Fantasy

Der Einstieg in Tabletop-Games

Der Einstieg in Tabletop-Games
© Games Workshop

Henning Mützlitz, 09.12.2020

Tabletop-Spiele bieten tolle Haptik, fördern die Kreativität und verfügen über ein spannendes narratives Element – und der Einstieg ist gar nicht so schwierig. Henning Mützlitz mit einer kurzen Einführung.

Gerade in dieser merkwürdigen Zeit der Pandemie, in der wir Kontakte reduzieren müssen und vielen Freizeitaktivitäten nicht nachgehen können, haben viele Menschen die Beschäftigung mit haptischen Dingen in ihrer Freizeit wiederentdeckt, anstatt immer nur irgendwelche Displays zu starren. Ob es Basteln, Malen, Handarbeiten, Obskure-Dinge-Sammeln oder Brettspiele sind – all diese Elemente vereinen moderne Miniaturenspiele: Über das kompetitive Spielprinzip hinaus können sie im Rahmen einer kreativen Tätigkeit nicht nur Entspannung, sondern das Gefühl bieten, mit dem erfolgreichen Bauen oder Bemalen von Figuren oder Gelände etwas „erschaffen“ zu haben.

Im Gegensatz zu „normalen“ Gesellschaftsspielen werden Tabletop-Games normalerweise ohne Spielbrett gespielt. Bewegungen von Miniaturen werden frei und mit Hilfe eines Maßbands durchgeführt, was ungeahnte Freiheiten bietet, aber aufgrund des mangelnden Rahmens etwas einschüchternd wirken kann. Meist begrenzt die Größe der Tischplatte das Spielfeld, und manche Startersets bieten ein atmosphärisch passend Spielfeld, um das Ganze übersichtlich zu halten. Die Profis spielen auf selbstgebauten und thematisch passenden Geländeplatten.

Die Einstiegshürden ins Tabletop sind tatsächlich höher als ins Brettspiel, allerdings hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Menge getan, um diese zu senken und viele Menschen (zurück) ins Hobby zu bringen. Sowohl die Marktführer wie Games Workshop oder Asmodee als auch Indiesysteme nehmen Einsteiger*innen deutlich besser an die Hand als früher. Einstiegsboxen bieten nicht nur Grundregeln und Figuren, um mit zwei Fraktionen direkt loszulegen, sondern auch Anleitungen zur Bemalung sowie Tipps zum weiteren Ausbau des jeweiligen Systems.

Vielleicht entpuppt es sich auch für euch als gute Idee, die nächsten Wochen und Monate des pandemischen Winters mit etwas Erfreulichem zu füllen, anstatt ständig darüber nachdenken zu müssen, wie mies und fies alles ist. Wir liefern euch hilfreiche Tipps zum Einstieg und stellen exemplarisch drei Spiele vor, die nicht nur die genannten Möglichkeiten zur kreativen Betätigung bieten, sondern euch komplett in fiktive Spielwelten eintauchen lassen, die weit mehr bieten als lediglich das profane Spiel mit Figuren.

Tabletops – was benötige ich?

Eines vorweg: Zum Spielen von Tabletop-Konfliktsimulationen gehört (meistens) das Bauen und Bemalen der Figuren. Wer lieber nur zocken möchte, aber dennoch auf Plastikpüppis steht, sollte besser zu einem sogenannten „Gateway-Game“ wie „X-Wing“ oder „Zombicide“ greifen, bei denen die Miniaturen nicht zusammengebaut werden müssen (bei ersterem sind sie sogar bemalt), so dass es direkt losgehen kann.

Allerdings macht das Bauen und Bemalen einen besonders interessanten Teil des Hobbys aus, den ihr nicht verpassen solltet. Dazu ist allerdings etwas Werkzeug erforderlich: Um Figuren aus den Gussrahmen zu lösen, reicht ein einfacher Seitenschneider aus dem Bastelladen, und um die Gussgrate an den Miniaturen zu entfernen, genügt ein Bastelmesser. Bei den Farben wird es komplizierter, allerdings bieten viele Hersteller günstige Einstiegssets an: Bei Citadel findet ihr auf die Starterboxen von „Warhammer“ abgestimmte Farbsets, ähnliche Bundles gibt es für „Star Wars Legion“ oder systemunabhängig von großen Herstellern wie Vallejo und Army Painter.

