Mehr Phantastik

Die 15 besten Animefilme aller Zeiten

Die 15 besten Animefilme aller Zeiten
© Chizu/Madhouse/Ghibli

Markus Mäurer, 24.05.2020

Inzwischen dürfte bei den meisten angekommen sein, dass Animes weder nur Kinderkram noch nur Sex and Violence sind. Nein, hier verbergen sich phantastische Meisterwerke der Filmgeschichte, die aufgrund ihres Mediums und der Erzählform einzigartig sind. Wir haben versucht, die 15 besten Animefilme aller Zeiten zu ermitteln.

Es gibt gewisse Regisseure, die haben so viele Meisterwerke oder zumindest großartige Filme gedreht, dass sie allein diese Liste hier dominieren können. Deswegen versuch ich mich bei den Filmen von Hayao Miyazaki, Isao Takahata, Satoshi Kon, Makoto Shinkai und Mamoru Hosoda auf die wirklich herausragenden Werke aus dem sowieso schon meisterhaften Œuvre zu konzentrieren.

Erzählung einer weißen Schlange (1958)

Der erste farbige Langfilm im Anime erzählt von einer berühmten chinesischen Legende über eine tragische Liebe zwischen dem jungen Xu Xian und einer weißen Schlange, die sich in eine junge Frau verwandelt, dabei aber ein böser Geist sein soll. Ach ja, und knuffige Panda-Sidekicks kommen auch drin vor. Gehört schon allein aus historischen Gründen auf diese Liste.

Belladonna of Sadness: Die Tragödie der Belladonna (1973)

Surrealistischer Arthouse-Anime, der in einem psychodelischen Tour-de-Force-Trip von traditioneller japanischer Mangakunst bis hin zu modernem Pop-Art deliriert und dabei die Geschichte eines jungen Paares erzählt, das die exorbitante Brautsteuer des bösen Barons nicht aufbringen kann und ein tragisches Ende findet. Was natürlich heißt, dass ein eifersüchtiger Mann eine Frau ermordet.

Wings of Honneamise (1987)

Eindrucksvoller SF-Film über ein königliches Raumfahrtprogramm auf einem anderen Planeten, von Neon Genesis Evangelion-Regisseur Hideaki Anno. Aber ganz ruhig erzählt, mit Schwerpunkt auf der Figurenentwicklung und eingebettet in eine komplexe Geschichte über drohende Kriege und soziale Verwerfungen. Gleichzeitig ein flammendes Plädoyer für den menschlichen Entdeckerdrang. Meisterhaft inszeniert, mit wunderschönen Bildern.

Mein Nachbar Totoro (1988)

Ermöglicht wurde Studio Ghibli der Film durch den Erfolg von Nausicaä aus dem Tal der Winde, doch berühmt wurde er durch Totoro, jenen knuddeligen Waldgeist, der fortan auch als Firmenwappen diente. Erzählt wird hier keine epische Geschichte; wir begleiten einfach zwei Kinder dabei, wie sie mit ihrem Vater in ein Haus am Waldrand ziehen, während die Mutter im Krankenhaus eine Krankheit auskuriert. Der verzauberte Ort, an dem dieser Film spielt, ist nicht der Wald, sondern die Kindheit. Die Abenteuer, ermöglicht durch kindliche Phantasie und ungebremste Entdeckerfreude, sind ganz harmlos und handeln eben vom Knuddelmonster Totoro, putzigen Staubgeistern und dem ebenso berühmten Katzenbus.

Die letzten Glühwürmchen (1988)

Isao Takahata großes Meisterwerk, wunderschön, aber auch todtraurig, über zwei Brüder, die sich nach dem 2. Weltkrieg allein durchschlagen müssen. Zusammen mit Hayao Miyazaki gründete er das legendäre Studio Ghibli, schlug mit seinen Filmen aber einen ganz anderen Ton an und pflegte einen sehr eigenwilligen Stil. In Die letzten Glühwürmchen verarbeitete er seine eigenen Erlebnisse während des 2. Weltkriegs. Ein Film, der unter die Haut geht und wohl niemanden kaltlässt. Und der beste Beweis dafür, dass Animes nicht nur Kinderkram sind, sondern ein ernstzunehmendes Erzählmedium und eine Kunstform, die tragische und gesellschaftlich relevante Geschichten ebenso gut darstellen kann wie Realfilme oder Romane.

Akira (1988)

Der große Klassiker des Animes machte die Kunstform nicht nur in Deutschland und anderen westlichen Ländern bekannt, sondern stellte für die Zeit auch einen technischen Meilenstein dar. Katsuhiro Otomo setzte seinen eigenen mehrbändigen Manga in einem gerafften Film um, der genau zum richtigen Zeitpunkt die dystopische Cyberpunkästhetik der 1980er aufgriff, aber eine ganz andere Geschichte erzählt, die, wie schon der erste Godzilla, vor den Folgen der Atomkraft warnt. Protagonist ist der junge Kaneda, der sich mit seinen Freunden auf seinem flotten Motorrad wilde Schlachten mit anderen Bikern liefert und in eine geheime Militäroperation mit apokalyptischen Folgen gerät.

Ghost in the Shell (1995)

Der zweite große Animeklassiker des 20. Jahrhunderts, der ebenso wie Akira (und einige Serien à la Sailor Moon und Co.) dafür sorgte, dass der japanische Zeichentrick auch bei uns zu einem Phänomen wurde. Und Ghost in the Shell ist nicht nur von der Ästhetik her Cyberpunk, sondern auch inhaltlich. Ähnlich wie in William Gibsons Neuromancer geht es um eine künstliche Intelligenz, die ein gewisses Eigenleben entwickelt, während die in einen künstlichen Körper transferierte Major Motoko Kusanagi einer Verschwörung auf die Spur kommt und sich durch zahlreiche menschliche und mechanische Gegner ballern muss. Inzwischen gibt es zahlreiche Film- und Serienfortsetzungen, doch die bildgewaltige Poesie und der philosophische Unterton des Originals bleiben unerreicht.

