Alessandra Reß, 03.01.2019
Kein anderes Subgenre steht so sehr für das öffentliche Bild der Fantasy: In der High Fantasy kämpfen Heldengruppen um die Rettung von Welten, in denen es von magischen Völkern nur so wimmelt. Ein Überblick.
Wer High Fantasy sagt, muss auch Tolkien sagen. Während man es in anderen Subgenres kritisch sehen kann, diesen Autoren immer noch als ständigen Vergleich heranzuziehen, kommt man in der High Fantasy – manchmal auch als Völkerfantasy, Epic oder Questen-Fantasy bezeichnet – nicht um ihn herum.
Tolkiens Fantasy als neue Machart
J. R. R. Tolkien war nicht der Erste, der High Fantasy schrieb. Bereits 1950 – vier Jahre, bevor der erste Band von „Der Herr der Ringe“ veröffentlicht wurde – erschien beispielsweise „Der König von Narnia“ aus der Feder von Tolkiens Studienfreund C. S. Lewis. Bereits dieses Buch beinhaltete typische Merkmale des Genres und vermischte sie mit der Portal Fantasy, also jenem Subgenre, in dem die Figuren zwischen unserer und einer anderen Welt wechseln. Zudem ist die High Fantasy nicht aus dem Nichts entstanden, sondern nutzte – neben anderen Literaturgattungen und Mythologien – Elemente beispielsweise der Low oder Historical Fantasy.
Mit Tolkien entwickelten sich jedoch neue Standards. Um es mit den Worten von Farah Mendlesohn und Edward James zu sagen: „Wenn man in Mittelerde um eine Ecke biegt, weiß man, dass die Welt dort weitergehen wird.“* Vorher waren Fantasysettings oft sehr beliebig; Orte wurden eingeführt, wenn man sie brauchte, aber es gab keine bis ins Detail durchgeplanten Welten. Tolkien dagegen entwarf von Anfang an ganz Mittelerde, entwickelte eigene Sprachen, Kulturen und Landkarten.
Zudem brachte er eine Struktur in die Fantasy ein, die für „sein“ Subgenre prägend sein sollte: Questen – also die Erfüllung eines bestimmten Ziels – werden nun zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Deren Ausgang entscheidet nicht nur über das Schicksal der Helden, wie es in der Low Fantasy der Fall ist, sondern über das der ganzen Welt. Die Helden folgen zudem der erstmals 1949 von Joseph Campbell skizzierten „archetypischen Heldenreise“, und die Handlung weist einen ethischen Überbau auf. Die Protagonisten handeln, weil es richtig ist, was sie tun, und erfüllen damit eine gewisse Vorbildfunktion, auch wenn man diesen Punkt nicht zu eng sehen sollte. Es besteht eine klare Trennung in Gut und Böse, die von späteren Genre-Autoren jedoch kritisiert und aufgeweicht wurde.