Science Fiction

200 Jahre Frankenstein – Die filmischen Adaptionen des Romans

200 Jahre Frankenstein – Die filmischen Adaptionen des Romans
© Skeeze / pixabay

Peter Osteried, 04.02.2018

Frankensteins Monster ist eine tragische Figur. Ein aus Leichenteilen zusammengestückeltes Wesen, das nach Liebe und Verständnis sucht, dem jedoch nur mit Hass und Ablehnung begegnet wird. Aus dieser absoluten Einsamkeit, die die selbst von ihrem Schöpfer verlassene Kreatur erfährt, erwacht ihr Hass auf die Menschen, die sie schließlich in Gewaltakten auslebt. Ein gängiges Missverständnis ist, dass mit Frankenstein das Monster bezeichnet wird. Tatsächlich ist Frankenstein natürlich der Name seines Schöpfers.

 

Ein uralter Traum. Die Schaffung neuen Lebens. Die Grenzen der Wissenschaft zu überschreiten, den Tod zu überwinden und Gott ein Schnippchen zu schlagen. Künstliches Leben, das nicht durch den göttlichen Funken, sondern durch kalte Laborarbeit geschaffen wird.

Dr. Frankenstein träumt diesen Traum. Mehr noch, er ist von ihm besessen. Die Vorstellung, den Tod um seine Arbeit zu betrügen und selbst zum Schöpfer zu werden, ist gelinde gesagt faszinierend. Heute ebenso wie vor 200 Jahren, als Mary Wollstonecraft Shelley Frankenstein oder Der neue Prometheus schrieb.

Die Idee für das Buch entstand am 18. Juni 1816, als die 18-jährige Mary sich in Genf aufhielt. Sie und ihre Freunde, darunter ihr späterer Mann Percy Bysshe Shelley, Dr. John Polidori und der Poet Lord Byron, hatten England verlassen, um Europa kennenzulernen. In Genf hielt man sich in Byrons Anwesen auf, wo dieser vorschlug, dass jeder eine unheimliche Geschichte ersinnen und die anderen damit unterhalten sollte.

In jener Nacht, als Mary darüber nachsann, erschien ihr die Geschichte von Frankenstein wie in einer Vision. Vor ihrem geistigen Auge manifestierte sich das Monster und sein Schöpfer und Frankenstein nahm Gestalt an.

Im darauffolgenden Jahr, am 17. April 1817, beendete Mary die Arbeit an ihrem Roman. Das Schreiben war jedoch sehr viel einfacher als die Veröffentlichung des Werks. Kaum ein Verleger zeigte sich daran interessiert, schien die Story doch recht extrem zu sein. Lediglich ein kleiner Verlag mit ohnehin schlechten Ruf machte sich daran, Marys ersten Roman zu publizieren. Die Kritiken, die ihr Werk seinerzeit erhielt, waren gemischt, neigten tendenziell jedoch eher zu eine Verteufelung des Buchs. Viele glaubten, darin unverhohlene Blasphemie zu sehen.

Nichtsdestotrotz wurde damals ein Klassiker geboren, der Marys einziges relevantes Werk bleiben sollte. Bis zu ihrem Tod am 1. Februar 1851 hatte sie zwar weiterhin geschrieben, aber nie wieder etwas produziert, das einen für die Ewigkeit anhaltenden Erfolg wie Frankenstein hatte.

Von ihrem Mann Percy musste sich Mary, nachdem beide 1818 geheiratet haben, vier Jahre später verabschieden, als er ertrank. Seit jener Zeit war Mary eine respektable Witwe, die für sich alleine lebte, aber immerhin die schöne Vorstellung hatte, ein Buch geschaffen zu haben, das sie selbst überlebte.

