FILM
Alles, was man über Animes wissen muss (1/3): Eine kurze Geschichte des Animes
Markus Mäurer, 15.06.2019
In dieser dreiteiligen Artikelreihe präsentiert euch unser Redakteur Markus Mäurer umfassend den Anime mit seiner Geschichte, den wichtigsten Genres und den kontroversesten Themen. Den Auftakt macht eine kurze Geschichte über die historische Entwicklung des Animes als Film und Serie in Japan und bei uns in Deutschland.
Was ist Anime
Es ist nicht so einfach, den Begriff Anime genau zu definieren. Im Allgemeinen versteht man darunter japanische Zeichentrickfilme und -serien. Aber was ist mit Zeichentrickfilmen aus Korea (z. B. Seoul Station) oder China (Qin’s Moon: Hundred Steps Flying Sword)? Die Wurzeln des Genres/Medium und des Begriffs liegen aber in Japan. Ein richtiges Genre ist es eigentlich nicht, mehr eine Präsentationsform, eine Mischung aus Medium und Stil. Die vorherrschende Meinung in Japan lautet, dass Anime mit der Serie Astro Boy (1963 - 1966) von Osamu Tezuka begann, der seine Serie erstmal als Anime bezeichnet haben soll, anstelle von Animation.
Die beiden Filme, ja Meilensteine, die den Anime endgültig einem internationalen Publikum öffneten, waren Akira (1988) und Ghost in the Shell (1995). Sie sorgten auch dafür, dass Anime für viele in erster Linie mit der Science Fiction in Verbindung gebracht wurde. Diese beiden Filme dienten vor allem als Türöffner bei Kritikern, Akademikern und Science-Fiction-Fans. Für ein wirklich breites Publikum und die Entstehung einer Jugendsubkultur (dem Cosplay) sorgten eher Serien wie Sailor Moon, Pokemon, Dragon Ball Z usw. Akira- oder Ghost in the Shell-Cosplay sieht man eher selten, jene erwähnten Serien dafür um so öfters.
Die Wurzeln des Animes
Während der Begriff Anime in Japan schon seit den 1960er-Jahren im Umlauf ist, hat er sich international erst im Zuge des Erfolgs von Akira durchsetzen können. In den ersten Kritiken zu dem Film ist noch von Japanimation oder Japanese Manga Animation die Rede. Doch die Wurzeln des Animes reichen viel weiter zurück.
Es sind vor allem zwei Kunstformen aus der Jahrhundertwende um 1900, die den Anime in Japan maßgeblich beeinflusst haben:
Das sogenannte Utsushi-e, reflektierte oder projizierte Bilder, die der Laterna Magica ähneln und Bewegungen simulieren können. Und das japanische Straßentheater, das Kamishibai (Papiertheater), mit Erzählern, die ihre Stände in Straßen und Parks aufstellten und ihre Geschichten erzählten, während sie die gezeichneten Bilder in einen Rahmen schoben.
Einen weiteren großen Einfluss hatten aus dem Westen importierte Filme von Filmemachern wie Georges Méliés (Die Reise zum Mond, 1902), James Stuart Blackton und Emile Cohl. Als japanische Pioniere des animierten Film gelten Oten Shimokawa (Imokawa the Doorman), Junichi Kouchi und Seitaro Kitayama, die alle erstmals 1917 Kurzfilme veröffentlichten, die sich aber noch stark von dem unterschieden, was wir heute unter Anime verstehen. Dort wurde noch mit Kreidetafeln und Papierschnitt gearbeitet. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich der auf Folie gemalte Trickfilm (Cel Animation), stark gefördert von der japanischen Regierung, um zunächst noch Lehrfilme zu drehen, später dann Propaganda, wie zum Beispiel der Tieranimationsfilm Norakuro, Private Second Class von 1935 oder Momotaro's Divine Sea Warriors von 1945, der als der erste japanische animierte Langfilm gilt.