ESSAY
Uuuuhhh ... Baby: Ziemlich guter Sex in der Science Fiction und Fantasy
Judith Vogt, 23.06.2019
Im ersten Teil dieses Zweiteilers habe ich über einige erotische Fehltritte in der Phantastik gesprochen. Und ja, es war verdammt schwierig, schlechtem Sex exemplarisch auf den Grund zu gehen, ohne dabei allzu gehässig zu werden. Dieser Artikel hier hingegen geht mir leichter von der Hand: Macht euch gefasst auf guten, grandiosen und ganz und gar fantastischen Sex!
Objektivität? Unmöglich!
Es ist natürlich nicht wirklich möglich, Sexszenen in „gut“ und „schlecht“ zu unterteilen – also, okay, es gibt Szenen, die klischeehaft sind, stereotyp oder einfach literarischer Mumpitz. Aber wer was wann erotisch findet, ist wohl höchst subjektiv, aber auf ein paar Eckpunkte können wir uns vielleicht doch einigen.
Anders als im ersten Teil dieser Reihe werde ich euch also im Folgenden einfach ein paar saftige Szenen servieren und euch sagen, was ich daran gut finde. Ihr könnt mir in den Kommentaren widersprechen oder eure eigenen Lieblinge präsentieren. Um es mir und euch leichter zu machen, hier ein Versuch der unvollständigen Kategorisierung!
Kategorie I: Mut zum schlechten Sex
Mein Herz erweichen oft Sexszenen, die nicht perfekt laufen, in denen Leute aller Geschlechter unsicher sind, keine sofortigen Orgasmen haben oder sogar diese ganze Nummer abbrechen und sich ärgern. Im ersten Artikel habe ich schon geschrieben, dass uns die „perfekte Sexszene™“ vielleicht von den lästigen Dingen ablenken soll, mit denen Sex im realen Leben so daherkommt. Es gibt natürlich auch Daseinsberechtigungen für perfekte Sexzenen, aber es kann überraschend mutig, lustig und interessant sein, die andere Richtung auszuloten – und damit vielleicht Leser*innen auch ein wenig Normalität zu vermitteln oder den Anreiz, etwas selbst für sich zu verbalisieren.
Ich habe ein paar Beispiele!
Den Anfang macht Elea Brandt mit „Opfermond“:
Sie umfasste seinen Schaft, um ihn […] so lange zu reiten, bis er in ihr kam.
Doch genau in dem Moment hielt Varek ihren Arm fest und löste sich gewaltsam aus ihrem Kuss. „Hör auf!“
Mit offenem Mund starrte Idra ihn an. Ihr Herz pochte schnell und heftig in ihrer Brust, und sie wollte ihn eben mit einem weiteren Kuss zum Schweigen bringen, als er sie abermals energisch festhielt. „Was soll das?“
„Was?“
„Was das werden soll?“
Idra glotzte ihn ungläubig an. Sie blinzelte. „Ficken, was sonst?“
Varek seufzte […]. „Ich denke, das ist keine gute Idee.“
Idra rang nach Luft, ihr fehlten die Worte. Dieser ekelhafte Scheißkerl! Erst starrte er ihr lüstern auf die Titten, dann erwiderte ihren Kuss, und jetzt schob er sie einfach so ab?
Die Szene finde ich schonungslos und emotional stark, sie hat etwas Rohes, weil Idra ihre Absichten ziemlich forsch vorbringt und mit der Ablehnung schwer leben kann. Etwas subtilere Enttäuschung gibt es bei Robert Jackson Bennett in „Die Stadt de Tausend Treppen“
„So ist es gut. So ist es sehr gut. Mmm.“
Das ist keine gute Idee, denkt Shara, aber sie bemüht sich „das“ zu ignorieren, und sich in diesem kleinen Glück zu verlieren …
Aber es gelingt nicht. „Vo …“
„Ja?“
„Macht es … Macht es dir Spaß?“
„Ja.“
„Wirklich?“
„Ja.“
„Ich frage nur, weil …“
„Ich weiß. Ich weiß! Es ist … Der Wein …“
„Bist du sicher, dass ich dir nicht wehtue?“
„Ja! Alles bestens! Du bist wunderbar!“
„Alter Schmeichler. Aber vielleicht kann ich … Moment … Ist das besser?“
„Viel besser.“ Es klingt weniger leidenschaftlich als verbissen. „Verdammt.“
„Was ist?“ […]
„Das sollte nicht so … schwierig sein. […] Ich bin nur … Es ist nur … Götter!“ Er fällt neben ihr auf den Rücken. […] „Tut mir leid“, sagt er leise.
„Blödsinn.“
Die Szene funktioniert fast ausschließlich über Dialog, das ist mal was Neues. Es macht die Leser*innen beinahe zu versehentlich Lauschenden. Und die verpatzte Liebesszene hat etwas wirklich Charmantes.