Fantasy

Grimdark Fantasy: Alles, was du über das Genre wissen musst

Grimdark Fantasy

Alessandra Reß, 17.06.2019

Dark Fantasy? Sword & Sorcery? Was für Anfänger! Richtig finster und wüst geht es im Grimdark zu. Willkommen in jenem Genre, in dem jeder Held mindestens eine Leiche im Keller hat und niemand sich sicher sein kann zu überleben.

Fantasywelten sind nett. Okay, es ist nicht wirklich nett, von einem Drachen gefressen zu werden oder einem magischen Ritual zum Opfer zu fallen. Aber auch wenn es wohl zu solch unglücklichen Einzelfällen kommen mag – die nächste holde Prinzessin, ein strahlender Paladin oder wenigstens ein Vampir mit dem untoten Herz am rechten Fleck sind selten weit.

There is only war

Im Grimdark allerdings, auch bekannt als Grim & Gritty, sind solche Sicherheiten trügerisch. Der Begriff nimmt Bezug auf einen Slogan von Warhammer 40k, in dem es im Original heißt: »In the grim darkness of the future there is only war.« Da bekommt man schon einen Eindruck, woher die grimmigen Winde wehen. Ehrbare Figuren findet man hier selten, und wenn doch, so haben sie selten eine lange Halbwertzeit. Überhaupt zeichnen sich Grimdark-Figuren nicht durch eine lange Lebensspanne aus. In ihren Romanen wird gemordet, was das Zeug hält, und generell hält man sich nicht groß mit Moral oder Gnade auf. Als »realistische Fantasy« wird Grimdark gerne bezeichnet, und das wirft kein besonders positives Licht auf die Realität.

Als früher Genrevertreter kann Michael Moorcocks Elric-Saga gesehen werden, die ihren Anfang 1961 genommen hat. Dreh- und Angelpunkt der Reihe um den gleichnamigen (Anti-)Helden ist dessen Abhängigkeit von seinem seelenfressenden Schwert, das auch vor Elrics Freunden und Familie nicht Halt macht. Wann immer ein Hoffnungsschimmer in Elrics Leben auftaucht, wird er enttäuscht oder die Hoffnung verwandelt sich in ihr Gegenteil.

Von Elric bis Batman: Helden des Grimdark

Auf Elric folgte in den 80er Jahren Glen Cooks Die Schwarze Schar, dessen Handlung aus Sicht einer Gruppe ruchloser Söldner erzählt wird. War es bei Elric noch Tragik, die die Hoffnungslosigkeit verursachte, ist es bei Cook ein gewisser Nihilismus, der heute das Bild des Grimdark mitprägt.

1996 erschien schließlich mit dem ersten Band von George R. R. Martins Das Lied von Eis und Feuer jene Fantasysaga, die Grimdark quasi massentauglich machte – nicht zuletzt natürlich dank der HBO-Serienadaption. Tote Kinder, tote Helden, sogar tote Haustiere und dann der ganze Sex: Das Lied von Eis und Feuer schien jedes Tabu zu brechen und sorgt damit gleichermaßen für Begeisterung wie auch für Abneigung. Dabei ist es für die Verhältnisse des Grimdark noch ein moderates Beispiel.

Als zeitgenössischer Inbegriff des Grimdark gilt derzeit Joe Abercrombie mit seiner Kriegsklingen-Saga. Weitere erfolgreiche Genre-Autoren sind N. K. Jemisin (Zerrissene Erde), Mark Lawrence (Waffenschwestern), J. V. Jones (Das Schwert der Schatten), Luke Scull (Schattenkrieger), Anna Smith-Spark (Das Reich der zerbrochenen Klingen) oder Richard K. Morgan (Glühender Stahl). Im deutschsprachigen Raum gehören beispielsweise Markus Heitz (Die Legenden der Albae) oder Elea Brandt (Opfermond) zu den Vertretern. Außerhalb der Literatur können das namensgebende Rollen- und Tabletop-Spiel Warhammer 40k, aber auch die Batman-Filmtrilogie von Christopher Nolan oder Kentaro Miuras Manga-Reihe Berserk als Grimdark betrachtet werden.

Wider den Genre-Idealismus

Auch wenn Grimdark inhaltlich oft der Low Fantasy ähnelt, sogar als dessen Weiterentwicklung diskutiert wird, ist er grundsätzlich in nahezu allen phantastischen Subgenres zu finden. Damit wird er – ähnlich wie die Dark Fantasy – weniger durch seine Handlungsstrukturen, sondern mehr durch die düster-brutale Grundstimmung definiert. Zudem gilt Grimdark nicht nur als Genre, sondern ähnlich wie Cyberpunk oder New Weird als Movement bzw. literarische Geisteshaltung. Sie verneint den naiven Idealismus der Tolkien-Fantasy und reagiert zugleich auf eine pessimistische soziale Grundstimmung.

Auf zu optimistischeren Ufern?

Vielleicht ist das der Grund, weshalb Grimdark selbst bei genrefernen Kritikern auf Wohlwollen trifft, wie beispielsweise die Besprechungen zu Game of Thrones zeigen. Allerdings ist das Genre auch Kritik ausgesetzt. Sein vermeintlicher Realismus wird ebenso wie das Credo, immer mehr Blut und Gewalt zu zeigen, mit Sarkasmus bedacht. Zudem haben sich mit Hopepunk und Noblebright zwei »optimistische« Gegenbewegungen formiert – mit ihnen werden Fantasywelten vielleicht doch wieder nett.

Alessandra Reß

Alessandra Reß wurde 1989 im Westerwald geboren, wo sie auch aufgewachsen ist. Nach Ende ihres Studiums der Kulturwissenschaft arbeitete sie mehrere Jahre als Redakteurin, ehe sie in den E-Learning-Bereich gewechselt ist.

Seit 2012 hat sie mehrere Romane, Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht, zudem ist sie seit mehr als 15 Jahren für verschiedene Fanzines tätig und betreibt in ihrer Freizeit den Blog „FragmentAnsichten“. Ihre Werke waren u. a. für den Deutschen Phantastik Preis und den SERAPH nominiert.

Mehr unter: https://fragmentansichten.com/