill, 2009 Fremde Gäste von Sarah Waters (als historische Sittengemälde und Liebesgeschichte) und 2010 Apartment 16 von Adam Neville, um mal ein paar aktuellere Werke zu nennen.

Somit sind wir am Ende unserer kleinen Reise durch die Untergenres der Horrorliteratur angelangt. Im dritten Teil geht es dann um einige abseitigere Untergenres wie die Bizarro Fiction und den Splatterpunk sowie einige der wichtigsten deutschsprachigen Verlage im Bereich Horror.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/