V.E. Schwab, 24.11.2017
Mit ihrer großen „Weltenwanderer“-Trilogie, deren zweiter Teil „Die Verzauberung der Schatten“ gerade erschienen ist, hat die US-Bestseller-Autorin V. E. Schwab die gesamte Fantasy-Community begeistert. Wie man eine packende und glaubwürdige Kampfszene schreibt, verrät sie euch hier in fünf Schritten. Im Anschluss findet ihr einen exklusiven Auszug aus „Die Verzauberung der Schatten“, in dem es so richtig zur Sache geht!
1. Analyse!
Wählt eure Lieblingsszenen aus einem Film oder Buch – mein persönlicher Favorit ist „Die Braut des Prinzen“ – und nehmt die Kämpfe Schritt für Schritt auseinander.
2. Choreographie
Stellt euch das Ganze als Szene in einem Film (nicht in einem Buch!) vor und skizziert eine genaue Choreographie – entweder im Kopf oder auf einem Blatt Papier.
Spielt anschließend die einzelnen Schritte durch, ob nun allein oder mit einem Partner. Ja, ich weiß, ihr werdet euch albern vorkommen – aber wenn eure Szene authentisch wirken soll, bleibt euch das nicht erspart.
3. Der Mix macht’s
Jede packende Kampfszene besteht aus unterschiedlichen Aktionen – Angriffen, Paraden, Finten, Ausweichmanövern … Und vergesst nicht: Je länger sie sich hinzieht, desto erschöpfter, verzweifelter und verwegener werden die Kontrahenten.
4. Samthandschuhe ausziehen
Neben Paraden und Ausweichmanövern braucht jede aufregende Kampfszene Momente, in denen euer Held/eure Heldin dem Tod nur haarscharf von der Schippe springt. Und es darf Blut fließen, am besten nicht zu knapp. Denn bei einem richtigen Schwertkampf kommt niemand ungeschoren davon.
5. Schauplatz einbeziehen
Ohne Waffen geht’s nicht, das ist klar. Aber ein gewiefter Schwertkämpfer nutzt alles, was ihm unter die Finger kommt – Fässer und Seile an Deck eines Schiffs, Kisten und Eisenpfähle im Hafen, Wandteppiche und Vasen in einem Ballsaal oder die Skulpturen in einem Garten. Die Kämpfer bleiben nicht wie angewurzelt stehen, sondern bewegen sich im Raum und kommen unweigerlich in Berührung mit ihrer Umgebung.
Viel Erfolg – und viel Spaß beim Schreiben!
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Aus dem Amerikanischen von Petra Huber
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Zuerst erschienen am 29. Februar 2016 unter dem Titel „5 Tips for Writing a Swashbuckling Scene by V. E. Schwab“ unter www.fantasy-faction.com
Für alle, die neugierig geworden sind und eine Kampfszene aus der Feder von V. E. Schwab lesen möchten, präsentieren wir hier einen Auszug aus ihrem aktuellen Roman „Die Verzauberung der Schatten“.
Lila spazierte die Straße hinunter, und die Geldbörse des Spielers baumelte in ihrer Hand. Eine gute Diebin zeichnete sich nicht nur durch ihre Fingerfertigkeit aus, sondern auch das Wissen darum, wie man jede Situation für sich ausnutzen konnte. Sie wog die pralle Börse in der Hand und lächelte zufrieden. Das Blut strömte triumphierend durch ihre Adern.
Doch dann hörte sie jemanden hinter ihr her rufen.
Als sie sich umwandte, sah sie sich dem bärtigen Kerl gegenüber, den sie gerade beklaut hatte. Sie versuchte gar nicht erst, ihre Tat zu leugnen – zum einen reichte ihr Arnesisch dazu nicht aus, zum anderen hielt sie seine Geldbörse noch immer in der Hand. Stattdessen verstaute sie ihre Beute so schnell wie möglich und machte sich auf einen Kampf gefasst.