Prinzessin Mononoke (1997)

Für Hayao Miyazakis Verhältnisse ein relativ düsterer, aber doch hoffnungsvoller Film, in dem der junge Prinz Ashitaka auf die bei Wölfen lebende San trifft und in ihren Kampf gegen Eboshi vom Klan der Tatara verwickelt wird. Eine kraftvolle und bildgewaltige Allegorie auf die Umweltzerstörung durch den Menschen und deren Folgen für die Natur, gekleidet in ein phantastisches Gewand mit historischem Setting.

Meine Nachbarn, die Yamadas (1999)

Hier zeigt sich Isao Takahatas stilistische Eigenwilligkeit, die sich auch durch Genrekonventionen und vermeintliche kommerzielle Notwendigkeiten nicht bändigen lässt. Der Film erzählt vom ganz alltäglichen Wahnsinn der Familie Yamada: ein Vater mit normalem Bürojob, eine Frau, zwei Kinder und deren Oma, die mit im Haus lebt. Im Prinzip einen Episodenfilm mit aberwitzigen Alltagsgeschichten. Mal etwas ganz anderes als die restlichen Filme auf dieser Liste, aber auch ein Beleg dafür, was Anime alles sein kann.

Chihiros Reise ins Zauberland (2001)

Mit diesem Film gewann Hayao Miyazaki 2004 den Oscar für den besten Animationsfilm und etablierte den Anime endgültig als ernstzunehmende Filmform im Westen. Erzählt wird die Geschichte der 10-jährigen Chihiro, deren Eltern sich mit ihr während eines Umzugs verfahren und in einem Vergnügungspark landen, wo sie sich in Schweine verwandeln. Um ihre Eltern zurückverwandeln zu können, muss Chihiro es mit der Hexe Yubaba aufnehmen und erlebt allerlei phantastische Abenteuer mit Wesen aus der japanischen Mythologie. Ein komplexer und wunderschöner Film voller Magie.

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang (2006)

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang ist ein ganz wundervoller Science-Fiction-Film von Mamoru Hosoda, voller Poesie, sehr einfühlsam und mit viel Leichtigkeit erzählt, wie so häufig in Animes aus Perspektive einer jungen Schülerin. Die 17-jährige Makoto Konno stellt fest, dass sie, wenn ihr Missgeschicke oder schlimme Unfälle passieren, ein kurzes Stück in der Zeit zurückspringen kann.

Paprika (2006)

Ein Film, der die technischen Möglichkeiten des Animes voll ausnutzt und perfekt in die Geschichte integriert, in der es um die technologische Aufzeichnung und Manipulation von Träumen geht – und um das Missbrauchspotential, dass dies bietet. Ein surrealer Psychothriller und ein ästhetisches Meisterwerk, das viel zu wenig Beachtung erhalten hat. Regie führte der 2010 verstorbene Satoshi Kon, dessen Filme Millennium Actress und Tokyo Godfathers ebenso auf dieser Liste stehen könnten.

Summer Wars (2009)

Ein Hacker-Science-Fiction-Film der etwas anderen Art. Statt in neongeschwängerten Hochhausschluchten und verranzten Nerdwohnungen spielt diese Geschichte auf dem Land und erzählt von Familie und Zusammenhalt und davon, wie man nebenbei per Computer die Welt rettet. Hauptfigur ist der elfjährige Kenji, der aufs Land geschickt wird, aber viel lieber in der virtuellen Welt OZ unterwegs ist, wo er in gehörige Schwierigkeiten mit ganz realen Auswirkungen gerät.

Aimee und Yuki – Wolfskinder (2012)

Aimee und Yuki sind, wie der deutsche Titel schon verrät, Wolfskinder. Ihr Vater konnte sich in einen Wolf verwandeln, was ihm irgendwann zum Verhängnis wurde. Und so werden sie von ihrer menschlichen Mutter aufgezogen, die versucht, der tierischen Triebe Herrin zu werden. Im Prinzip ist es einfach ein wunderbar anrührend erzählter Film über eine alleinerziehende Mutter, mit einem Sohn, der sich mehr zu Natur und seiner Wolfsseite hingezogen fühlt.

Your Name (2016)

Makoto Shinkais Your Name war 2016 nicht nur in Asien ein großer Erfolg, sondern sorgte weltweit für Aufsehen. Was als wunderbare Coming-Of-Age-Geschichte zwischen der Oberschülerin Mitsuha aus der Provinz und Taki aus Tokio beginnt, die gelegentlich im Körper der bzw. des jeweilig anderen erwachen, erhält bald durch eine drohende Katastrophe eine tragische Note. Ein Film, der komplexer ist, als es auf den ersten Blick wirkt, dabei so vielschichtig und anrührend erzählt, wie es eigentlich nur Animes hinbekommen. Auch nachdem das Studio Ghibli kaum noch neue Filme produziert, braucht man sich um die Zukunft solcher Anime-Perlen keine Sorgen zu machen.

Lektüretipp

Der Anime in Film- und Serienform ist so vielseitig und beherbergt so viele unterschiedliche Genres und Meisterwerke, dass eine einzelne Liste mit 15 Titeln dem Genre sicher nicht gerecht wird. Wer mehr über Geschichte, Entwicklung und die unterschiedlichen Genres des Animes erfahren möchte, sollte einen Blick auf unsere dreiteilige Artikelreihe Alles, was man über Animes wissen muss werfen.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/