An Pinseln reichen zunächst einfache, günstige Varianten aus, beispielsweise ein Dreierset mit je einem Pinsel für Grundfarben, Shade und Details. Meist bieten die Starterboxen viele hilfreiche Tipps und Anleitungen. Als Faustregel gilt: Übertreibt es am Anfang nicht! Fangt langsam an und erlernt erst die Grundtechniken mit den Figuren aus den Startersets sowie grundlegenden Werkzeugen, Farben und Pinseln. Auf YouTube stehen als Hilfestellung zudem unzählige Mal- und Bastel-Tutorials für alle Systeme und Themen bereit.

Alles andere kommt ohnehin mit der Zeit, wenn euch ein Spielsystem erfolgreich in den Bann gezogen hat. Jedes unserer vorgestellten Systeme bietet zahlreiche Möglichkeiten, es beliebig mit Einheiten und Fraktionen zu erweitern, so dass euch nie wieder langweilig wird ...

Warcry

Bei „Warcry“ handelt es sich um ein eigenständiges Spiel in der Welt von „Warhammer – Age of Sigmar“. Im Gegensatz zum großen Bruder bietet es kleine Scharmützel zwischen Kriegerscharen mit jeweils etwa fünf bis fünfzehn Miniaturen. Dies wird als „Skirmish-System“ bezeichnet, bei dem der Fokus auf einzelnen Figuren und deren Fähigkeiten und nicht auf den größeren Einheiten einer kompletten Armee liegt. Für den Einstieg ist ein solches System optimal, da es vergleichsweise günstig und auch am heimischen Küchentisch spielbar ist.

 

„Warcry“ spielt in einer chaotischen Region: In den Achtpunkten, dem Bereich zwischen den acht Reichen, in denen der Kampf zwischen den Heerscharen des Gottkönigs Sigmar und den Mächten des Chaos tobt, sammeln sich Kriegerscharen aller möglichen Kulte, um zum Berg Varanspitze vorzudringen und die Gunst des Chaosherrn Everchosen zu erlangen. Daneben dringen auch die Kräfte der Ordnung in diese Region der Blutwindhügel vor, um die Macht des Chaos einzudämmen, alte Artefakte und Geheimnisse zu bergen und die Achtpunkte zu befrieden.

Das Besondere an „Warcry“ ist der Schwerpunkt auf dem erzählerischen Spiel: Mit der selbst erstellten und mit erzählerischem Hintergrund versehenen Kriegerschar lassen sich somit nicht bloß Scharmützel austragen, sondern im Rahmen einer erzählerischen Kampagne unzählige Abenteuer bestreiten. In mindestens zwölf Kampagnenschlachten müssen unterschiedlichste Aufgaben bewältigt werden. Dabei erlangen die Charaktere der Kriegerschar Erfahrungspunkte, besondere Gegenstände und Territorien, so dass jeweils ihre eigene Geschichte weitergeschrieben wird. Vor allem Rollenspieler*innen sollten daran große Freude haben.

Um mit „Warcry“ einzusteigen, empfehlen sich vor allem die Grundboxen mit Vollausstattung aus Figuren, Gelände, Spielplan und Regelbuch: Das aktuelle „Katakomben“-Set ist gerade erschienen, aber ziemlich teuer. Falls ihr in einem Fachgeschäft noch das „Warcry-Starter Set“ von 2019 findet, schlagt dort zu. Alternativ könnt ihr Regelwerk, Gelände und die gewünschten Kriegerscharen auch einzeln erwerben – was allerdings in Summe deutlich mehr kostet.

Star Wars Legion

Wo sind Konfliktsimulationen wohl besser aufgehoben als bei „Star Wars“? Neben den Filmen bietet das Franchise mit seinen unzähligen Konflikten viele Möglichkeiten, eigene Schlachten im Kampf zwischen heller und dunkler Seite der Macht (und darüber hinaus) auszutragen. „Star Wars Legion“ von Fantasy Flight Games bietet dabei zwei Einstiegsepochen: Entweder wendet ihr euch dem Zeitalter der Rebellion zu und tretet mit Luke Skywalker, Prinzessin Leia und den Rebellen gegen das Imperium an, oder ihr schlagt im Zeitalter der Republik die Schlachten der Klonkriege unter dem jungen Obi-Wan Kenobi gegen General Grievious (bzw. umgekehrt).

Für beide Epochen sind fette Einstiegsboxen verfügbar, die berühmte Anführer und verschiedene Truppentypen bieten bis hin zu schweren Waffenträgern und Speederbikes. Der Zusammenbau der Figuren gestaltet sich zwar nicht übermäßig kompliziert, erfordert aber etwas Fingerspitzengefühl. Ein Spielplan ist nicht enthalten, sodass man die Tischoberfläche nutzen muss, was der Atmosphäre ein bisschen abträglich ist. Dafür fällt der regelseitige Einstieg vor allem für Veteran*innen der Spiele von Fantasy Flight Games relativ leicht: Mittels vergleichenden Würfen werden Treffer und Schadenswerte bestimmt, was nach einigen Runden rein intuitiv vonstatten geht.

