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Alles, was du über Zombies wissen musst

Alles, was du über Zombies wissen musst
© enriquelopezgarre / pixabay

Alessandra Reß, 13.09.2020

Seit über fünfzig Jahren sind Zombies fester Bestandteil der Horror- und Apokalypseliteratur. Doch woher kommt die Vorstellung dieser Untoten, und was macht sie so gruselig? Ein kurzer Blick auf Wesen und Geschichte der infizierten Menschenfressenden.

Mal schlurfen sie mit ausgestreckten Armen durch die Straßen, mal rennen sie ihrer Beute über Felder nach. In (fast) allen Fällen aber zeichnet sich der Popkultur-Zombie durch einen unbändigen Hunger nach Menschenfleisch aus. Die Gier wird dabei in den meisten Interpretationen durch Mutationen hervorgerufen, die Menschen in blutrünstige Untote verwandeln.

Haitianische zombi als Opfer schwarzer Magie

So weit, so generisch. Dabei hat dieses Bild mit den „Ursprungszombies“ gar nicht so viel zu tun. Die entstammen dem haitianischen Vaudou oder Voodoo, einer synkretistischen Religion, die Glaubenselemente des Katholizismus, der westafrikanischen Yoruba und indigener Ethnien Hispaniolas miteinander verbindet. Voodoo-Gemeinschaften verstehen sich als eine Art spirituelle Großfamilie, an deren Spitze die über die Gabe der weißen Magie verfügenden hungan oder mambo, Priester oder Priesterin stehen. Ausübende schwarzer Magie werden dagegen als boko oder bokor bezeichnet, weibliche Ausübende seltener auch als caplata oder wiederum mambo. Ihre Macht erlaubt es ihnen u. a., Tote als zombi ins Leben zurückzuholen. Diese entwickeln in der Folge aber keinen Appetit auf Hirn, sondern führen als lethargische Dienende die Wünsche des boko bzw. der caplata aus.

Ausführlich schildert Alfred Métraux das Phänomen in seiner Ethnographie „Voodoo in Haiti“, erstmals erschienen 1958. Demnach werden Verstorbene auf Haiti oft „ein zweites Mal“ getötet, beispielsweise durch Gift oder einen Schuss, um ihnen das Schicksal als zombi zu ersparen. Manchmal werden ihnen auch die Münder zugenäht, sodass sie nicht in der Lage sind, auf den Ruf des boko zu antworten. So kann sich der Tote nicht verwandeln.

Clairvius Narcisse, der Real-Life-Zombie?

Das berühmteste Beispiel einer solchen zombi-Verwandlung auf Haiti soll im Jahr 1962 stattgefunden haben: Nach einem Streit mit seinem Bruder wurde Clairvius Narcisse eine Giftmischung verabreicht, woraufhin er zunächst in ein Koma fiel und später für tot erklärt und beerdigt wurde. Der boko, der ihm das Gift verabreichte, buddelte Narcisse jedoch wieder aus und gab ihm ein Gegengift aus Stechäpfeln. Das brachte Narcisse ins Leben zurück, rief allerdings u. a. Halluzinationen und Gedächtnisverlust hervor. In der Folge arbeitete Narcisse jahrelang quasi willenlos für den boko, ehe er nach sechzehn Jahren seine Erinnerung wiedererlangte und zu seiner Familie zurückkehrte. Wie viel Wahrheit in seiner Geschichte steckt, ist umstritten. Seine Schilderungen dienten aber als Inspiration für mehrere Zombiefilme, u. a. für Wes Cravens „Die Schlange im Regenbogen“ (1988).

Der erste Zombiefilm flimmerte aber schon viel früher über die Leinwand: Ihren ersten längeren Auftritt  absolvierten die schlurfenden Gesellen 1932 in Victor Halperins „White Zombie“, und zwar mit Bela Lugosi als haitianischem boko.

