4. Das Wort für Welt ist Wald, 1972 erschienen, 1976 von Ursula K. Le Guin mit einem ihrer hinreißenden Vorworte versehen, gehört zu den Büchern der Autorin, die von atemberaubender Aktualität sind. Wer sich nicht an die Sorgen um die schrumpfenden Ressourcen unseres Planeten in den Siebzigern erinnert, kann nur staunen, wie gut sie sich in den Typus des Waldvernichters und Welteroberers einfühlt, der auf einem (noch) herrlich bewaldeten Planeten, dessen Bevölkerung im Einklang mit der Natur lebt, Großrodungen durchsetzt. Auf Terra sind längst alle Wälder vernichtet, der Bedarf nach Holz ist groß, klar, dass im Weltraum weiter abgeholzt werden muss … (Deutsch von Gisela Stege)
5. Die linke Hand der Dunkelheit wurde mit Preisen überhäuft. Für Ursula K. Le Guin war dieser Roman der große Durchbruch und ist ihr wohl originellstes Buch. 1969 erschienen, kommt die Geschichte für manche heutige Leser ungewohnt langsam in Gang. Aber ist es nicht auch gut, dass außergewöhnliche Geschichten sich in einem eigenen Tempo entfalten, damit man Zeit hat, sich auf das Besondere einzustimmen? Ein Gesandter bereist auf einem Planeten, auf dem immer Winter herrscht, zwei verfeindete Länder, die ihm in Vielem, vor allem aber darin fremd sind, dass die Menschen ihr Geschlecht nur während ihrer fruchtbaren Zeit ausbilden. Während dieser Phase, Kemmer genannt, können alle Mann oder Frau, Vater oder Mutter werden, und dazwischen gibt es lange Zeiten, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Kein Wunder, dass die Liebe unter diesen Umständen ganz eigene Formen annimmt. (Deutsch von Gisela Stege)
6. Freie Geister, englischer Titel The Dispossessed, ist eine zwiespältige Utopie, die auf zwei Himmelskörpern spielt, Urras und Anarres. Auf Urras herrschen erde-ähnliche Zustände — Kapitalismus, Ausbeutung, Stellvertreterkriege, bunte Üppigkeit —, auf dem kargen Anarres haben Anarchisten eine von Besitzdenken befreite Gesellschaft errichtet, die leider dem Bürokratismus verfällt. Zwischen die Mühlen dieser beiden gerät Shevek, ein anarresischer Physiker, dessen neue Theorie eine Kommunikation zwischen den Welten ohne Zeitverzug ermöglichen wird. Wie Le Guin den Menschen Shevek entwirft, wie sie die Vernunftgesellschaft schildert und mit welcher Klarheit sie »unsere« Genussgesellschaft in den Blick nimmt, ist für mich ganz große Literatur, und nicht nur für mich. Freie Geister ist ein internationaler Klassiker geworden. (Deutsch von Karen Nölle)
7. Keine Zeit verlieren ist das letzte noch zu Lebzeiten entstandene Buch von Ursula K. Le Guin. Es enthält Blogbeiträge, die sie seit 2010 veröffentlicht hat, kurze, meinungsstarke Betrachtungen über das Altwerden, über Katzen, Politik, Bücher und den Literaturbetrieb. Sie vermitteln einen Eindruck von der Person hinter den Büchern und dem Humor einer Frau, die die Stärke besitzt, sich dem Ernst des Lebens auszusetzen. Wunderbar ihr Spaß am Sartre-Preis für die Ablehnung eines Literaturpreises; meine liebsten Texte sind: »Es muss nicht so sein, wie es ist«, »Über Wut« und die herrliche Tirade gegen das Überhandnehmen des Wörtchens fuck. (Deutsch von Anne-Marie Wachs)