Alessandra Reß, 11.09.2019
Einmal nicht aufgepasst, schon purzelt man durch ein Kaninchenloch in eine andere Welt. Zumindest für die Portal Fantasy ist das kein ungewöhnliches Szenario, denn in diesem Subgenre kann fast alles zu einem Tor in Wunder- und andere Länder werden.
Ein verwitterter Torbogen, ein Steinkreis oder auch nur die eingemauerte Tür im Keller – so etwas schreit doch quasi nach einem Pfad in andere Welten, oder?
Orte, die auf irgendeine Art ungewöhnlich wirken, haben schon immer Faszination auf Menschen ausgeübt. Kein Wunder also, dass Mythen verschiedenster Kulturen voll sind von Höhlen oder Hügeln, die in Ander- und Unterwelten führen. Mit vagem Bezug zu keltischen Sagen und in Einklang mit dem elisabethanischen Volksglauben, hat das außerdem im 16. Jahrhundert insbesondere auf den britischen Inseln eine Reihe von Feengeschichten wie die Ballade um Tam Lin oder Shakespeares „Sommernachtstraum“ inspiriert. Die wiederum sind noch heute wichtige Vorläufer der Portal Fantasy, des wohl populärsten Subgenres neben der High Fantasy.
Der Name bezieht sich auf die Portale, die verschiedene Welten miteinander verbinden und in Form von Steinkreisen und Höhlen, aber auch als Spiegel, Kleiderschränke oder Kamine in Erscheinung treten können. Im deutschsprachigen Raum ist auch der Begriff Zwei-Welten-Fantasy geläufig, obwohl mitunter mehr als zwei Welten erreicht werden können (z. B. in Matthew Sturges‘ „Midwinter“ oder im Marvel Cinematic Universe).
Die frühe Portal Fantasy als Kinderliteratur
Als frühes Beispiel der Portal Fantasy kann George MacDonalds „Phantastus. Ein Feenmärchen“ (1858) gesehen werden, das gleichermaßen in Tradition der oben genannten Feengeschichten wie auch der Gothic Novels des späten 18. Jahrhunderts steht. Nur wenige Jahre später erschien mit „Alice im Wunderland“ (1865) von Lewis Carroll ein wahrer Evergreen des Genres, der bis heute starken Einfluss auf die Popkultur nimmt. Ähnliches gilt für „Der Zauberer von Oz“ von L. Frank Baum aus dem Jahr 1900. 1926 wiederum wurde Hope Mirrlees‘ „Flucht ins Feenland“ erstveröffentlicht. Die poetische Geschichte ist hierzulande zwar nie so bekannt geworden wie jene von Alice oder Dorothy, wird jedoch von vielen Akteuren der modernen Fantasy wie Neil Gaiman oder Robin McKinley als Einfluss genannt.
Die genannten Bücher haben zwei Dinge gemeinsam: Erstens verbinden Portale jeweils unsere Welt mit einem auf „natürlichem Weg“ unerreichbaren Land. Und zweitens handelt es sich um Kinderbücher. Tatsächlich liegt es wohl vor allem an der Portal Fantasy, dass Fantasy allgemein noch immer als Kinder- oder Jugendliteratur verstanden wird. Denn anders als viele andere Subgenres hat sie im Bereich der Kinderunterhaltung ihren Anfang genommen. Und auch wenn es durchaus Portal Fantasy gibt, die sich primär an Erwachsene richtet, gilt es noch immer als ein klassisches Genre für den Young-Adult-Bereich.