BUCH
Alessandra Reß, 25.09.2018
Die Welt retten können andere: Im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der High Fantasy besteht die Motivation der Helden aus der Low Fantasy meist eher darin, ihren eigenen Arsch zu retten – wenn es ganz hart auf hart kommt, vielleicht auch noch den ihres Heimatlandes. Die Rüstung ist dabei eher verbeult als strahlend, sofern überhaupt vorhanden. Ein Blick auf die dreckigere und manchmal pulpige Seite der klassischen Fantasy.
Ältere Cover von Romanen der Low Fantasy versprühen oft den generischen Charme eines Manowar-Albums: Mit Lendenschurz ausgestattete, muskelbepackte Krieger mit beinlangen Äxten stehen in Siegerpose vor irgendwelchen Säulen, ab und zu wird auch ein Monster attackiert oder es liegen Schädel herum. Für gewöhnlich darf außerdem nicht die spärlich bekleidete Frau fehlen, die sich ängstlich ans Bein des Helden klammert. Es herrschen Farben in dunklen Rot- und Brauntönen vor.
Viele Begriffe, ein Genre
Pulp-Style also, und tatsächlich wird die Low Fantasy auch zuweilen als Pulp Fantasy bezeichnet. Ebenso existieren die Synonyme Heroic Fantasy oder Sword&Sorcery, wobei Letzteres lange der vorherrschende Begriff war. Geprägt wurde er von Fritz Leiber, mit seinen Geschichten um “Fafhrd und den Grauen Mausling“ selbst einer der bekanntesten Autoren des Genres.
Betrachtet man die heutige Low Fantasy, erscheint die „Pulp“-Betitelung unpassend, doch die Ursprünge des Genres liegen in den 1920er und 1930er Jahren. Damals veröffentlichten Pulp-Magazine wie „Weird Tales“ und „Unknown“ erstmals Werke von Autoren wie H. P. Lovecraft, Clark Ashton Smith, C. L. Moore oder Robert E. Howard.
Conan, der Prototyp des Low-Fantasy-Helden
Howard kann dabei als eine Art Tolkien der Low Fantasy gesehen werden, was vor allem seinen „Conan“-Geschichten zu verdanken ist, die auf vierfache Art Maßstäbe für kommende Genrewerke setzten. Erstens durch das Setting, das sich in der Low Fantasy oft an der griechischen oder römischen Antike orientiert, manchmal mit orientalischen oder mittelalterlichen Einschlägen. Zweitens durch die typische Episodenerzählweise: die Low Fantasy erzählt eben keine epischen Handlungen, die Völker und Jahrzehnte umfassen, sondern fokussiert sich auf eine Person. Im Falle von „Conan“ erschienen zahlreiche, nicht-chronologisch erzählte Storys, die einzelne Episoden aus dem Leben des „Barbaren“ von dessen Jugend bis ins hohe Alter erzählen. Lücken wurden später auch von anderen Autoren, etwa Lyon Sprague de Camp, Robert Jordan oder John Maddox Roberts, gefüllt. Drittens ist da die Figur des Conan selbst, des vor Gewalt nicht zurückschreckenden Helds, der angewidert auf die dekadente Gesellschaft blickt, die ihn umgibt. Und viertens kollidieren in den „Conan“-Bänden oft verschiedene Vorstellungen von Ehre und Moral – auch das ein typisches Merkmal der Low Fantasy.
Anpassung an einen neuen Zeitgeist
Howard gehörte noch zur Liga jener Autoren, die fest für ein Magazin schrieben, in seinem Falle die „Weird Tales“. In den 1950er Jahren löste sich dieses System in den USA jedoch auf, und „Weird Tales“ wurde für mehr als 30 Jahre eingestellt. Zwar traten an ihre Stelle andere Zeitschriften, doch mussten auch sie langsam den Romanen weichen, dem neuen vorherrschenden Veröffentlichungsmedium für Fantasy- und Science-Fiction-Autoren. In diesem Zuge verlor die Low Fantasy an Popularität; stattdessen gewannen High Fantasy, Horror und Science Fiction an Leserschaft.
Lyon Sprague de Camp gehörte ebenfalls zu den früheren Magazin-Autoren, auch wenn er sich mehr der Science Fantasy denn der Sword&Sorcery verpflichtet sah. Nach dem Ende von „Weird Tales“ wandte er sich der Science Fiction zu, begann aber auch die „Conan“-Bände von Howard, der 1936 Suizid begangen hatte, neu herauszugeben. Dabei passte er sich dem neuen High-Fantasy-Zeitgeist an, machte aus den Episoden also eine halbwegs durchgängige Handlung und fügte den Romanen Landkarten und Hintergrundinfos hinzu. 1955 veröffentlichte er so „Tales of Conan“, zwei Jahre später gemeinsam mit Bjorn Nyberg „The Return of Conan“. Auch andere Autoren wie Fletcher Pratt („Die Einhornquelle“) passten die Low-Fantasy-Handlungen so an, dass sie dem neuen Zeitgeist gerecht wurden.