Science Fiction

Die wichtigsten deutschsprachigen Science-Fiction-Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Ein Überblick

Die wichtigsten deutschsprachigen Science-Fiction-Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Ein Überblick
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Markus Mäurer, 11.06.2020

Bereits seit über 100 Jahren schreiben Frauen deutschsprachige Science Fiction. Wenn auch oft (von den Männern) übersehen, sind sie schon immer im Genre präsent. Wir stellen die wichtigsten und einflussreichsten deutschsprachigen SF-Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts vor.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Fokus legt auf jenen Autorinnen, die hauptsächlich in diesem Genre tätig waren, erwähnt werden aber auch jene, die mit einzelnen Werken besonders großen Einfluss ausübten.

Im letzten Jahr kam auf Twitter die Frage nach deutschsprachigen Science-Fiction-Autorinnen auf, woraufhin SF-Autorin Theresa Hannig damit begann, eine entsprechende Liste auf Wikipedia zu erstellen. Der erste Löschantrag lies nicht lange auf sich warten. Daraus entwickelte sich eine Affäre, die viel Aufmerksamkeit in den Medien erhielt. Nun bin ich kein Freund der deutschen Wikipedia und deren Moderatoren, zeitlich fiel es aber mit meiner statistischen Auswertung der 100 besten SF-Romane auf Tor Online zusammen.

20 Prozent der dort vertretenen Titel stammen von Frauen, was wohl in etwa das Verhältnis der SF-Veröffentlichungen von Männern und Frauen auf dem englischsprachigen Markt widerspiegelt. Als einzige deutschsprachige SF-Autorin ist Angela Steinmüller auf der Liste vertreten, und das auch nur im Gespann mit ihrem Mann Karlheinz. Schaut man sich die wichtigsten deutschsprachigen Science-Fiction-Preise an, wird man feststellen, dass von 33 Preisträgern in der Romankategorie des Deutschen Science Fiction Preises (DSFP) nur drei Frauen sind. Beim Kurd Laßwitz Preis (KLP) ist unter den 37 Gewinnern nur eine Frau. Bei den Kurzgeschichten sieht es nicht besser aus, auch wenn erfreulicherweise Jacqueline Montemurri gerade dieses Jahr für "Koloss aus dem Orbit" ausgezeichnet wurde. Frauen/AutorInnen sind in der deutschsprachigen Science Fiction massiv unterrepräsentiert und leider auch kaum sichtbar. Das hat sich in den letzten Jahren ein wenig geändert, aber dem englischsprachigen Buchmarkt hinkt man hier immer noch um Jahrzehnte hinterher.

Woran das liegen könnte, wird sicher verschiedene Ursachen haben. Darauf möchte ich hier jetzt nicht näher eingehen, sondern vielmehr aufzeigen, dass Frauen schon seit über 100 Jahren deutschsprachige Science Fiction schreiben und im Genre, wenn auch von uns Männern oft übersehen, stets präsent waren.

Die Anfänge der weiblichen Science Fiction

Das "weiblich" in der Überschrift bezieht sich rein auf das Geschlecht der AutorInnen, nicht auf deren Werke. Nicht, dass hier noch jemand auf die Idee kommt, da "weibische Science-Fiction" hineinzulesen, wie man es über Jahrzehnte gemacht hat und leider auch teilweise immer noch tut. Dabei stammt der Urknall der Science Fiction aus der Feder einer jungen Frau. 1818 veröffentlichte sie ihren Roman Frankenstein oder Der moderne Prometheus noch anonym. Auf der ersten deutschsprachigen Ausgabe von 1912 steht nur der Name Shelley. Mit diesem Werk nahm Mary Shelley den klassischen Schauerroman und entwickelte ihn mit der Wissenschaft des aufkommenden Industriezeitalters zu einem fortschrittskritischen Science-Fiction-Roman über die ethischen Grenzen der Wissenschaft. Also nichts mit Romantik und Herz-Schmerz. Frankenstein ist ein hochpolitischer und gesellschaftskritischer Roman.

