Am 2. September ist es so weit: Die teuerste Serie aller Zeiten wird beim US-amerikanischen Streaming-Anbieter Prime Video gezeigt, »Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht«. Tolkien-Experte Marcel Aubron-Bülles erklärt uns, was das für den Serien- und Streaming-Markt bedeutet.
Seit über fünf Jahren arbeitet das Team hinter den Kulissen an diesem Mammut-Projekt, vom ursprünglichen Pitch der beiden Showrunner Patrick McKay und JD Payne gezählt, als sich verschiedene Anbieter um die Chance beworben hatten, neue Geschichten in J.R.R. Tolkiens Welten zu erzählen.
Denn das werden die Fans im September sehen: neue Geschichten.
Was genau zwischen den Erben Tolkiens, Prime Video und den anderen Beteiligten vereinbart worden ist, bleibt vorerst natürlich Geschäftsgeheimnis, aber es wurde immer wieder betont, dass als Grundlage der Serie lediglich die Rechte an »Der Hobbit« und »Der Herr der Ringe« mit den stets zitierten Anhängen erworben wurden.
Weder »Das Silmarillion« noch die wissenschaftliche Edition von Tolkiens Werken, »The History of Middle-earth«, von denen nur die ersten beiden Bände im Haus- und Hofverlag Tolkiens in Deutschland, der Hobbitpresse bei Klett-Cotta als »Das Buch der Verschollenen Geschichten Teil I und II« erschienen sind:. Und schon gar nicht die »Unfinished Tales«, dem Zwitterband vor der »HoMe«, der als »Nachrichten aus Mittelerde« erschienen ist, und dessen immenser Erfolg 1980 deutlich machte, dass Leser*innen auf der gesamten Welt mehr erfahren wollten, was im ›Legendarium‹ Tolkiens alles geschieht - und vor allem, wie der künstlerische Schaffensprozess vor sich gegangen ist. Bedauerlich, denn hier nimmt das Zweite Zeitalter Mittelerdes großen Raum ein; beschreibt man hier doch die Insel Númenor, die Königslinie, die Geschichte Galadriels und Celeborns und nicht zuletzt das Beziehungsdrama von Aldarion und Erendis, bei dem die Interaktion von Liebe und Macht eindringlich beschrieben wird.
Wovon sprechen wir also eigentlich?
Was wissen wir über »Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht«?
Fast nichts.
Das mag überraschend klingen, vor allem, da in so großen und einflussreichen Publikationen wie ›Empire‹ und ›Vanity Fair‹ kürzlich kräftig die Werbetrommel gerührt wurde. Und natürlich kann man sich auf IMDB und über einige einschlägige Leak-Channels auf Twitter Informationen zusammensuchen, die hier und da Brotkrumen liefern, die aber über eins nicht hinwegtäuschen können: Diese Serie wurde und wird unter höchster Geheimhaltungsstufe gedreht und beworben.
Zwar sind Cast & Crew in Teilen bekannt, und natürlich haben einige der Schauspieler*innen hier und da auf ihren Instagram-Accounts Bilder und Anspielungen geliefert, die die neugierige und fast schon verzweifelte Fangemeinde zu den wildesten Theorien animierten. Dass John Howe als wichtiger Designer mitarbeitet, der ja bereits die Filmtrilogien Peter Jacksons entscheidend beeinflusst hatte, wurde von vielen als positiv eingestuft, wenn auch der Wunsch, endlich wieder Neues zu sehen anstelle der ästhetischen Fossilisation Mittelerdes der letzten zwanzig Jahre, vermutlich nicht erfüllt wird.
Aber im Grunde weiß niemand, was wir sehen werden. Die vollmundigen Pressetexte, in denen einfach nur Namen und Charaktere aus dem Zweiten Zeitalter Mittelerdes genannt werden, haben in etwa denselben Informationsgehalt wie die Aussage, dass der nächste ›Tatort‹ in Köln, Hamburg, München oder Berlin gedreht werden könnte, weil dies die vier größten Städte Deutschlands sind, und der ›Tatort‹ oft deutsche Städte als Hintergrund nutzt.
Andere ›Intellectual Properties (IP)‹ oder Marken der Film-, Fernseh- und Streamingwelt überschlagen sich mit neuesten Besetzungscoups, Interviews mit Regisseur*innen und anderen Menschen vor und hinter der Kamera, und dem ständigen Flirt zwischen der nächsten Produktion und der Fangemeinde.
Nicht so bei »Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht«.