Brandon Q. Morris, 30.03.2022
Über die Weltraumforschung in der DDR ist wenig bekannt. Mit diesem Beitrag liefert uns Autor Brandon Q. Morris einen Überblick über die Leistungen der DDR-Raumfahrt, die auch Thema seines neuen Science-Fiction-Romans Die letzte Kosmonautin sind, der in einem alternativen Geschichtsverlauf spielt.
Beim Thema DDR-Raumfahrt fällt den meisten Sigmund Jähn ein, der erste Deutsche im All. Die wichtigen Beiträge des kleinen Landes liegen auf anderen Gebieten.
Als am 26. August 1978 um 15:51 Uhr Sigmund Jähn an Bord der sowjetischen Sojus 31 ins All flog, wusste zunächst kein DDR-Bürger davon. Offenbar vertraute der Staat, der gerade den ersten Deutschen ins All geschickt hatte, der Technik nicht hundertprozentig. Ein Misserfolg der Mission hätte ihren Propagandawert deutlich geschmälert, den das SED-Blatt NEUES DEUTSCHLAND am nächsten Tag, einem Sonntag, in einer Sonderausgabe feierte. So ging man später über die eher ruppige Landung am 3. September, bei der sich der DDR-Kosmonaut an der Wirbelsäule verletzte, während sich die Sojus-29-Kapsel mehrfach überschlug, gnädig hinweg.
Jähn flog damals als Gast im Rahmen des Interkosmos-Programms, wie zuvor schon der Tschechoslowake Vladimir Remek und der Pole Mirosław Hermaszewski. Die Kosten für den Start übernahm die Sowjetunion. Deshalb gab es auch keinen weiteren, denn dafür hätte die DDR zahlen müssen. An Bord der sowjetischen Raumstation Saljut-6 arbeitete Jähn allerdings mit einem wichtigen Beitrag seines Landes zum Interkosmos-Programm: mit der MKF-6 von Carl Zeiss Jena, einer Multispektralkamera, die seinerzeit technisch führend war.
Zwar herrschte in der DDR eine – spätestens seit dem Start von Sputnik-1 auch offiziell geförderte – Weltraum-und Raumfahrtbegeisterung. In mehreren Städten entstanden »Raumfahrtzentren« für Schülerinnen und Schüler; ich habe selbst voller Begeisterung das 1964 etablierte »Kosmonautenzentrum« in Chemnitz besucht. Doch wirtschaftlich spielte das Weltall für den 17-Millionen-Staat nur eine geringe Rolle. Das Budget für diesen Bereich lag für viele Jahre bei nur etwa 2 Mark pro Einwohner und Jahr, ein Achtel der Ausgaben der Bundesrepublik.
Im Rahmen des Interkosmos-Programms bezog die Sowjetunion ihre Satellitenstaaten allerdings schon früh in ihre Aktivitäten ein. Ab 1967 bildete das »Abkommen über die Beteiligung an der Erforschung und Nutzung des Weltraumes mit Hilfe von künstlichen Erdsatelliten zu friedlichen Zwecken« die rechtliche Grundlage. Einen organisatorischen Überbau wie etwa die westeuropäische ESA gab es in diesem Rahmen allerdings nicht. Die Partnerländer trugen bei, was ihnen wissenschaftlich-technisch möglich war. Jedes Land trug seine eigenen Kosten. Ein gemeinsames Budget gab es nicht.