Bei der Recherche musste ich zu meinem eigenen Erstaunen feststellen, dass es schon lange vor Thea von Harbous Metropolis von 1926 (dazu später mehr) Science Fiction bzw. Zukunftsgeschichten von Frauen aus dem deutschsprachigen Raum gab. Das Älteste, was mir von der Schwarmintelligenz des Internets zugetragen wurde, ist Reisen in den Mond, in mehrere Sterne und die Sonne aus dem Jahr 1834. Angeblich wird der Text einer  Philippine D. Bäuerle zugeschrieben. Ob es diese Somnambulistin aber wirklich gegeben hat, ist allerdings fraglich. Zunächst hatte ich den Text dem Untergenre der Mondreise zugeordnet, doch es handelt sich eher um eine esoterische Traumreise.

Mit der Zukunft beschäftigte sich Bertha von Suttner in Das Maschinenalter; Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit von 1891, die damals ebenfalls anonym auftrat. Solche Gedanken und Werke ziemten sich wohl nicht für Frauen. Bei dem Buch handelt es sich allerdings nicht um einen fiktionalen Text, sondern eine Sammlung von Vorträgen über die damalige Gesellschaft und wie sie sich weiterentwickeln könnte. Von Suttner war eine österreichische Pazifistin (Die Waffen nieder, 1889) und Friedensforscherin, die 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt. 1911 erschien Der Menschheit Hochgedanken, ein Roman aus nächster Zukunft, in dem erstmals von der Schreckensvision einer atomaren Waffe erzählt wird. (Zur Erinnerung, die erste Atombombe wurde  1945 getestet.)

Konkrete Utopien in Form von Kurzgeschichten aus Frauenhand aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg sind fast völlig in Vergessenheit geraten. Da ist es eigentlich löblich, wenn engagierte Verleger dafür sorgen, dass dies doch nicht so ganz der Fall bleiben wird. In seinem Band Die Frau der Zukunft vor 100 Jahren. Fünf vergessene feministische Utopien aus den Jahren 1899-1910 zur Emanzipation und Frauenwelt der Zukunft hat Detlev Münch fünf solcher Kurztexte in einem Band versammelt, die allerdings nicht alle von deutschsprachigen Autorinnen stammen. Auch ist wohl nicht bei allen in diesem Band enthaltenen Texten klar, ob sie wirklich von Frauen stammen.

Wobei zu bezweifeln ist, ob diese Texte wirklich feministisch ausfallen, oder doch nicht eher antifeministisch, wie Rolf Löchel in seiner Kritik aufzeigt und auch dem Herausgeber, in dessen Nachwort eine fragwürdige Motivation und Haltung zum Thema Gleichberechtigung nachweist. Bei Therese Haupts Kurzgeschichte soll es sich um eine antifeministische Dystopie handeln, deren Protagonistin - eine Feministin - durch Hypnose im Jahr 2499 und in einer Gesellschaft mit vertauschten Geschlechterrollen landet, was sie nach ihrer Rückkehr vom Feminismus heilt.

Ebenso kritisch betrachtet Löchel Hans Esselborns Die Erfindung der Zukunft in der Literatur. Vom technisch-utopischen Zukunftsroman zur deutschen Science Fiction. Und listet dankenswerterweise jene Bücher auf, die im Werk fehlen: Bereits 1905 erschien Helene Judeichs feministisches Zukunftsbuch Neugermanien: Zukunftsschwank in 2 Akten, aus d. Jahre 2075. 1919 Helene Burmaz’ Erzählung Die Marsbewohner, die "Geschlecht und Fortpflanzung von Aliens" thematisiert. Und 1921 Marga Passons (Blaubart) "fundamentalreligiösem Endzeitroman" Der rote Stern: Ein Weltuntergangsroman.

Ebenfalls erwähnenswert wären da noch Marie Vaertinos (Vaerting?) Die zukünftige WeltTraum eines Physikers von 1908, die Hans Frey in seinem Buch Fortschritt und Fiasko: Die ersten 100 Jahre der deutschen Science Fiction. Vom Vormärz bis zum Ende des Kaiserreichs 1810-1918 als  "vollends groteske Geschichte" bezeichnet. Und Helene Voigts Anno Domini 2000 von 1909.