Mit George A. Romero in eine neue Ära

In den folgenden dreißig Jahren tauchten die Wesen immer wieder in Horrorstreifen auf, wobei die Verwandtschaft zu den haitianischen zombis oft noch deutlicher zutage trat als heute. Bald vermischten sich die Vorstellungen der Zombies mit denen anderer prominenter Untoter wie Vampiren und den ursprünglich aus dem arabischen Kulturkreis stammenden Ghulen. Das bedeutete einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum kannibalischen Zombie, da Vampire und Ghule sich – im Gegensatz zum klassischen zombi – von Blut und Fleisch der Lebenden ernähren.

Der wichtigste filmische Wendepunkt waren jedoch George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) sowie dessen erste Fortsetzung „Zombie / Dawn of the Dead“ (1978). Hier tauchen die Zombies endgültig als jener menschenfressende Albtraum auf, der heute weltweit ein Begriff ist. Zudem fand mit Romero die typische, zur Apokalypse führende Pandemie Einzug ins Zombie-Phänomen. Schuld war hier eine kosmische Strahlung, die weite Teile der Menschheit mutieren ließ. Die Interpretation des Zombiedaseins als Folge eines theoretisch heilbaren Virus fand vor allem seit Danny Boyles „28 Days Later“ von 2002 und dann insbesondere im europäischen Raum Fans.

Einfluss auf Games und Literatur

In der Literatur nutzte zwar u. a. H. P. Lovecraft Elemente, die an heutige Zombie-Darstellungen erinnern. Doch auch hier brauchte es die Romero-Filme, um die Zombies zu einem festen Bestandteil der Horror- und Apokalypse-Literatur werden zu lassen. Ihre ersten offiziellen Buchauftritte absolvierten sie u. a. in der Illuminatus-Trilogie von Robert Shea und Robert Anton Wilson sowie in Piers Anthonys Xanth-Serie. Beide näherten sich dem Motiv eher von der humorvollen Seite.

Typischere Zombie-Darstellungen finden sich ab 1998 in den Resident Evil-Romanen von S. D. Perry. Sie orientieren sich an der gleichnamigen Videospielreihe, die ihrerseits einen Klassiker der Zombie-Medien darstellen. Überhaupt sind Videospiele, insbesondere Survival-Games und Shooter mit Titeln wie „Left 4 Dead“, „Call of Duty: Black Ops 3“, „Red Dead Redemption“, „Dead Rising“ oder „The Last of Us“ ein sehr dankbares Medium für den Zombie-Mythos.

Aber zurück zur Literatur. Hier blieben Zombies lange Zeit ein Geheimtipp für Genreliebhaber:innen; einen ersten kleinen Hype löste Brian Keenes The Rising-Saga (ab 2003) aus. Für Aufsehen auf dem Zombie-Markt sorgten zudem Max Brooks satirischer „Zombie Survival Guide“ (2003), aber auch dessen Roman-Fortsetzung „Operation Zombie: Wer länger stirbt, ist länger tot“ (2004) – später bierernst verfilmt als „World War Z“ mit Brad Pitt in der Hauptrolle.

Weitere beliebte Titel rund um die Zombie-Apokalypse sind u. a. Alden Bells „Nach dem Ende“ oder M. R. Careys „Die Berufene“.

Zombies und die doppelte Objektifizierung

Der besondere Grusel wird meist durch eine doppelte Objektifizierung ausgelöst: Zum einen wandelt das Zombie-Dasein lebende Subjekte in Objekte. Zum anderen betrachten die so Transformierten wiederum die Lebenden als reine Beuteobjekte. Beides macht Zombies zu Personifikationen des ultimativen Fremden, Anderen.