Spannend ist bei „Star Wars Legion“ natürlich, dass ihr eure Spiele und Konflikte in jedweden Kontext des „Star Wars“-Universum einbetten könnt. Einerseits könnt ihr die Storys aus Filmen, Romanen oder Games nachspielen, oder ihr etabliert eigene Settings: Beispielsweise könnte eine tapfere Rebellenanführerin einen unbekannten Planeten aus den Händen eines imperialen Kommandanten befreien wollen – doch dieser hat ihr bereits eine Falle gestellt, in der er den Rebellenabschaum zerquetschen will ...

„Star Wars Legion“ glänzt mit der starken Marke sowie vielen aus dem Franchise bekannten Konflikten, Figuren und Einheiten. Es bietet ein einfaches und intuitives Spielsystem, liefert aber in puncto Bemalung und Geländegestaltung lediglich überschaubare Hilfestellungen für Einsteiger*innen.

A Song of Ice and Fire

Jetzt hatten wir ein narratives-Skirmish-Spiel, ein in eine Space Opera eingebettete Konfliktsimulation mit Fokus auf kleineren Verbänden, also kommt zum Schluss ein Rank&File-System in einer Romanwelt. Was heißt denn nun wieder Rank&File? Dies bezeichnet Tabletopspiele, die den Fokus auf komplette Einheiten legen, die als Verbund agieren und entsprechend auf dem Spielfeld bewegt werden.

Mit „A Song of Ice and Fire“ bewegen wir uns im erfolgreichsten Fantasy-Universum des vergangenen Jahrzehnts. Die Startbox des vom Studio Cool Mini or Not entwickelten Systems umfasst zwei der bekanntesten Fraktionen von Westeros: Darin treffen die Armeen der Häuser Stark und Lennister aufeinander.

Die Grundbox enthält neben Regeln und Hintergrundmaterial über 100 Miniaturen, die nicht auf der Optik der TV-Serie, sondern auf der Romanlizenz und eigens angefertigten Illustrationen basieren, die von George R. R. Martin abgesegnet wurden. Die Miniaturen sind bereits zusammengebaut, farblich unterscheidbar und beschleunigen somit den Einstieg, können aber individuell bemalt werden. Neben Einheiten wie Schwertträgern, Reitern oder Bogenschützen, die auf Tableaus mit bis zu zwölf Einzelfiguren im Verbund bewegt werden, finden sich auch Helden wie Tyrion Lennister, Gregor Clegane oder Robb Stark, die als Anführer mit Sonderfertigkeiten fungieren und ihre Truppen in die Schlacht beordern.

Daneben bekommt man Landschaftsmarker, Hindernisse und massig Pappblips, allerdings wird eine separate Spielunterlage benötigt. Spannend ist hierbei, dass über spezielle Karten, die das Wirken des Hohen Rats beschreiben, Einfluss auf das Spielgeschehen genommen werden kann. Ein besonderes Element, das wiederum eine erzählerische Komponente ins Spiel bringt – unabhängig davon lassen sich auch hier natürlich eigene Szenarien in Westeros entwerfen. Die Regeln sind kompakt gehalten und beschränken sich fast ausschließlich auf den Crunch, während so gut wie kein Hintergrund enthalten ist – aber dafür gibt es ja die Romane oder die TV-Serie.

Die Starterbox von A Song of Ice and Fire bietet massig Spielmaterial, allerdings keine Fernkämpfer. Wer sich alternativ für andere Fraktionen interessiert, kann auf die Grundbox verzichten und stattdessen eine einzelne Starter-Armeebox kaufen (z.B. die Nachtwache) und gegen ein*e Freund*in im Besitz einer anderen Fraktion antreten.

Henning Mützlitz

Henning Mützlitz durchwandert bereits seit seiner Kindheit phantastische Welten, bis er beschloss, seine eigenen zu erschaffen. Seit einem Redaktionsvolontariat ist er als freier Journalist und Schriftsteller tätig. Er ist unter anderem stellv. Chefredakteur des Genre-Magazins Geek!, in dem er sich mit verschiedenen Formen der Phantastik in Wort und Bild beschäftigt. Daneben schreibt er phantastische und historische Romane.

 

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