Thea von Harbou

Ebenfalls sehr politisch (aber nicht antifeministisch) geriet die erste deutschsprachige SF-Pionierarbeit von einer Autorin. Mit ihrem Drehbuch zum großen Klassiker des deutschen Film Metropolis von 1926, der auf ihrem gleichnamigen Roman von 1925 basiert, kritisiert sie die Klassengesellschaft und Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse, indem sie zeigt, wie die Oberschicht in absolutem Luxus schwelgt, während die Arbeiterklasse in den Eingeweiden der Stadt an großen Maschinen schuftet. Hier spielt dann durchaus eine Romanze zwischen einem reichen Sohn und einer Arbeitertochter eine wichtige Rolle beim Aufbrechen der Klassengesellschaft, denn Thea von Harbou war der Meinung, dass das Herz zwischen Hand und Hirn vermittle.

Von Harbou wurde 1888 in Tauperlitz geboren und begann schon in der Jugend, sich für die Schauspielerei und das Schreiben zu interessieren. Ihre ersten Unterhaltungsromane veröffentlichte sie noch im späten Kaiserreich ab 1910 bevor sie sich während des 1. Weltkriegs an Drehbüchern in der aufkommenden Stummfilmindustrie versuchte. Sie verfasste die Drehbücher zu einigen der besten und bekanntesten Filmen dieser Ära, darunter Dr. MabuseDer SpielerDie NibelungenDas indische GrabmalM und eben zu dem weltberühmten Klassiker Metropolis. Bis kurz vor ihrem Tod 1954 blieb sie als Drehbuchautorin aktiv, neben Metropolis schrieb sie mit Die Frau im Mond noch einen weiteren Science-Fiction-Roman, der ebenfalls von Fritz Lang verfilmt wurde. In Die Frau im Mond geht es um auf dem Erdtrabanten vermutete Goldvorkommen, für die sich Wissenschaftler, Industrielle und Gangster interessieren; und eine erste Mondexpedition, bei der unter anderem die Astronomiestudentin Friede Velten mit dabei ist. Man könnte fast von einem Hard-SF-Roman bzw. Film sprechen.

Nicht verschwiegen werden soll allerdings auch ihre Unterstützung des Nazi-Regimes. 1940 wurde sie Mitglied der NSDAP, galt als Rassistin und beteiligte sich aktiv an der Verbreitung von Reichspropaganda.

Das verpasste Golden Age

Die dunkle Zeit des Nationalsozialismus, die in der Katastrophe des 2. Weltkriegs und des Holocausts mündete, hat auch eine große Lücke in die Geschichte der deutschsprachigen Science Fiction bzw. des Zukunftsromans gerissen. Während in den USA das sogenannte Golden Age of Science Fiction vor allem durch Pulp-Magazine wie Astounding oder Amazing Storys florierte (in denen mit einem Anteil von ca. 15% mehr Geschichten von Frauen erschienen als gemeinhin angenommen) und die Wurzel für die bis heute anhaltende reichhaltige Kurzgeschichtenkultur legte, brachen die Veröffentlichungen in Deutschland spätestens 1939 völlig ein. In diesem Jahr erschien Hans Dominiks letzter Roman. Es sollte lange dauern, bis sich die Science Fiction aus deutschsprachiger Feder wieder etablieren sollte, wurde der Markt nach dem Krieg doch von Übersetzungen amerikanischer Autoren geprägt. Erst die 1961 startende Heftromanserie Perry Rhodan konnte dem Genre im deutschsprachigen Raum neues Leben einhauchen.

