Fantasy

Zeitlos, alterslos, gehen immer: Die besten Fantasy-Bücher aller Zeiten (Teil 3)

Die besten Fantasybücher aller Zeiten

Judith Vogt, 15.05.2017

Es gibt Bücher aus dem Fantasy-Genre, die uns fürs ganze Leben prägen. Wir präsentieren euch hier also (nichts weniger als) die besten Fantasy-Romane aller Zeiten.

Der dritte Teil dieser ganz subjektiven Reihe rund um die besten Fantasy-Bücher zählt Romane auf, von denen ich behaupte, dass sie einige von uns für ihr ganzes Leben geprägt haben. Nachdem der erste Teil sich um Kinder- und Jugendbücher drehte und der zweite um Erwachsenenfantasy, findet ihr hier nun Fantasy-Romane aus beiden Kategorien, die aber, so behaupte ich, nicht einer bestimmten Zielgruppe untergeordnet sind und die unser Erwachsenwerden, unsere Identitätsfindung und auch die Evolution des Fantasy-Genres maßgeblich beeinflusst haben. 

Vorhang auf für die besten Fantasy-Bücher aller Zeiten!

Frühe Phantastik
Es gibt ganz bestimmte Bücher, bei denen habe ich so ein Gefühl, das mit der Erinnerung daran verknüpft ist – ein bisschen wie ein Geruch, ein Hintergrundrauschen, ein unbestimmtes Bild, das das ganze Buch einfängt. Rudyard Kiplings Dschungelbuch ist so ein Buch. Der zugleich enthusiastische wie melancholische Blick auf das Mythische des Dschungels, die Lieder, die den Geschichten vorangestellt sind („Ruft Chil der Greif: Die Nacht ist reif!, trägt Mang sie auf Fledermausflügeln …“), das alles malt ein Bild, das sich nicht einmal vom Disneyfilm verdrängen lässt.

Weitere Perlen früher Phantastik? E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann erzählte bereits in der Romantik schaurig-schön vom Menschsein und von Automaten. Ein Thema, das auch Mary Shelley nicht losließ, als sie für Lord Byron eine Gruselgeschichte erfinden sollte und nach langem Grübeln Frankenstein oder der moderne Prometheus ersann.  Dracula von Bram Stoker, Faust von Goethe – wenn sie heute erschienen wären, stünden diese Werke in Buchhandlungen im Fantasy-Regal.

Die Urväter der Phantastik
Wenn ich gefragt werde, welches Fantasybuch mich am meisten geprägt hat, muss ich dieselbe Antwort geben wie 95 % meiner Kollegen. Ja, ja, es war Der Herr der Ringe. Wieder und wieder und wieder gelesen, auf Deutsch und auf Englisch, dazu den Hobbit, das Silmarillion und Die Nachrichten aus Mittelerde. Staunend, dass so etwas der Feder eines Mannes entsprungen ist, dieser ganze große scheinbar greifbare Kosmos. Zum Herr der Ringe habe ich dieses spezielle Mittelerde-Gefühl. Sommer im Auenland, Herbst auf der Wetterspitze. Der Hauch von Vergänglichkeit und von endenden Zeitaltern …

Auch wenn ich selbst nicht so der Sword-and-Sorcery-Typ bin und war, gehört Robert E. Howards Conan ebenfalls hierher. Eine ganz andere Prämisse – wo Tolkiens Lebenswerk Verbindungen zu seinen Lehren als Professor hatte, war Conan klassischer Pulp, erschienen in den Dreißigern im Weird Tales-Magazin. Beides eint, dass sie Bücher, Filme und Rollenspiele geprägt haben wie nichts anderes – und dass sie eine fiktive Vorzeit unserer Welt darstellen.

Fabeln und Sagen
Einen Namen habe ich bereits bei den Kinderbüchern erwähnt und erwähne ihn hier noch einmal, weil er in zwei so verschiedenen Stimmen geschrieben hat. Otfried Preußlers Krabat ist eine phantastische, düstere Adaption einer sorbischen Sage um Macht und Liebe. Raschelnde Rabenfedern, wenn der junge Streuner Krabat das erste Mal auf die Stange in der Kammer des Müllermeisters fliegt. Tondas graues Haar, der Liebe und Lebenslust verlor. Das Leuchten der roten Feder am Hut des Gevatters und das Verderben, das über jedem Jahresende hängt – Krabat vergisst man so schnell nicht.