Der Mann war doppelt so breit und einen ganzen Fuß größer als sie. Plötzlich, in weniger als dem Augenblick zwischen zwei Schritten, hielt er eine geschwungene Klinge, die wie eine kleine Sense aussah, in der Hand. Der Bärtige knurrte einen leisen, unverständlichen Befehl. Vielleicht wollte er sie laufenlassen, wenn sie zurückgab, was ihm gehörte. Doch Lila bezweifelte, dass sein verletzter Stolz das zulassen würde. Und selbst wenn – sie brauchte das Geld so dringend, dass sie bereit war, es mit ihm aufzunehmen. Vorsicht sicherte das Überleben, doch nur Frechheit brachte einen weiter.
»Was man findet, darf man behalten«, sagte sie und sah, wie im Gesicht ihres Gegenübers Überraschung aufleuchtete. Verdammt nochmal. Kell hatte sie gewarnt, dass das Englische in der Roten Welt einen bestimmten Zweck und Platz hatte. Es war die Sprache der Könige, nicht der Piraten. Wenn sie auf See überleben wollte, musste sie lernen, ihre Zunge zu zügeln, bis sie der gemeinen Sprache mächtig war.
Der Bärtige murmelte erneut etwas Unverständliches und strich mit der Hand über die gebogene Klinge, die verflixt scharf aussah.
Lila seufzte und zückte das gezackte Messer mit den Messingknöcheln, die ihre Finger schützend umschlossen. Nach einem erneuten Blick auf ihren Gegner zog sie eine zweite Klinge – das kurze, scharfe Messer, mit dem sie den Lederriemen der Geldbörse durchtrennt hatte.
»He du«, sagte sie auf Englisch, da niemand anders in Sichtweite war. »Du kannst es dir immer noch überlegen.«
Der Bärtige schleuderte ihr einen Satz entgegen. Das letzte Wort, pilse, war eines der wenigen arnesischen Wörter, die Lila kannte, und sie wusste, dass es sich um ein Schimpfwort handelte. Sie war noch damit beschäftigt, die Beleidigung zu verdauen, als der Mann auf sie zusprang. Lila wich hastig zurück und fing die gebogene Klinge mit ihren beiden Messern ab. Metall traf klirrend auf Metall, so dass ihr schrilles Echo durch die Gasse hallte, die Brandung und den Lärm der Schenken übertönend. Gewiss würden sie bald Gesellschaft bekommen!
Sie drückte die Klinge mit aller Kraft von sich weg, wobei sie fast das Gleichgewicht verloren hätte. Wieder wich sie abrupt zurück, als der Mann erneut angriff und ihre Kehle nur um Haaresbreite verfehlte.
Lila duckte sich, wirbelte herum und schnellte nach oben, um einen erneuten Stoß mit dem Messer abzufangen. Die Waffen glitten aneinander herab, bis die Klinge des Bärtigen am Heft ihres Dolches hängen blieb. Mit einer Drehung des Handgelenks befreite Lila ihr Messer und hieb dem Mann, über dessen Klinge hinweg, die mit den Messingknöcheln bewehrte Faust ins Gesicht. Und bevor dieser sich besinnen konnte, stieß sie ihm das andere Messer tief zwischen die Rippen. Er hustete Blut, das zwischen seinen Barthaaren versickerte, setzte sich mit seinen verbliebenen Kräften jedoch weiterhin zur Wehr. Lila aber zog die Klinge mit aller Kraft nach oben, gegen den Widerstand von Knochen und Muskeln. Jetzt, endlich, ließ ihr Gegner die Waffe fallen, während sein Körper erschlaffte.
Einen kurzen Moment lang blitzte der Gedanke an einen anderen Tod in ihr auf, an einen anderen Körper, den ihre Klinge durchbohrt hatte – den des jungen Beloc in der trostlosen Burg der Weißen Könige. Der Soldat war nicht der Erste, der von ihrer Hand gestorben war, aber der Erste, der ihr im Gedächtnis haften geblieben war und dessen Tod sie bedauerte. Als die Erinnerung erlosch, wurde sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst, und ihre Schuldgefühle erstarben wie die Lebensflamme des Mannes, der reglos vor ihr lag.
