Alessandra Reß, 10.12.2021
In Rock und Metal sind Fantasythemen allgegenwärtig. Umgekehrt haben Hauptfiguren in Fantasy-Romanen oft eine Affinität zur Musik. Grund genug, einen Blick auf einige der Verflechtungen zu werfen, die zwischen Musik und Fantasy-Literatur bestehen. Ein Überblick von Alessandra Reß.
Überirdischer Gesang, der unbedarft Zuhörende in ein nasses Grab schickt; Musikanten, deren Spiel auf magischen Instrumenten weit mehr vermag, als das Publikum zu unterhalten; oder Bands, die in Zauberwäldern gar Orks und Elfen zu einem gemeinsamen Tänzchen bewegen können: In der Fantasy ist Musik quer durch alle Subgenres oft von zentraler Bedeutung.
Song-Leerstellen als Inspirationsquelle
Wie aber steht es um sehr reale Verbindungen zwischen Musik und Fantasy-Literatur? Nun, auch da gibt es einige. Hört man sich bei Fantasy-Schriftsteller*innen um, was ihnen als Inspiration zu ihren Geschichten gedient hat, fallen dabei immer wieder die Namen von Bands, Musiker*innen, Alben oder Songs. So schreibt Melissa Marr im Nachwort zu „Shadow World“, dass ihr eine Liedzeile aus dem Song „Far From Home“ der Band Five Finger Death Punch die Idee zum Dämonenmarkt gab, dem Dreh- und Angelpunkt ihres Romans. Nora Bendzko wiederum, Autorin u. a. der „Galgenmärchen“-Romane sowie von „Die Götter müssen sterben“, entwickelte einen vom Nightwish-Album „Century Child“ inspirierten Roman, und in Oliver Plaschkas Erzählungen zeigt sich deutlich der Einfluss verschiedener Lieder und Bands. Dazu erklärt er: „Besonders schöne oder mysteriöse Titel oder Zeilen haben sich bei mir immer schon auch in Geschichten übertragen. Gerade der Psychedelic und Progressive Rock der 60er und 70er, den ich in meiner Jugend viel hörte, ist da sehr ergiebig. ‚Lady Fantasy‘ von Camel beispielsweise gab mit seinen drei Teilen ‚Encounter‘, ‚Smiles For You‘ und ‚Lady Fantasy‘ die komplette Idee und Struktur zum vierten Kapitel in meinem Roman ‚Fairwater‘ vor. Und die Kurzgeschichte ‚Jimberlyne, Jimberlyne‘ (aus der Kurzgeschichten-Sammlung ‚Das öde Land‘) entstand durch ‚She Came Through The Chimney‘ von Amon Düül II und die Frage, wer da wieso durch welchen Schornstein kam.“
Ein ähnlicher Gedankengang stand auch im Raum, als die Geschichtenweber-Community die Mystery-Anthologie „Was geschah im Hotel California?“ initiierte. „Das alles begann aus einer Diskussion“, berichtet Stefan Cernohuby, einer der Mitwirkenden. „Es ging um das Lied ‚Hotel California' von den Eagles, seinen mystischen Text und die Frage, was die „wahren“ Begebenheiten hinter dem Lied wären. Und welche weiteren Geschichten sich aus diesen Begebenheiten ergeben würden. In der Praxis war es dann so, dass jeder am Buch mitwirkende Autor eine eigene Textpassage auswählen und zu dieser eine mehr oder weniger abstrakte Ableitung für die weitere Geschichte wählen konnte. In meinem Fall war es die Stelle ‚And still this voices are calling from far away‘. Ich habe sowohl die Stimmung als auch Textpassagen in die Kreation des Protagonisten einfließen lassen – und sogar während des Schreibens das Lied gehört.“
Ähnliche Projekte existieren beispielsweise auch zu Kate Bush („Die große Streifenlüge“) oder Subway to Sally („Subway to Sally Storybook“).