Oft geht es in Zombie-Veröffentlichungen jedoch gar nicht so sehr um das Wesen der Toten, sondern mehr um das der Lebenden. Von Jonathan Maberrys Romanserie Lost Land über die Walking Dead-Comics und deren Serienverfilmung bis hin sogar zu George R. R. Martins Das Lied von Eis und Feuer mit seinen Weißen Wanderern: Immer wieder sind es die Menschen, die sich als die eigentlichen (Haupt-)Monster herausstellen. Auch wenn sie sich im lebenden Zustand normalerweise vom Hirn ihrer Artgenossen fernhalten.

Aliens, Nazis und Liebhaber: Die Zombie-Vielfalt

Obwohl wir von Zombies heute ein recht klares Bild haben, zeigten sie von Anfang an eine große inhaltliche Bandbreite: In B-Movies werden sie gerne mit Aliens assoziiert (z. B. „Invisible Invaders“, „Plan 9 from Outer Space“), erstaunlich beliebt ist außerdem die Sub-Subgenrevariante mit Nazizombies ( u. a. „Dead Snow“, „Nazi Sky“, „Zombie Massacre – Reich of the Dead“).

Und obwohl die lebenden Leichen auf den ersten Blick nicht besonders sexy wirken und es ihrem Objekt-Merkmal widerspricht, dürfen sie auch immer mal wieder Romanzen erleben, etwa in Steve Perrys „Conan the Defiant“ von 1987 oder Issac Marions skurriler Romero-und-Julia-Hommage „Mein fahler Freund“ (2010; 2013 verfilmt als „Warm Bodies“). Marions Roman steht außerdem für eine satirisch-humorvolle Herangehensweise ans Thema, wie sie auch Seth Grahame-Smiths „Stolz und Vorurteil und Zombies“, Corey Redeskops „Husk“ oder die Filmparodie „Shaun of the Dead“ von Edgar Wright bevorzugen. Serien wie Santa Clarita Diet oder iZombie lassen die Zombies zudem ihre modern-feministischen Seiten entdecken.

Auch Berlin bleibt nicht verschont

Obwohl die meisten der genannten Titel aus dem angloamerikanischen Raum stammen, erfreut sich der Zombiestoff international großer Beliebtheit. Namhafte Filmproduktionen finden sich u. a. aus Südkorea, Japan, Hongkong, Argentinien, Venezuela oder Frankreich.

Und auch deutschsprachige Schriftstellende haben entsprechende Phänomene dokumentiert: Es braucht nicht viel Phantasie, um herauszufinden, welche Stadt in Kalle Max Hoffmanns „Berlin Zombies“ heimgesucht wird. Dieselbe Stadt trifft es ebenso in Skyla Lanes „Zombies in Berlin“ und Andreas Kohns „Zombieapokalypse“. Ein Langzeitprojekt, in dem Schriftstellende wie Simona Turini, Lisanne Surborg oder Jenny Wood die Auswirkungen einer Zombie-Pandemie in Deutschland schildern, ist „Zombie Zone Germany“ aus dem Amrûn-Verlag.

Gerade diese Beispiele zeigen, dass der Zombie trotz vieler moderner Ansätze noch sehr vom Romero-Exemplar beeinflusst wird. Selbst wenn dessen Interpretation nicht aus dem Nichts kam, kann man insofern sagen, dass Romero den klassischen Zombie erschaffen hat, an dem sich noch heute die meisten Exemplare messen müssen.

Alessandra Reß

Alessandra Reß wurde 1989 im Westerwald geboren, wo sie auch aufgewachsen ist. Nach Ende ihres Studiums der Kulturwissenschaft arbeitete sie mehrere Jahre als Redakteurin, ehe sie in den E-Learning-Bereich gewechselt ist.

Seit 2012 hat sie mehrere Romane, Novellen und Kurzgeschichten veröffentlicht, zudem ist sie seit mehr als 15 Jahren für verschiedene Fanzines tätig und betreibt in ihrer Freizeit den Blog „FragmentAnsichten“. Ihre Werke waren u. a. für den Deutschen Phantastik Preis und den SERAPH nominiert.

Mehr unter: https://fragmentansichten.com/