 

Die Stummfilmära

Frankenstein entwickelte sich zu einem populären Thema für das Theater, weswegen er natürlich auch mit Beginn des Filmzeitalters für die Produzenten interessant wurde. Die erste Verfilmung des Stoffes kam 1910 in die Kinos, als die überall in den USA zahlreich vertretenen Nickelodeons diese Kurzfilme populär gemacht hatten. Verantwortlich für Frankenstein war Thomas Alva Edison, dessen Firma Edison Manufacturing Company jedes Jahr Dutzende Filme produzierte.

Edison war zu jener Zeit ein gemachter Mann, wollte jedoch mit Frankenstein neue Ufer ergründen. Dieser Film sollte schockierender als alle anderen werden, wobei Edison darauf setzte, dass das Publikum kommen würde, um sich kräftig erschrecken zu lassen. Gleichzeitig fürchtete er jedoch, dass die Geschichte von Shelleys Roman zu krass für die bewegten Bilder war. Da es aber ohnehin nicht möglich war, einen Roman für einen 14 Minuten langen Film zu adaptieren, ergaben sich starke Änderungen an der Vorlage von selbst.

Mit diesem Film, der keine »amerikanische« Geschichte erzählte, hoffte Edison auch, die anderen Weltmärkte bestens bedienen zu können, hatten sich einige ausländische Verleiher doch beschwert, dass seine Filme zu sehr auf US-Bürger zugeschnitten sind und deswegen in Europa nicht laufen würden.

Für die Regie wurde J. Searle Dawley verpflichtet, der bereits viele Male für Edison gearbeitet hatte und in dem Metier einen beachtlichen Background hatte. Immerhin beschäftigte sich Dawley seit beinahe zehn Jahren mit dem Medium Film und hatte von den Besten gelernt. Da zu jener Zeit die Aufgaben eines Produzenten und Regisseurs nicht wirklich voneinander getrennt waren, überwachte Dawley die Produktion in allen Bereichen, wobei Edison erst am Ende, als der fertige Film vorlag, seine Meinung dazu kundtat.

Die Hauptrolle des Monsters wurde mit Charles Ogle besetzt. Ogle, am 6. Juni 1865 geboren, hatte seine Karriere beim Zirkus begonnen und war später in New York am Theater aktiv gewesen. 1909 wurde er von Edisons Firma unter Vertrag genommen, woraufhin er in den nächsten fünf Jahren in Hunderten ihrer Filme mitspielte. Wie in jener Zeit üblich, war Ogle übrigens selbst für sein Make-up verantwortlich, weswegen ihm die Ehre gebührt, das erste Frankensteinmonster des Films erschaffen zu haben. Dabei erinnert das Aussehen seiner Kreatur weit mehr an die literarische Vorlage, als dies bei den meisten anderen Filmen der Fall ist.

Die Produktion startete am 17. Januar 1910, wobei der Film schon am 18. März 1910 uraufgeführt wurde. Die Herstellung lief – wie auch bei allen anderen Edison-Produktionen – rasend schnell ab.

Natürlich war es nötig, die Geschichte umzuschreiben, sodass letztlich nur noch wenig von Mary Shelleys Vorlage übrigblieb. Frankenstein ist hier ein junger Student, der davon besessen ist, menschliches Leben zu erschaffen. Mit wissenschaftlichen als auch alchemistischen Mitteln gelingt es ihm tatsächlich, eine Kreatur zu erschaffen, doch das Monster ist keine Schönheit und versetzt Frankenstein in Panik. Später taucht die Kreatur auf und erschreckt Frankensteins Verlobte. Als sich die Kreatur jedoch im Spiegel sieht und erkennt, was sie ist, vergeht sie langsam und schwindet, bis nur noch ihr Spiegelbild übrig ist.

Bemerkenswert an dieser Szene ist, dass sich das Spiegelbild hält, als Dr. Frankenstein den Raum betritt und in den Spiegel sieht. Darin erkennt er nun nicht seine eigene Spiegelung, sondern vielmehr das Monster, das letztlich auch er selbst ist. Für einen Film jener Zeit war dies ein unglaublich elegantes Ende, das auch heute noch nichts von seiner Kraft verloren hat.

