BUCH
Alessandra Reß, 15.08.2019
Pressekonferenzen in Gondor? Die Nachtwache in Tarifverhandlungen? Was in der klassischen Fantasy abstrus klingt, ist für die Werke des New Weird kennzeichnend. Erfahre hier mehr über die Bücher, Ideen und Autoren des Fantasy-Subgenres New Weird.
Als Fantasyautor kann man über alles schreiben – sollte man meinen. Doch auch die Fantasy und all ihre Subgenres sind gewissen Konventionen unterworfen. Wer sich außerhalb dieser zu bewegen wagt, läuft Gefahr, Lesererwartungen zu enttäuschen oder gar nicht erst veröffentlicht zu werden. Zudem sind die meisten Schriftsteller selbst von den Regeln und Konventionen ihres Genres geprägt, denn erst durch die bewusste oder unbewusste Beschäftigung mit diesen entstehen ihre Werke. Das gilt natürlich ebenso für Horror und Science Fiction.
Von der New Wave zum New Weird
Doch gerade diese Beschäftigung mit den Regeln des eigenen Genres hat auch immer wieder Bewegungen hervorgebracht, die genau diese Regeln aktiv unterwanderten, hinterfragten und veränderten. Mitte der 1960er Jahre traf das auf die Autoren des britischen New Wave zu, der sich anschickte, die technokratischen und konservativen Strukturen der damaligen Science Fiction aufzubrechen.
M. John Harrison war Redakteur der New World, einer Zeitschrift, die entscheidend dazu beitrug, dass sich der New Wave etablieren konnte. 2003 machte er dann einen ähnlichen Trend in der Fantasy aus, den er als „New Weird“ bezeichnete. Seither wird der Begriff quasi immer in einem Zuge mit dem britischen Autoren China Miéville und dessen Romanen rund um die Welt Bas-Lag (z. B. „Perdido Street Station“, „Der eiserne Rat“) genannt. Sie geben gewissermaßen vor, was die Romane des New Weird ausmacht: Erstens ist das die Mischung aus Fantasy und Elementen anderer Phantastik-Genres wie Science Fiction, Horror und Magischem Realismus, wobei sich auffällig häufig eines Steampunk-Settings bedient wird. Zweitens lebt New Weird, auch wenn er normalerweise in anderen Welten spielt, vom Bezug zum Hier und Jetzt. Miéville selbst etwa ist überzeugter Marxist und greift dessen Theorien, aber auch Themen wie Rassismus, Elitarismus oder Geschlechterverhältnisse, immer wieder in seinen Werken auf.
Beide Punkte sind aber noch kein Alleinstellungmerkmal. Der Mix von Phantastik-Genres macht auch den Reiz von Mystery oder Science Fantasy aus, und vom Bezug zur aktuellen Gesellschaft leben viele Dystopien. Im New Weird kommt aber noch ein skurriles Moment hinzu, eben jene Weirdness, die dem Genre seinen Namen gibt. Es ist die Verbindung aus Magischem und Profanem, oder einfach Unerwartetem. Wenn etwa Steph Swainston in ihrem Roman „Komet“ einerseits eine klassische Fantasywelt mit einem ebenso klassischen Krieg beschreibt, andererseits aber das Volk in einer Pressekonferenz über den neuesten Stand unterrichtet wird, entsteht genau jener Bruch mit Erwartungen, der den Reiz des New Weird ausmacht.