Marianne Sydow

Die erste Frau im Autorenteam von Perry Rhodan war Marianne Sydow und blieb dies auch für 20 Jahre. Machen wir uns nichts vor, Perry Rhodan war zu Beginn eine sehr männliche Serie, mit dem großen, blonden Helden, der die Welt nicht nur mehrfach rettet, sondern durch die überlegene Technologie, die er von den Arkoniden erhält, auch anführt. Die Serie wurde von "gestandenen" Männer geschrieben, die allerdings unterschiedliche politische Ansichten vertraten, und im Laufe der Jahrzehnte machte die Serie im Zuge eines sich wandelnden Zeitgeists einige Veränderungen durch. Umso höher ist es Marianne Sydow anzurechnen, dass sie sich so lange in einer solchen Männerbastion behaupten konnte.

Marianne Sydow wurde 1944 geboren, las ihren ersten Zukunftsroman bereits mit elf Jahren, mit 13 arbeitete sie schon an eigenen Werken und beendete mit 17 ihren ersten Roman Kristall, den sie in ihrer Autobiografie als "ganz furchtbar" beschreibt, der ihr aber half, mit Absagen besser umzugehen. Mit 22 überarbeitete sie ihren Roman kräftig und konnte ihn dann tatsächlich an einen Verlag verkaufen - an Pabel, wo auch Perry Rhodan erschien, und ein übereifriger Lektor das Werk komplett umgeschrieben hatte.

Auch Sydows zweiter Roman erschien dort, allerdings ebenso unter dem Pseudonym Garry McDunn, bei dem es wohl nicht nur darum ging, zu verschleiern, dass die Bücher von einer Frau geschrieben wurden, sondern auch die deutsche Herkunft (siehe Walter Ernsting, der seinen ersten Roman nur mit dem Trick verkaufen konnte, dass es sich um seine Übersetzung eines gewissen Clark Dalton handele).

Während sie heiratete, einen Sohn bekam und wieder geschieden wurde, schrieb sie für den Zauberkreis Verlag weiterhin unter dem Pseudonym Garry McDunn. Und ausgerechnet jene Romane, die sie selbst als Schund bezeichnete, erschienen dann bei Moewig unter ihrem richtigen Namen Marianne Sydow. Was nach ihren Angaben dem von der UNO 1975 ausgerufenen Jahr der Frau geschuldet sei, durch das man bei Moewig gedacht habe, es sei ein schöner Gag, eine Frau im Team zu haben.

Zu diesem Zeitpunkt war Marianne Sydow die einzige professionell arbeitende deutschsprachige Autorin, die ihren Lebensunterhalt mit Science Fiction verdiente. Bevor es zur großen Hauptserie Perry Rhodan ging, musste sie sich ihre Sporen zunächst beim Ableger Atlan verdienen. Den Sprung schaffte sie, nachdem sich jemand in einem Leserbrief über die stereotype Darstellung von Frauen in der Serie beschwert hatte. In ihren eigenen Romanen hatte sie bis dato übrigens selbst nicht über Frauen als Hauptfiguren geschrieben. "Frauen waren damals in der SF einfach nicht in", schrieb sie auf ihrer Homepage. "Man brauchte sie als Dekoration und zum Fabrizieren spitzer Schreie. Sie durften sich aus größten Gefahren retten lassen oder mit ihren 'typisch weiblichen' Marotten Gefahrensituationen überhaupt erst heraufbeschwören, damit die großen Helden bei deren Beseitigung glänzen konnten."

So erschuf sie für Perry Rhodan Jennifer Thyron, eine Spezialistin für Überlebenstechnik und Xenopsychologie (eingeführt in PR-795 Im Netz des Todes), musste aber auf der Autorenkonferenz feststellen, dass Frauen in der Serie als "heikles Thema«" galten. Und nach ihrem ersten Roman teilte ihr Lektor Günther M. Schelwokat mit, ihr Text sei reiner Schund und sie würde nie wieder für Perry Rhodan schreiben. Wie er sich doch täuschen sollte. Denn Mariannes Debüt wurde von den PR-Lesern auf Platz 2 der beliebtesten Ausgaben der Nummern 700 - 799 gewählt.

Bis 1992 schrieb Marianne Sydow kontinuierlich für Atlan und Perry Rhodan. Danach stieg sie, aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit der Redaktion und den Kollegen, die nach Sydows eigenen Angaben durchaus als Mobbing bezeichnet werden können, aus. Marianne Sydow starb 2013 nach kurzer schwerer Krankheit.