Lila zog das Messer heraus, so dass der Leichnam zu Boden sank. Noch immer konnte sie das Klirren der Waffen, die aufeinanderschlugen, hören und die Erregung des Kampfes spüren. Sie atmete ein paarmal tief durch, dann drehte sie sich um und wollte sich aus dem Staub machen. Doch plötzlich sah sie sich den fünf Kumpanen ihres Opfers gegenüber.
Die Männer murmelten bedrohlich und zogen ihre Waffen.
Lila fluchte leise, und ihre Augen schnellten zum Palast, der hinter den Seeleuten die Isle überspannte. Dabei blitzte der feige Gedanke in ihr auf, dass sie dort hätte bleiben sollen, ja müssen, wo sie in Sicherheit gewesen wäre, doch sie unterdrückte diese Regung und packte ihre Messer fester.
Sie war Delilah Bard und würde leben und sterben, wie es
ihr verdammt nochmal …
Ein Fausthieb in den Magen ließ ihre Gedanken in alle Richtungen zerstieben. Ein zweiter Schlag krachte gegen ihren Kiefer, so dass sie abrupt zu Boden ging. Sternchen tanzten vor ihren Augen, und klirrend glitt ihr eines der Messer aus der Hand. Sie kämpfte sich auf alle viere, das zweite fest umklammernd, als ein Stiefel sie hart am Handgelenk traf, gefolgt von einem Tritt in die Rippen. Dann krachte etwas gegen ihren Kopf, und ihr Blick verschwamm für einige Augenblicke, die ihr wie Stunden vorkamen. Erst als kräftige Hände sie auf die Beine hievten, nahm die Welt wieder Gestalt an. Lila spürte ein Schwert an der Kehle und dachte, ihr letztes Stündchen hätte geschlagen. Doch der Tod sollte sie nicht hier, nicht durch diese Klinge ereilen.
Stattdessen umschlang jemand ihre Handgelenke fest mit einem Lederriemen – ähnlich dem, der zuvor die Geldbörse gehalten hatte –, dann zerrte man sie die Hafenstraße hinunter.
Die Stimmen der Männer drangen als unverständliches Kauderwelsch an ihr Ohr, wobei ein Wort wieder und wieder
erklang.
Casero. Was das wohl bedeuten mochte?
Sie schmeckte Blut, doch ob nun aus Nase, Mund oder Kehle, wusste sie nicht zu sagen. Es spielte ohnehin keine Rolle, wenn sie vorhatten, ihre Leiche in der Isle zu entsorgen. Oder galt das hier als Frevel? Lila fragte sich, was die Bewohner der Roten Welt üblicherweise mit ihren Toten zu tun pflegten. Nach einer kurzen, hitzigen Diskussion zerrte man sie über die Planke auf das Schiff, das sie den ganzen Nachmittag über beobachtet hatte. Als sie ein dumpfes Geräusch hinter sich hörte, wandte sie sich um und sah, dass einer der Seeleute den Leichnam des Bärtigen auf die Planke gelegt hatte. Wie interessant, dachte sie dumpf. Sie bringen ihn nicht an Bord.
Lila hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt, und ihr Schweigen schien die Besatzung aus der Fassung zu bringen. Sie riefen wild durcheinander und blafften Lila an. Immer mehr Männer scharten sich um sie, immer öfter erklang der Ruf »casero«. Wenn sie doch mehr als nur ein paar Tage Zeit gehabt hätte, um Arnesisch zu lernen. Was casero wohl bedeuten mochte? Gerichtsverfahren? Todesurteil? Mord?
Dann sah sie einen Mann über das Deck auf sich zukommen. Er trug eine schwarze Schärpe, einen eleganten Hut und ein schimmerndes Schwert; seine Lippen umspielte ein gefährliches
Lächeln. Sofort hörten die Männer auf zu schreien; und Lila begriff.
Casero, das hieß »Kapitän«.
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