 

 

Gewöhnlich wurden bei Edison jeweils um die 40 Kopien eines Filmes gezogen, wobei je nach Bedarf auch mal ein paar mehr oder weniger vorhanden waren. Nachdem die Filme ihre Auswertung erfahren hatten und wieder zu Edison zurückkamen, wurden die meisten vernichtet, da man den Silbergehalt der Filme noch herausfiltern wollte. Nach Bränden, die 1914 die Studios in der Bronx und in Orange, New Jersey, erwischten, galt Frankenstein als verschollen. Diesen Status hatte der Film über viele Jahrzehnte. Der filminteressierten Öffentlichkeit wurde er erst wieder bekannt, als in den 60er Jahren das alte Kinetogram-Heft, mit dem Edison seinen Film bewarb, auftauchte. Das darauf gezeigte Bild von Ogle als Monster machte schnell die Runde, doch der Film selbst blieb verschollen. Erst durch den Filmsammler Alois Detlaff Sr., der eine Filmrolle in den 50er Jahren für kleines Geld gekauft und somit gerettet hatte, kam der Film wieder ans Licht.

Der Stummfilm Life without a Soul, der sich ebenfalls des Frankenstein-Themas angenommen hat, gilt heute leider als verschollen. Von diesem 1916 in den USA produzierten Film gibt es nur noch ganz wenige Bilder, die zumindest einen rudimentären Einblick verschaffen, wie dieser Frankenstein ausgesehen hat. Einigen Berichten zufolge wurde das Monster hier als eine bemitleidenswerte Kreatur dargestellt, wobei sich am Ende offenbart, dass das ganze Geschehen nicht mehr als ein Traum des Protagonisten war. Noch weniger als über Life without a Soul ist jedoch über den italienischen Film Il Monstro di Frankenstein bekannt, der 1920 gedreht wurde und ebenfalls verschollen ist.

 

Universal-Monster

Universal Studios hatten mit Dracula Erfolg und machten sich darum auch flugs an die Verfilmung von Frankenstein. Dafür hatte man sich für James Whale als Regisseur entschieden.

Nachdem Bela Lugosi von dem Projekt abgesprungen war, sah sich Whale nach einem geeigneten Ersatz um und fand diesen in William Henry Pratt, einen Briten, der gerade in einem Universal-Film aufgetaucht war, dort jedoch seinen Künstlernamen Boris Karloff trug. Beim ersten Test für die Rolle des Monsters musste Karloff auch eine vierstündige Make-up-Sitzung bei Jack Pierce über sich ergehen lassen, aber das Ergebnis sprach für sich. Pierce hatte ein Make-up geschaffen, das dem Schauspieler eine ausdrucksstarke Mimik gewährte, aber dennoch äußerst erschreckend wirkte. Zusammen mit Karloffs hervorragender Darstellung war Frankensteins Monster geboren.

Für die Rolle von Henry Frankenstein (der Name wurde ohne ersichtlichen Grund vom originalen Victor geändert) wählte Whale Colin Clive, mit dem er seit einiger Zeit befreundet war und der es verstand, dem besessenen Wissenschaftler Leben einzuhauchen.

Ein großer Unterschied zum Roman ergab sich bei der Konzeption des Monsters. Anders als bei Shelley ist es im Film so, dass die aus Leichenteilen zusammengestückelte Kreatur das Gehirn eines Wahnsinnigen verpasst bekommt und darum bösartig ist. Bei Shelley wiederum wurde die Kreatur zum Monster, weil ihr alle mit Furcht begegnet waren. Diese Veränderung war noch ein Überbleibsel von Floreys Drehbuch, bei dem zuerst mit der Idee gespielt wurde.

