Judith Vogt, 14.05.2018
Gibt es eigentlich Fantasy-Romane, in denen Frauen jenseits der magischen Grenze von 25 Jahren die Hauptrolle spielen? Fünf Fantasy-Buchtipps von Judith Vogt.
Warum machen weibliche Heldinnen eigentlich meistens die Young-Adult- oder All-Age-Fantasy unsicher? Und ist das überhaupt wirklich so? Inspiriert von Henning Mützlitz’ Plädoyer für mehr Heldinnen in der Phantastik habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wo es denn mal „reifere“ Heldinnen in der Fantasy gibt – und ob Jugendlichkeit nicht vielmehr ein generelles Symptom des Genres ist.
Die Heldenreise als Blaupause
Blicken wir der Wahrheit ins Auge: Fantasy läuft häufig nach dem Schema der Heldenreise ab, und bei der Heldenreise ist die Bildung des Charakters ein wichtiger Punkt. Natürlich können auch Vierzigjährige eine Heldenreise durchlaufen, aber die klassische Heldenreise dreht sich um einen jugendlichen Helden oder eine jugendliche Heldin. Luke Skywalker, Katniss Everdeen, Harry Potter, Kvothe, Jon Snow – wir sehen ihnen beim Erwachsenwerden zu und dabei, wie sie große Prüfungen durchstehen müssen, um schlussendlich zu werden, was wir an ihnen bewundern. Der Jedi, die Widerstandskämpferin, der Magier, der King in the North …
Das heißt, ja, oft sind Fantasyhelden und -heldinnen jüngere Menschen, unter fünfundzwanzig, oft spielt die erste Liebe, die erste Beziehung eine Rolle, das Finden der eigenen Fähigkeiten. Und dennoch werden die Geschichten junger Männer häufig nicht in die Young-Adult-Ecke gestellt, sondern sind „normale“ Fantasy für erwachsene Leserinnen und Leser. Wenn die Protagonistin aber eine junge Frau ist, geht es oft in die Jugendbuchrichtung, dann erscheint das Buch nicht selten bei Jugendbuchromanen und häufig fällt auch noch das ungeliebte Stichwort „Romantasy“. Dann ist die Zielgruppe des Buchs klarer umrissen: weibliche Jugendliche und weibliche Erwachsene, die gern Jugendbücher lesen.
Das Einfühlen ins andere Geschlecht
… ist dabei sicherlich ein Grund. Als Fantasy-Leserin ist man es gewohnt, sich in männliche Protagonisten zu versetzen, denn das Genre ist nun mal sehr stark männlich geprägt. Sich als männlicher Leser in eine weibliche Protagonistin versetzen zu „müssen“ ist etwas, das man auch bleiben lassen könnte: Man(n) hat ja genug Bücher von männlichen Autoren mit männlichen Protagonisten zur Auswahl, gerade im Bereich der „Erwachsenenfantasy“.
Und dennoch: Wollen wir immer dieselben Geschichten lesen? Brauchen wir immer den gleichen circa zwanzigjährigen jungen Mann, der seine Fähigkeiten entdeckt und sich durch Grausamkeiten und Unbill arbeitet, bis sein Charakter geschärft ist, er sein Ziel erreicht und vielleicht außerdem noch die Liebe fürs Leben gefunden hat?
Versteht mich nicht falsch: Ich bin Fan der Heldenreise. Aber die Heldenreise kann mehr sein als das, was wir wörtlich darunter verstehen. Die Heldenreise inspiriert uns deshalb so, weil jemand sich aufrafft und ins Ungewisse vordringt – etwas, das wir bei jedem Vorstellungsgespräch, bei jedem Aufräumen des Kinderzimmers, bei jedem neuen Sportkurs tun. Und das haben wir nicht nur mit zwanzig getan.
Heldengereist wird immer
Heldenreisen haben auch noch ihre Berechtigung, wenn man sie mit Mitte vierzig unternimmt. Heldenreisen können auch nach der ersten großen Liebe, nach einem halben Dutzend Beziehungen, nach zwei, drei, fünfzehn Kindern noch Relevanz für das Leben einer Heldin, eines Helden haben.
Und deshalb habe ich mal einen Blick ins Fantasyregal geworden und fünf Bücher zusammengestellt, in denen die Heldinnen Frauen jenseits der fünfundzwanzig sind. Viel Spaß damit!