Utopien für den Alltag – Eine kurze Geschichte radikaler Alternativen zum Patriarchat | Kristen Ghodsee
Ich bin Kristen-Ghodsee-Fangirl. Ich höre seit Jahren ihren Podcast A.K. 47 – 47 Selections from the Works of Alexandra Kollontai, in dem sie Texte der Sozialistin Alexandra Kollontai vorliest und aus heutiger Perspektive kommentiert. Von den zahlreichen Sachbüchern der East-European-Studies-Dozentin kenne und liebe ich Warum Frauen im Sozialismus besseren Sex haben und das im vergangenen Jahr erschienene Red Valkyries – und in diesem Jahr hab ich mir direkt ihr neues Buch Everyday Utopia mit in den Sommerurlaub genommen.
Erfreulicherweise hab ich es wenig später auf der Buchmesse am Suhrkamp-Stand schon in deutscher Übersetzung entdeckt, daher wird es dieses Jahr definitiv mein Hopepunk-Weihnachtsgeschenk: Ghodsee widmet sich alternativen Geschichten des menschlichen Zusammenlebens und der Sorgearbeit – und eröffnet die Kapitel immer mit persönlichen Erfahrungen und – da sie SF-Fan ist – oft mit Anekdoten, wie Star Trek, Wonder Woman oder Prinzessin Leia sie geprägt und ihr die Augen geöffnet haben.
Wusstet ihr, dass Pythagoras eine besitzlose Mathematiker*innenkommune in Süditalien gegründet hat, in der Frauen und Männer gleichberechtigt waren? Dass die Menschenaffenforschung uns Einiges über Hoden- in Relation zu Körpergröße verrät, aber nichts darüber, was die „natürliche Form“ des menschlichen Zusammenlebens ist? Welche Wohn- und Gemeinschaftsexperimente es auf der ganzen Welt gab und gibt? Ghodsee findet, schildert und kommentiert Alternativen und möchte ihre Leser*innen dazu anregen, selbst gemeinschaftliche Veränderungen zu suchen oder anzustoßen und wenn sie auch noch so klein sind.
Denn: „Believing that the future cannot be changed by our actions is just a convenient way of absolving ourselves of the need to take those actions.“
Judith Vogt
Die Prinzessinnen: Fünf gegen die Finsternis | Christian Endres
Fünf Prinzessinnen stehen in diesem düsterem Fantasy-Roman im Mittelpunkt - aber statt Ballkleider und Schmuck tragen sie Rüstungen und Waffen. Schwertschwingend ziehen sie durch die Lande, um Jungfern in Nöten zu retten, teils auch vor ihren eigenen Familien und sich selbst. Mit Werwölfen und Ogern machen sie ebenso kurzen Prozess wie mit Gesetzlosen und Kobolden - und auch vor Drachen scheuen sie nicht zurück.
Die Prinzessinnen ist ein packender, in sich abgeschlossener Reihenauftakt, der daherkommt wie eine Mischung aus modernem Action-Kracher und düsterem Märchen. Die Story besitzt neben ihrem schnellen Tempo auch Witz und alle fünf Heldinnen haben eigene Hintergrundgeschichten. Da vergeht die Lese-Zeit zwischen den Jahren wie im Flug.
Christian Handel
Die kleinen Wunder von Mayfair | Robert Dinsdale
Eine schwangere Jugendliche, die von zu Hause wegläuft und in einem wundersamen Spielzeugladen in London landet: Papa Jacks Emporium, ein riesiges Spielzeugkaufhaus, das zum ersten Frost seine Pforten öffnet, dessen Waren ein magisches Eigenleben entwickeln und die Besucher – groß wie klein - verzaubern. Auf den ersten 150 Seiten vermittelt das Buch eine so wunderbare Weihnachtsmagie, wie ich sie selten gelesen habe. Doch dann wechselt die Stimmung, wenn der Erste Weltkrieg ausbricht, wir mehr über die tragische Familiengeschichte der Toymakers (wie das Buch im Original heißt) erfahren und die Dramatik der Weltkriege der Geschichte eine düstere Note verleiht.
Das Buch ist schon vor ein paar Jahren erschienen und hat viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Die Magie, die die verschrobene Spielzeugmacherfamilie hier verströmt, ist einzigartig und orginell, dazu viel Herzlichkeit und ein entrücktes Wunderland, das mit der Zeit Risse bekommt, wenn die Realität sich unerbittlich hineindrängt. Allein wegen des Weihnachtszaubers im ersten Drittel lohnt sich das Buch bestens als Weihnachtsgeschenk, und trotz der düsteren Wendungen bleibt etwas vom Zauber bis zum Ende erhalten.
Markus Mäurer