Während der Dreharbeiten kam es des Öfteren zu Streitereien zwischen Karloff und Whale, einem schwierigen Menschen, der seine Macht anderen gegenüber gerne ausspielte. Ein Auslöser des Disputs war die Szene, in der das Monster ein unschuldiges kleines Mädchen ins Wasser wirft, worauf dieses ertrinkt. Während Whale hier sehen wollte, wie Karloff das Mädchen über sich hob und wegwarf, war der Schauspieler davon überzeugt, dass die Kreatur das Kind sanft ins Wasser setzen sollte. Ersteres hätte es als blutrünstiges Monster gebrandmarkt, während Letzteres vielmehr seine Naivität dargestellt hätte. Das Studio schaltete sich bei dieser Streitfrage schließlich ein und unterstützte eher Karloff, was zu einem Kompromiss führte.

Da Frankenstein ein Happy End hatte und man mit diesem Film im Kino immer noch Geld verdiente, warf man den Epilog hinaus, damit die Fortsetzung, die nun den Titel Frankensteins Braut trug, direkt daran anschließen konnte. Wie so oft setzte man einfach auf die Gutmütigkeit des Publikums, leichte Anschlussfehler zu verzeihen – und in einer Zeit, da das Publikum einen Film noch nicht beliebig oft im Fernsehen oder auf DVD sehen konnte, war dies ein durchaus legitimer Gedanke.

Beim Drehbuch griff man auf Szenen aus dem Roman zurück, denen im ersten Film keine Beachtung geschenkt wurde. So sieht man nun, wie das Monster auf den blinden Einsiedler trifft, sprechen lernt und von Frankenstein eine Braut haben will. Bei der Erschaffung der Braut ging der Film nur zu einem Teil auf den Roman ein. Während sich dort Frankenstein eines Besseren besinnt und seine weibliche Kreatur vernichtet, wird sie hier zum Leben erweckt. In Frankensteins Braut jedoch verliebt sich die von Elsa Lanchester dargestellte Braut in ihren Schöpfer, während sie die scheußliche Kreatur mit einem Schrei vertreibt.

Ein anderer deutlicher Unterschied zum Roman ist, dass Universals Monster zwar sprechen, aber sich nicht eloquent ausdrücken kann. In Shelleys Roman hat die Kreatur die Fähigkeit, sich bestens zu artikulieren, während das Monster im Film lediglich einige Worte knurren kann. Boris Karloff war übrigens strikt dagegen, dass das Monster sprechen sollte, da es seiner Meinung nach der Tragik der Figur viel nahm. Mit seinen Argumenten konnte er sich gegenüber Universal und Whale allerdings nicht durchsetzen, weswegen Frankensteins Monster lernen musste, wie es mit anderen sprechen kann. Das Ergebnis waren einige herausragende Szenen, die dem Charakter mehr Tiefe verliehen, was dringend nötig war, da es hier weit skrupelloser mordet als noch im ersten Film.

Whale gelang mit Frankensteins Braut das seltene Kunststück, eine Fortsetzung zu schaffen, die dem Original in praktisch jeder Beziehung überlegen ist. Frankensteins Braut ist der elegantere von beiden Filmen, bietet er neben einem durchgehenden Score doch eine noch ergreifendere Inszenierung, die sich auch im Schnitt des Films offenbart. Nicht zu vergessen ist dabei das ausgetüftelte Design von Sets und Kostümen, bei denen Whale mehr als ein Wort mitzureden hatte.

Für Frankensteins Sohn konnte James Whale nicht mehr als Regisseur verpflichtet werden, weswegen man sich auf Rowland V. Lee verlegte. Der ging mit Enthusiasmus und Eifer an die Aufgabe und schreckte auch vor dem eher bescheidenen Budget von 250.000 Dollar nicht zurück. Tatsächlich gelang es ihm sogar, Universal noch ein bisschen mehr Geld für die Produktion des Films aus der Tasche zu leiern, aber sein Traum, den Film in Farbe zu drehen, war dann doch zu kostspielig, als dass er hätte Wirklichkeit werden können.