Uschi Zietsch

Kurz nachdem Marianne Sydow 1992 aus dem Team von Perry Rhodan ausschied, stieß Uschi Zietsch dazu. Uschi gibt an, dass beides in keinem Zusammenhang stand. Es blieb also bei nur einer Frau im Autorenteam. Wie Marianne hat Uschi schon als Jugendliche SF-Kurzgeschichten geschrieben und die erste - über Stellenabbau in der Zukunft - in einer Schülerzeitung veröffentlicht. Ab 15 kam auch Fantasy hinzu, ein Genre, in dem sie mit 25 dann auch ihre erste größere Veröffentlichung hatte:

1986 erschien ihr Fantasyroman Sternwolke und Eiszauber bei Heyne. Trotz guter Verkaufszahlen und begeisterter LeserInnen fiel ihr nächster Roman Der Traum der Wintersonne Programmkürzungen zum Opfer, weshalb sie kurzerhand zusammen mit ihrem Mann Gerald Jambor den Verlag Fabylon gründete, den sie bis heute erfolgreich führt. Und fast gleichzeitig fing sie als Autorin für Romane zum Fantasyrollenspiel Das schwarze Auge und bei Perry Rhodan an. Für PR schrieb sie bis 2003 als Susan Schwartz. Daneben schrieb sie auch für die Endzeitserie Maddrax sowie Bad Earth und Raumschiff Promet. 2013 erschien mit Unusual Suspects bei Heyne ihr Beitrag zur Space-Action-Reihe Justifiers, die von Markus Heitz ins Leben gerufen wurde.

Trotz ihres Ausstiegs 2003 kehrt sie immer wieder in die Welt von Perry Rhodan zurück, schrieb einige Planetenromane und ist aktuell für die Mini-Serie Olymp verantwortlich. Wie viele AutorInnen ist sie sowohl in der Fantasy als auch in der Science Fiction zu Hause. Ihr größtes und bekanntestes Werk dürften Die Chroniken von Waldsee sein, trotzdem hat sie in der deutschsprachigen Science-Fiction deutliche Spuren hinterlassen, und tut dies auch weiterhin.

Die DSFP-Preisträgerinnen

Wie weiter oben schon erwähnt, befinden sich unter den 33 Preisträgern des Deutschen Science Fiction Preises bisher nur drei Frauen. Die Gründe dafür könnten vielfältig sein. Vielleicht interessieren sich nicht so viele Frauen für Science Fiction und schreiben deswegen keine, oder sie haben es schwerer, ihre Bücher veröffentlicht zu bekommen. Betrachtet man z. B. Marianne Sydows Werdegang, dürfte das durchaus eine Rolle gespielt haben. Auch Vorurteile der überwiegend männlichen Leserschaft, Frauen könnten keine "richtige" Science Fiction schreiben, halten sich hartnäckig. Wie auch immer, wir wollen uns hier auf jene Frauen konzentrieren, die sich für Science-Fiction interessieren, die schreiben und die auch veröffentlicht werden.

Gudrun Pausewang

Der DSFP wird seit 1985 vom SFCD (Science Fiction Club Deutschland) vergeben, und die erste Frau, die in gewann, ist Gudrun Pausewang - 1988 mit ihrem Roman Die Wolke. Das Buch erschien ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und erzählt von einem ähnlichen Vorfall und dessen Folgen in Deutschland. Hauptfigur ist die 14-jährige Janna-Berta, die in der Panik nach Bekanntwerden des Reaktorunfalls versucht, nach Hause zu gelangen. Es folgen der Zusammenbruch der Ordnung, Familientragödien und radioaktiver Regen. Von dem Buch wurden inzwischen 1,5 Millionen Exemplare verkauft, was sicher auch daran liegt, dass es in vielen Schulen gelesen wurde. Mit Die Wolke ist Gudrun Pausewang auch die einzige Frau, die je den Kurd Lasswitz Preis gewonnen hat (bei 37 Preisträgern).

