Alessandra Reß, 30.07.2021
Von Gandalf über Yennefer bis Dr. Strange: Viele ikonische Figuren der Popkultur zeichnen sich durch ihre Zauberkraft aus, und die Fantasy wäre ohne diese Zutat eigentlich nicht denkbar. Höchste Zeit also, einmal einen Blick auf den traditionsreichen Berufszweig der Zauber*innen und Magier*innen zu werfen …
Fantasy ohne Magie? Schwierig. Gewissermaßen ist Magie das zentrale Element der Fantasy. Sie ist es, die die Fantasy (mal mehr, mal weniger) von der Science Fiction abgrenzt und ihre Wesenheit bestimmt. Manchmal ist diese Magie sehr explizit und geht mit großen Gesten und allerhand Brimborium einher. Manchmal bildet sie aber auch nur ein sanftes Hintergrundrauschen oder stellt ein Relikt aus vergangenen Zeiten dar, für die Figuren ebenso rätselhaft wie für die Lesenden. Und auch innerhalb der Werke dient sie als Mittel der Abgrenzung: Zwischen dem Hier und Dort, dem Eigenen und dem Fremden, dem Bekannten und dem Unbekannten. Wie sie sich konkret äußert, ist dabei ganz unterschiedlich: Nicht nur kann jedes Subgenre seine eigene Magie hervorbringen, im Grunde kann sogar jeder Titel wiederum ein eigenes System erfinden.
Magie, Religion und alles dazwischen
Umso schwieriger ist es da, auf den Punkt zu bringen, was die Anwendenden dieser Magie ausmacht. Allein schon bei der Begrifflichkeit besteht ein ziemlicher Wildwuchs: Sprechen wir nun von Magier*innen oder von Zauber*innen? Was ist mit Hexen, Hexern und Hexenmeister*innen? Und dann ist da noch die Sache mit dem Klerus, der je nach Setting ebenfalls über magische Fähigkeiten verfügt …
Tatsache ist, dass Magie nicht nur ein zentrales Element der Fantasy ist, sondern bis heute auch auf die eine oder andere Art Teil einer jeden menschlichen Kultur. Der Begriff selbst entstammt dem griechischen mageia, was sich wiederum an mágoi orientiert, ursprünglich ein Begriff für Mitglieder der medischen Priesterschaft. Schon hier zeigt sich die enge Verwandtschaft zwischen Magie und Religion. 1931 versuchte sich der einflussreiche Ethnologe Bronisław Malinowski an einer Trennung, wonach Religion Werte schaffe, während die Magie eher einen praktischen Zweck verfolge; heute gilt diese Ansicht aber als überholt und praxisfern, und auch die Trennung zur Wissenschaft ist in vielen Fällen nicht eindeutig.
Analog- und Kontaktmagie
Zumindest aber kann Magie – wiederum aus ethnologischer Sicht – in mindestens zwei Arten eingeteilt werden: die analogische oder sympathetische sowie die Kontaktmagie. Erstere geht davon aus, dass Ähnliches mit Ähnlichem erschaffen, behandelt oder bekämpft werden kann. Auf diesem Prinzip basieren etwa Voodoo-Puppen, welche reale Personen darstellen sollen; wird nun der Puppe Schaden zugefügt, soll dieser Schaden die ihr zugeordnete Person treffen. Ein Beispiel aus der Fantasy wäre etwa, wenn eine Zauberin mit Hilfe der Holzfigur eines Drachen tatsächlich einen solchen beschwören kann.
Bei der Kontaktmagie wiederum wird Magie auf etwas ausgeübt, was mit dem Ziel in Verbindung steht. Beispiel: Ein Zauberer nutzt das Haar oder ein Kleidungsstück eines Opfers, um dieses aufzuspüren oder ihm Schaden zuzufügen. Auf ähnlichen Prinzipien fußt aber z. B. auch die Reliquienverehrung – eines von vielen Beispielen, bei denen Religion und magische Vorstellungen zusammenfließen.
Magie, Zauberei, Hexerei – alles dasselbe?
Die Begriffe „Magie“ und „Zauberei“ werden oft synonym verwendet, obwohl streng genommen ein leichter Unterschied zwischen beiden besteht: Während Magie ein übernatürliches Moment mit einbezieht, kann Zauberei auch auf Tricks und Täuschungen basieren. In verwandter (Fantasy-)Interpretation werden Magier*innen mit ihren Fähigkeiten geboren oder wenden diese intuitiv an, während Zauber*innen Gelehrte sind, ihre Kräfte nicht notwendigerweise angeboren. Ein kurzer Blick auf prominente Vertreter in der Fantasy zeigt aber schon, dass diese Differenzierung in der Praxis wenig Anwendung findet: Sowohl Harry Potter als auch Gandalf werden als Zauberer bezeichnet, obwohl beide über übernatürliche und darüber hinaus angeborene Fähigkeiten verfügen. Und auch die englischen Bezeichnungen, die von wizard über magician, mage oder sorcerer bis hin zu enchanter und vielem mehr reichen, sind – mit Ausnahme einiger spezialisierter Begriffe – alles andere als eindeutig. Eine feste Übersetzungsregel zwischen deutschen und englischen Zauberwirkenden-Begriffen gibt es ebenfalls nicht, sie richtet sich nach dem jeweiligen Kontext.
Ein bisschen anders sieht es aus, wenn Hexen (engl. witch, gelegentlich männl. warlock) ins Spiel kommen: Hexerei gilt eher als menschengemacht, während Magie auch Orten oder Dingen anhaften kann. Zudem wird Hexerei in menschlichen Kulturen häufig negativ mit Flüchen oder Krankheiten verbunden, während Zauberei auch „weiß“, also „gut“, sein kann.
In der Popkultur sind die Grenzen aber je nach Setting fließend, und nicht zuletzt lassen sich viele Figuren mit quasi-magischen Fähigkeiten gar nicht in eine der genannten Kategorien einordnen. Denken wir beispielsweise an Telekinetikerinnen wie Carrie aus dem gleichnamigen Roman von Stephen King: Wir könnten dem Vorbild von Carries Mutter folgen und sie als Hexe bezeichnen, wir können’s aber auch sein lassen.