Diesmal kümmerte man sich gar nicht mehr darum zu erklären, wie das Monster das Finale des vorherigen Films überlebt hatte. Es war einfach so. Da passte dann auch, dass Wolf von Frankenstein mit seiner Familie das Anwesen seines Vaters als neuen Wohnort wählte und sehr schnell von dem zwielichtigen Ygor verführt wird, das darin ruhende Monster mit neuem Leben zu erfüllen. Ygor, der einst wegen Leichendiebstahls gehängt wurde, dies aber überlebte, nutzt nun die Kreatur, um sich an all jenen zu rächen, die ihn an den Galgen gebracht hatten.

Universal produzierte weitere Frankenstein-Filme, die sich aber immer weiter von Shelleys Vorlage entfernten: Ghost of Frankenstein (1942), Frankenstein meets the Wolf Man (1943), House of Frankenstein (1944) und die Komödie Abbott und Costello treffen Frankenstein (1948).

Universal geht, Hammer kommt!

Mary Shelleys Roman war längst zur Public Domain geworden, was nichts anderes bedeutete, als dass jedermann die Figuren benutzen konnte. Nicht benutzbar war jedoch das Design der Kreatur, das Universal 1931 eingeführt hatte. Dieses fand sich schließlich nicht im Roman und war eine Schöpfung des Studios. Das war auch Hammer klar, wo man durchaus bemerkt hat, wie rigoros man von Seiten Universals gegen all jene vorging, die das Frankenstein-Design benutzten.

Während man sich bei den Universal-Filmen vor allem auf das Monster konzentrierte, stand bei Hammer Baron Frankenstein im Mittelpunkt, wobei das Monster manchmal zum besseren Statisten verkam.

Frankensteins Geschichte wurde dem Publikum erstmals in Farbe präsentiert, was umso wirksamer war, da das Blut nun in kräftigem Rot fließen konnte. Für die damalige Zeit war Frankensteins Fluch, der 1957 zum weltweiten Erfolg wurde, ein sehr harter und brutaler Film – heutzutage wirkt er natürlich eher zahm und gar nicht mehr angsteinflößend.

Damals jedoch war er ein Frankenstein für eine neue Generation, die sich vor den Universal-Monstern nicht mehr fürchten konnte. Für die Hauptrolle von Baron Frankenstein verpflichtete man den britischen Mimen Peter Cushing, der im Fernsehen recht erfolgreich war, mit seiner Karriere aber nicht vorankam. Frankensteins Fluch stellte für ihn eine Chance dar, die er bestens nutzte. In seiner typischen Bescheidenheit erklärte Cushing später, dass er die Gelegenheit, bei diesen Filmen mitzuwirken, sehr genossen habe. Immerhin gaben sie ihm die Möglichkeit, für ein Millionenpublikum zu spielen. Dass er dafür dem Horrorgenre verhaftet war, störte ihn nicht weiter, da er stets erklärte, mit Hingabe bei diesen Filmen mitzuwirken. Da verwundert es auch nicht, dass Cushing den Baron in sechs der insgesamt sieben Filme spielte.

Als Monster wurde Christopher Lee verpflichtet, der unter starkem Make-up versuchte, in die großen Fußstapfen von Boris Karloff zu steigen. Das gelang ihm erstaunlich gut, wobei Lee seine Kreatur sehr viel bemitleidenswerter anlegte als Karloff. Das führte auch dazu, dass die Sympathie des Publikums bei der Kreatur lag, während der Baron als das wahre Monster wirkte.