Pausewang wurde 1928 in der Tschechoslowakei geboren, wuchs in Ostböhmen auf und unterrichtete nach dem Studium als Grund- und Hauptschullehrerin zum Teil in Südamerika, später dann in Deutschland. Sie hat an die 70 Bücher geschrieben, darunter viele Kinder- und Jugendbücher, aber auch Belletristik für Erwachsene. Aufgrund dieser Fülle an Publikationen, von denen nur wenige in das Genre der SF fallen, kann man sie wohl kaum als hauptsächliche Science-Fiction-Autorin bezeichnen, doch der Einfluss von Die Wolke und der Gewinn der beiden wichtigsten deutschsprachigen Genrepreise machen sie trotzdem zu einer Genregröße.

Maria J. Pfannholz

Bereits zwei Jahre nach Pausewang gewann Maria J. Pfannholz den DSFP für ihren Roman Den Überlebenden. Die sieben Flaschenposten des Anton Gstettner, in dem es ebenfalls um Umweltproblematiken geht und der viel bayrisches Idiom enthält. Den Überlebenden blieb ihr einziger SF-Roman, daneben veröffentlichte die als Pia Mayer-Gampe 1956 in München geborene Autorin noch einige Krimis. Ihr Vater war der SF-Autor und Herausgeber Carl Amery.

Ulrike Nolte

Fast zwanzig Jahre sollte es dauern, bis mit Ulrike Nolte 2007 wieder eine Frau den DSFP gewinnen konnte. Die fünf Seelen des Ahnen erzählt von der Besatzung der Arche, die sich auf der Suche nach einem neuen Heimatplaneten befindet und deren erster Außeneinsatz auf einer Wasserwelt in einer Katastrophe endet. Die 1973 geborene Ulrike Nolte studierte unter anderem Nordistik, in der sie auch promoviert wurde, und veröffentlichte mit Jägerwelten (2000) nur einen weiteren Science-Fiction-Roman. Inzwischen arbeitet sie als Übersetzerin.

Science-Fiction-Autorinnen in der DDR

Angela Steinmüller

Berühmt dürfte Angela Steinmüller vor allem durch den Roman Andymon sein, den sie zusammen mit ihrem Mann Karlheinz geschrieben hat und der 1982 sowohl in der DDR als auch in Westdeutschland erschien. Doch ihr Schaffen umfasst viel mehr und dauert auch weiter an.

Andymon erzählt die Geschichte eines Generationenraumschiffs, mit Menschen, die ohne Eltern aufgezogen werden, im All geboren, bis sie schließlich auf einem neuen Planeten eintreffen, den es zu kolonisieren gilt und auf dem eine utopische Gemeinschaft entstehen soll.

Geboren wurde Angela Steinmüller 1941 in Schmalkalden, von 1971 bis 1975 studierte sie Mathematik an der Humboldt Universität in Berlin. 1973 heiratete sie Karlheinz Steinmüller, mit dem sie dann Andymon als Debütroman verfasste. Mit Korallen des Alls 1984 und Pulaster. Roman eines Planeten folgten noch zwei weitere Romanveröffentlichungen in der DDR sowie einige Kurzgeschichten.

Zweimal gewann sie den Kurd Laßwitz Preis zusammen mit ihrem Mann für die Kurzgeschichten Leichter als das Vakuum (1994) und Vor der Zeitreise (2003), doch schon 1992 konnte sie ihn allein für ihre Erzählung Der Kerzenmacher einheimsen. Bereits 1988 erhielt das Ehepaar den Prix Européen de la Science-Fiction der Société Européenne de la Science Fiction und den Traumkristall, den Preis der SF-Freunde der DDR.

Beide Steinmüllers verfassten sowohl zusammen als auch alleine zahlreiche Sachbücher und sind als Zukunftsforscher tätig.

