Alessandra Reß, 28.12.2019
Zaubersprüche in erfundenen Sprachen, Objekte mit eigenem Willen und pathetische Helden: Manchmal hat man das Gefühl, die Fantasy nehme sich vielleicht doch ein bisschen zu ernst. Aber keine Sorge – dass das Genre auch Sinn für Selbstironie und Humor besitzt, beweist die Funtasy.
Stell dir vor, du gehst morgens zur Arbeit und plötzlich fällt dir ein Elf vor die Füße. Spitze Ohren, grünes Gewand, Pfeil und Bogen, die ganze Palette. Er spricht dich an auf eine Art, wie du es höchstens von einem Mittelaltermarkt gewöhnt bist – du weißt schon, „Helft mir, oh Menschling!“, etwas in der Richtung. Er erzählt dir etwas von wegen, dass er gerade durch ein Portal geschlüpft ist, große Bedrohung in seiner Welt, Drachen, finstere Mächte usw., und nur du kannst ihm helfen.
Wie würdest du reagieren? Ihn sofort mit nach Hause nehmen, Tee anbieten, um Details zur Weltenrettung bitten? Oder würdest du schlimmstenfalls dem vermeintlichen Cosplayer / LARPer zuraunen, dass er sich wieder auf seine Con verziehen soll, bestenfalls mit einem ironischen Kommentar nach der versteckten Kamera suchen?
Keine Glaubwürdigkeit ohne ironische Distanz?
Die Funtasy geht von letzterem aus. Sie steht für jenen Zweig der Fantasy, der sich des entzauberten, rationalen Zeitgeists bewusst ist und seinem Muttergenre mit Humor und Selbstironie begegnet. Das heißt aber keineswegs, dass die Glaubwürdigkeit oder der Sense of Wonder eines Funtasywerks zwangsläufig Schaden nehmen. Im Gegenteil: Insbesondere phantastische Erzählungen, die im Hier und Jetzt angesiedelt sind, brauchen sogar einen Hauch von augenzwinkernder Selbstironie, damit wir sie überhaupt richtig ernst nehmen können – man denke nur an die Marvel-Filme.
(Selbst-)Ironie und Heldentum, das ist eine Mischung, die gerade im letzten Jahrzehnt wieder sehr gut funktioniert. Doch Elemente humoristischer Fantasy finden sich schon im 19. Jahrhundert, in Werken wie Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“, Charles Dickens „Der Raritätenladen“ oder F. Ansteys „Vice Versa“. Ihrer Tradition folgten zu Anfang des 20. Jahrhunderts u. a. Edith Nesbit („Feuervogel und Zauberteppich“), James Branch Cabell („Die Legende von Manuel“) oder Thorne Smith („Topper“). Auch wenn der Begriff deutlich jüngeren Datums ist, können diese Bücher als Frühwerke des Subgenres der Funtasy bzw. der Funny Fantasy gesehen werden – im englischsprachigen Raum auch bekannt als Fantasy Comedy, Comic Fantasy oder Light Fantasy.
Funtasy als offenes Subgenre
Ähnlich wie bei Romantasy oder Portal Fantasy handelt es sich bei der Funtasy um ein Subgenre, das sich durch ein bestimmtes Motiv kennzeichnet, aber auch andere Genres umschließen kann. Soll heißen: Ein Funtasywerk kann der Sword&Sorcery ebenso angehören wie der High oder Contemporary Fantasy. Nur zeichnet es sich durch mehr Humor oder Selbstironie aus als der Durchschnittsfantasyroman.