Frankensteins Fluch entwickelte sich für Hammer zum Erfolg und legte den Grundstein nicht nur für eine ganze Reihe mit Filmen um den Baron, sondern auch für das Studio selbst. Es folgte Frankensteins Rache (1958), der in seiner Stimmung Shelleys Roman am nächsten kommt und für viele eine der besten Verfilmungen ist. Dies liegt auch daran, dass mit Karl, dem Monster dieses Films, eigentlich gar keine echte Kreatur gezeigt wird. Vielmehr ist Karl ein Mensch, der jedoch unter Deformationen zu leiden hat. Als Gegenleistung dafür, dass er Frankenstein vor der Guillotine bewahrt, fordert er einen neuen, perfekten Körper, dem ihm der gute Doktor auch gibt. Später folgt jedoch ein Hirnschaden, der in Karl einerseits kannibalische Gelüste weckt, andererseits seinen nun schönen Körper wieder verunstaltet. Im Grunde wird mit Karl eine Kreatur geboten, die Mary Shelleys Vorstellungen entgegenkommt. In ihrem Roman hat sie das Monster nicht umsonst zu einer sprechenden, fühlenden Gestalt gemacht, die nur deswegen mit Gewalt reagiert, weil jedermann sie hasst und fürchtet. Ähnlich ergeht es hier Karl, dessen Darsteller Michael Gwynn bei vielen Fans nicht unbedingt großes Ansehen genießt. Die Zuschauer erwarten bei Frankensteins Kreatur eben ein echtes Monster und keinen Menschen – dass sie damit die Intention des Romans, dem gegenüber die Filme nur selten eine gewisse Treue zeigten, zuwiderliefen, spielte nur eine untergeordnete Rolle.

Weiterhin produzierte das Studio Frankensteins Ungheuer (1964), Frankenstein schuf ein Weib (1966), Frankenstein muss sterben (1969), Frankensteins Schrecken (1970) und Frankensteins Höllenmonster (1974).

Fernsehausflüge

Anfang der 70er Jahre entdeckte das Fernsehen den Stoff für sich. 1973 gab es zwei konkurrierende Produktionen, die das TV-Publikum für sich gewinnen wollten. Dan Curtis, der bereits Dracula eine mehr dem Original getreue Adaption spendiert hatte, versuchte sich nun auch an Frankenstein, wenngleich er diesmal lediglich am Drehbuch mitschrieb und den Film produzierte. In der Rolle der Kreatur fand sich Bo Svenson wieder. Curtis’ Frankenstein ist nicht unbedingt ein schlechter Film, bisweilen jedoch etwas langatmig. Unter Fans des Romans gilt Jack Smights Verfilmung Frankenstein wie er wirklich war als die weit bessere, auch wenn sich Christopher Isherwood und Don Barchady, die das Drehbuch schrieben, genug Freiheiten ließen, sodass man eigentlich nicht mehr von einer wirklich originalgetreuen Adaption sprechen kann. Die beiden Autoren hielten sich in vielen Dingen an Shelleys Roman, brachten jedoch auch eigene Ideen ein und erwiesen vorangegangenen Filmen ihre Referenz.

Die Besetzung dieses über drei Stunden langen Films, der in zwei Teilen ausgestrahlt wurde, darf man getrost als handverlesen bezeichnen. Neben James Mason, der als Dr. Polidori zu sehen ist, Jane Seymour und Michael Sarrazin als die Kreatur, wirkte auch John Gielgud in einer kleinen Nebenrolle mit. Die Idee für eine neuerliche Verfilmung des Stoffes stammt von Hunt Stromberg Jr., der die Idee der Fernsehabteilung der Universal vorlegte und schließlich genehmigt bekam, woraufhin er Isherwood und Bachardy mit dem Schreiben des Drehbuchs beauftragte.

Bei der Darstellung der Kreatur als letztlich menschliches Wesen geht der Film auf Shelleys Vorlage zurück, wobei die Kreatur anfangs normaler wirkt, sich ihr körperlicher Zustand mit der Zeit jedoch verschlechtert. Zum ersten Mal in einer Verfilmung erlebte man auch das Ende aus Shelleys Roman mit, bei dem das Monster in die Arktis flieht und von Victor, der alles, was ihm im Leben je etwas bedeutete, verloren hat, verfolgt wird.