Johanna Braun

Die 1929 in Magdeburg geborene Johanna Braun dürfte neben Angela Steinmüller die bekannteste Science-Fiction-Autorin der DDR gewesen sein. Und auch sie trat meist im Autorengespann mit ihrem Mann Günter auf. Nach einer Bürolehre arbeitete sie als Stenotypistin, Redakteurin und Reporterin, bevor sie sich ab 1969 ganz der Schriftstellerei widmete. Der Debütroman José Zorillas letzter Stier (aus der Reihe Das neue Abenteuer) erschien bereits 1955, es folgten zahlreiche historische Romane, Krimis und Jugendbücher. Auf die Science Fiction bzw. utopischen Geschichten konzentrierten sie sich erst ab Mitte der 1970er-Jahre mit Romanen wie Der Irrtum des Großen Zauberers und (1972) Conviva Ludibundus (1978) oder Kurzgeschichtensammlungen wie Fehlfaktor (1975) und Der Utofant (1981). Ihr letzter Roman Professor Mittelzwercks Geschöpfe erschien 1992 bei Suhrkamp. 1985 erhielten sie den Phantastikpreis der Stadt Wetzlar für Der x-mal vervielfachte Held.

Ihre Geschichten spielen im Weltraum oder in wundersam-phantastischen Ländern, und sie ..."bedienen sich einer sehr präzisen, leicht schrulligen und manierierten Sprache", wie Franz Rottensteiner im Heyne Science Fiction Magazin # 4 1982 schrieb.

Ralf Steinberg schreibt auf Fantasyguide.de: "Ihr faszinierender Stil führte schnell zu einer großen Popularität, die sogar zu westdeutschen Ausgaben führte, in dem Maße, wie ihre Texte regimekritischer wurden, konnten sie immer weniger in der DDR erscheinen, was dazu führte, dass einige ihrer Werke ausschließlich in der BRD veröffentlicht wurden."

René Moreau schrieb 2008 im Nachruf des Exodus-Magazins: "Sie erzählen phantastisch-parabelhafte Geschichten von totalitären Herrschern, übergeschnappten Bürokraten, rücksichtslosen Umweltsündern, Rüstungsfanatikern und ideologisch verbohrten Gleichschaltern."

Johanna Braun starb am 24. November 2008, nur wenige Tage später gefolgt von ihrem Ehemann.

Anna Seghers

Die 1900 in Mainz geborene und 1983 in Ost-Berlin gestorbene Schriftstellerin Anna Seghers kann man nicht wirklich als Science-Fiction-Autorin bezeichnen, spielt doch ein Großteil ihrer Literatur in unserer Welt und erzählt oft vom Leben im Exil. Doch ihre Erzählung Sagen vom Unirdischen (erschienen in Sonderbare Begegnungen, 1972) erzählt von Sternengästen, die unserer Erde zunächst im 16. Jahrhundert während der Bauernkriege einen Besuch abstatten, ein zweites Mal dann während des Dreißigjährigen Krieges, ohne aber Verstehen zu können, was sich da abspielt. Größtenteils geht es aber um das Wesen der Kunst.

Weitere erwähnenswerte Werke

Weitere erwähnenswerte Werke von Autorinnen, die nicht primär Science Fiction geschrieben haben, wären unter anderem der höchst außergewöhnliche Klonroman Ida & Laura - once more with Feeling (1997) der Spiegel-Journalistin und Feministin Sophia Behr (1935 - 2014), und natürlich Die Wand (1963) von Marlene Haushofer (1920 - 1970). Wobei sich durchaus diskutieren lässt, ob die Geschichte der namenlosen Protagonistin, die in einer Art Blase gefangen ist, aus der es wirkt, als stehe die Zeit außerhalb, also hinter der Wand, still, wirklich Science Fiction ist. Das Phänomen wird nie erklärt und dürfte eher metaphorisch für die Lebenssituation der Ich-Erzählerin und ihre Ehe gemeint sein.

 

Nachtrag: Zu Thea von Harbou wurde noch ein Absatz zu ihren Verstrickungen mit dem NS-Regime ergänzt. Und der Text zu Reisen in den Mond, in mehrere Sterne und die Sonne wurde dahingehend abgeändert, dass sich eine eindeutige Urheberschaft nicht nachweisen lässt, ebenso wenig wie die Existenz Bäuerles.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/