FILM
Thilo Nemitz, 22.07.2020
Vom aristokratischen Monster zum glitzernden Sexsymbol – kaum ein Horrorgeschöpf hat auf der Leinwand so eine steile und wechselhafte Karriere erlebt wie der Vampir. Thilo Nemitz über die zehn besten Vampirfilme aller Zeiten.
Die Mythologie der frühen Hochkulturen war reich bevölkert mit mordenden, leichenfressenden und blutsaugenden Dämonen. Bis zur heutigen „Gleichberechtigung“ des Vampirs ist jedoch viel Blut durch Geschichtsbücher geflossen, da die Vorläufer des Vampirs meist weiblich und göttlichen Ursprungs waren; wie die von den Sumerern und Babyloniern verehrte Lil-lu bzw. Lillitu oder die Entsprechung in der hebräischen Mythologie, die sagenumwobene erste Frau Adams, Lilith.
Im Volksaberglauben hielten sich über Jahrhunderte alle möglichen Arten von Wiedergängern, bis die Vampire von Schriftstellern wie E.T.A. Hoffmann oder John William Polidori (The Vampyre, 1816) für ihre schwarzromantische Todessehnsucht als Projektionsfläche benutzt wurden.
Bram Stoker verlieh seinem legendären Grafen Dracula durch die Koppelung an einen historischen Tyrannen erstmals Authentizität und Gewicht. Der Vampir wurde vom blutschlürfenden Dämon zum düster-majestätischen Gegenspieler Gottes befördert und damit zu einem der schaurigsten „Gothic Villains“ in bester Tradition von Miltons Satan in Paradise Lost.
Seit Gründung des ersten großen Filmstudios 1911 in Babelsberg und Hollywood bestand bei Machern wie Konsumenten ein vehementes Interesse am Dämonisch-Fantastischen. Doch für mich wirken die frühen Schwarzweiß- oder gar Stummfilm-Varianten der Blutsauger eher niedlich denn furchteinflößend. Deshalb werden sich weder Bela Lugosi als Dracula, noch Max Schreck als Graf Orlok (Nosferatu: Eine nicht autorisierte Adaption des Bram Stokers-Stoffes!) in der folgenden Liste aus ihren Särgen erheben dürfen.
Die meisten sensationslustigen B-Pictures der 50er, 60er und 70er mit ihren hanebüchenen Handlungen, dilettantischen Kameraführungen und plakativen Gruseleffekten lade ich ebenfalls nicht in mein Haus ein. Sorry, Comtesse des Grauens (1970), ich habe heute leider kein Foto für Dich. Wärst ja vermutlich eh nicht drauf zu sehen.
Heutzutage gehören für mich zu einem waschechten Vampirfilm insbesondere die durch die nicht ganz so lange zurückliegende Popkultur etablierten Charakteristika wie Blut trinken, spitze Eckzähne und die Angst vor der Sonne. Was so viel bedeutet wie: Sorry, Twilight, you are out. Überhaupt kann ich mit allen weichgespülten Versionen des Vampirs wenig anfangen. Unsterbliche Teenager, die mehr Superhelden sind als gepeinigte Unsterbliche mögen ihre Fans haben, werden aber für meine Liste keine Rolle spielen.
Ebenso wie alle an den Vampirmythos eher „angelehnten“ Filme wie Guillermo del Toros Cronos (1993) oder der legendäre, aber sehr überästhetisierte The Hunger (Begierde, 1983) mit David Bowie und Catherine Deneuve. Aber keine Sorge, für letzteren gibt es einen besseren Vertreter in den oberen Rängen dieser Liste, mit der ich nun mal beginnen möchte. Pflöcke zücken und Knoblauch bereithalten, es geht los!
Platz 10: Dracula (1958) von Terence Fisher
Gerade schließt er noch alle sensationslustigen B-Pictures einer ganzen Ära aus, aber beginnt die Liste mit "Hammer Horror", denkt ihr jetzt. Für den unvergessenen Christopher Lee machen wir doch eine Ausnahme, oder? Horror of Dracula, wie er in den USA umbenannt wurde, um eine Verwechslung mit Bela Lugosis Dracula von 1931 zu vermeiden, ist für mich der Beste der Hammer-Draculas. Van Helsings (Peter Cushing) formidabler Hechtsprung an die Vorhänge und Draculas platzende Wurstfinger haben mir als Kind Alpträume beschert. Nach der ersten erfolgreichen Umsetzung des klassischen Stoffs, ließ Hammer noch 8 Fortsetzungen folgen, in denen Lee jedoch zwei Mal nicht den Grafen spielte, weil ihm die Drehbücher nicht gefielen. Darunter z.B. der letzte Dracula von Hammer, The Legend of the 7 Golden Vampires, welcher Vampire mit fernöstlichen Martial Arts mixte. Ich bin mir sicher, wäre der Serie fortgesetzt worden, hätten sie es irgendwann bis zum obligatorischen Dracula in Space geschafft.