Rückbesinnung auf die Vorlage

Noch bevor Mary Shelley's Frankenstein, eine großangelegte Verfilmung, in die Kinos kommen konnte, hatte man beim amerikanischen Fernsehsender TNT schnell geschaltet und einen eigenen Dr. Frankenstein geschaffen. Der von David Wickes geschriebene und inszenierte Film versucht, der Vorlage treu zu bleiben, weicht in einigen Momenten jedoch davon ab, da eine absolut getreue Version heutzutage vom Publikum vielleicht sogar als etwas langweilig angesehen werden könnte. Für sein Monster engagierte er Randy Quaid, der auf den ersten Blick eine sehr ungewöhnliche Wahl war. Immerhin ist Quaid vor allem als Komiker bekannt, wenngleich er ebenfalls schon tragische Rollen gespielt hat. Als Dr. Frankenstein 1992 auf TNT seine Premiere hatte, waren die Kritiker alles andere als begeistert und fanden genug, über das man sich mokieren konnte. So schlecht, wie viele ihn machten, ist dieser Film aber bei weitem nicht, auch wenn er nicht an Branaghs groß angelegte Verfilmung heranreicht.

Nach dem Erfolg von Bram Stoker's Dracula war es nur schlüssig, dass man auch Mary Shelleys Frankenstein in ähnlicher Form als Film adaptieren würde. Als idealer Regisseur schien sich Kenneth Branagh anzubieten, der mit seinen Shakespeare-Verfilmungen mehr als bewiesen hatte, dass er einen Stoff sehr lebendig auf die Leinwand bringen konnte.

Besonders wichtig für diesen Film war natürlich die Wahl des Schauspielers für die Kreatur. Mit Robert De Niro fand sich ein Mime, der sicherlich zu den Besten seiner Generation gehört und ein ums andere Mal beeindruckende Leistungen ablieferte. Als die Kreatur, deren Aussehen weit menschlicher wirkt, gleichzeitig jedoch das Gefühl eines zusammengestückelten Leichnams erweckt, war De Niro gefragt, einen Charakter zu schaffen, der sich von Karloffs legendärer Darstellung abhob, ebenso wie der Film als Ganzes von seinen Vorgängern.

Frankensteins Rolle übernahm Branagh selbst, während er für die weiteren Parts namhafte Schauspieler wie Ian Holm, Helena Bonham Carter und John Cleese verpflichtete. Die Dreharbeiten, die am 21. Oktober 1993 begannen, fanden in Großbritannien statt.

Im Jahr 2011 gab es eine Bühnenadaption des Stoffs, bei der Benedict Cumberbatch und Johnny Lee Miller Abend für Abend die Rollen tauschten und mal das Monster, mal den Schöpfer spielten. Diese Inszenierung wurde weltweit in den Kinos gezeigt. Eine moderne Neuinterpretation des Stoffs schuf schließlich Autor Max Landis mit Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn, wobei er sich durchaus weit von der Vorlage entfernt. Zudem tauchte das Monster auf grandiose Art und Weise in der Schauerserie Penny Dreadful auf.

Das gilt ohnehin für viele Produktionen, die sich mit dem Wort »Frankenstein« schmücken, gibt es doch weit mehr als 200 Produktionen, die sich in irgendeiner Weise auf Mary Shelleys Schöpfung berufen.

Frankenstein lebt!

Frankenstein und seine Kreatur existieren nun seit 200 Jahren und ein Ende der Faszination, die von dem Stoff ausgeht, ist nicht abzusehen. Mehr noch ist das Thema heute aktueller denn je, denn mit den Möglichkeiten der Genmanipulation und dem Klonen stehen den modernen, realen Frankensteins der Wissenschaft die Möglichkeiten zur Verfügung, das, wovon Mary Shelleys Schöpfung nur träumen konnte, tatsächlich Realität werden zu lassen.

Mary Shelleys Roman wird sicherlich auch in weiteren 100 Jahren noch die Menschen faszinieren und zu neuen Filmen und Geschichten anspornen. Frankensteins Monster ist längst ein Archetyp des Genres geworden, der nicht mehr wegzudenken ist und Filmemacher immer wieder inspiriert. Ob dabei große Werke von anhaltender Kraft oder billiger Trash für zwischendurch geschaffen werden – wir werden sehen.