Hans Bemmann hat sich in Stein und Flöte keiner bereits existierenden Sage oder Fabel gewidmet, sondern erschafft seine eigene symbolische Märchenwelt, in der der Junge Lauscher zwei magische Gegenstände erhält: einen Stein und eine Flöte. Er missbraucht beides und findet seinen Weg nicht, wird stattdessen erst in einen Faun und dann in eine Faunstatue verwandelt und schließlich von der Liebe seines Lebens erlöst.

Bücher fürs (innere) Kind
Viele der besten Fantasybücher aller Zeiten sind Kinder- oder Jugendbücher. Man könnte auch „All Age“ dazu sagen, wobei der Begriff noch nicht erfunden war, als sie geschrieben wurden.

Michael Ende war ein Virtuose darin, jede Altersgruppe etwas anderes aus seinen Büchern herauslesen zu lassen. Kinder finden sich selbst in Titelheldin Momo, Erwachsene blicken vielleicht in den Spiegel des Friseurs Herr Fusi oder in die gescheiterten Träume von Gigi Fremdenführer und sehen graue Männer hinter sich stehen, und alte Menschen suchen die Ruhe von Beppo Straßenkehrer. Die alterslose Fabel über das Verstreichen von Zeit und über das wirklich Wichtige im Leben liest sich aktueller denn je, auch wenn Smartphones und Internet-Prokrastination in ihr fehlen.

Die unendliche Geschichte ist für viele vom Film überschrieben worden, doch noch mal einen Blick ins Buch zu werfen, lohnt sich. Erstens natürlich wegen des Endes, das im Film zuckersüß daherkommt und im Buch unendlich qualvoller ist. Ein Weg durch Allmacht und verlorene Erinnerungen hindurch zum eigenen Wesenskern. Für mich wird Atréju immer olivgrüne Haut haben, und Phantásien schmeckt nach dem Eintopf der alten Urgl, klingt wie die Stimme der Stille – und an seinen Rändern lauert stets das Nichts …

Auch die Verfilmung von Der Goldene Kompass von Philip Pullman litt an einem Ende, das der großartigen Vorlage nicht gerecht wurde und schmälert damit den „Impact“, den die Geschichte hat. Obwohl ich kein dogmatischer Verfechter von: „Erst lesen, dann gucken“ bin, heißt hier die Empfehlung eindeutig: Lesen! Die beiden parallel existierenden Welten, eine Welt mit Dæmonen als Tiergefährten, die Naturwissenschaften und der „Staub“, zahlreiche Anklänge an Jungsche Psychologie und christliche Mythologie sind die Zeit wert, auch wenn Eva Green eine tolle bogenschießende Hexe war.

Und nun kommen wir zu Harry Potter! Der magiebegabte Waisenjunge mit der Bestimmung, einen faschistoiden Schurken zu Fall zu bringen, hat eine ganze Generation geprägt. In sieben Bänden legt Harry seine zunächst witzige und später zunehmend schmerzhafte Reise vom Kind zum Erwachsenen zurück, sieht Freunde und Mentoren sterben und lernt immer wieder, dass er, wenn er sich entscheiden muss „zwischen dem richtigen Weg und dem leichten“, den richtigen Weg wählen wird, gegen alle Widerstände. In Harrys durchweg abwechslungsreich charakterisierten Freunden wie Hermine, Ron, Luna, Neville, Fred und George, Cho, Ginny und Co. findet jede Leserin, jeder Leser einen Lieblingscharakter. Harry Potter hat vielen, die die Reihe als Jugendliche verschlangen, gezeigt, was Zivilcourage bedeutet und war ein Vorreiter der modernen Jugendfantasy. 

Und zum Schluss: Was zum Lachen!
Tut mir leid, Walter Moers und Terry Pratchett – ihr seid bei den Erwachsenenbüchern gelandet, denn dieser Platz hier war reserviert für … *Trommelwirbel* Die Brautprinzessin von William Goldman! Ein Buch voller Absurditäten, logischer Brüche und Umerzählungen, während ein Großvater seinem Enkel die Geschichte vorliest und der Enkel immer wieder korrigierend eingreift. Mit unglaublichen Fechtduellen und noch unglaublicheren Sprüchen. Man muss es einfach lieben – und da fällt mir wieder ein: Ich habe noch nie den Film gesehen! Das muss ich unbedingt nachholen, macht’s gut!

Judith Vogt, aufgewachsen in einem Hundert-Seelen-Dorf in der Nordeifel und gelernte Buchhändlerin, steht seit 2010 als Schriftstellerin am anderen Ende der Buchnahrungskette. Sie lebt in Aachen und schreibt Romane, Rollenspiele, journalistische Artikel und Übersetzungen in ihrem Lieblingsgenre Phantastik und SF.

www.jcvogt.de