Judith Madera, 08.09.2020
Auch in der Science Fiction wächst und blüht es – wenn auch ganz anders als in unserer irdischen Flora. Judith Madera stellt abgespacte Pflanzen aus der Science-Fiction-Literatur vor.
In der Science Fiction gehören Pflanzen meist zur Kulisse. Sie schmücken fremde Planeten in bunten Farben und bizarren Formen, lassen Solarpunk-Städte in hoffnungsvollem Grün erstrahlen, und ihre Abwesenheit lässt die Apokalypse erst richtig finster aussehen. Doch so mancher Planet überrascht mit einer intelligenten Flora, und so manche Pflanze ist gar Mitglied einer Raumschiff-Crew oder eines intergalaktischen Rats. In diesem Artikel will ich euch SF-Pflanzen vorstellen, die so ganz anders sind als unsere Bäume und Blumen.
Betrachten wir die irdische Pflanzenwelt, würden die meisten sie wohl als grün, essbar und dekorativ beschreiben. Aus unserer Sicht sind Pflanzen stumm und verwurzelt, sprich bewegungslos. Sie stehen in der Gegend rum, spenden Schatten, schmecken teilweise hervorragend und verbessern die Raumluft. Obwohl sie fester Bestandteil unseres Alltags sind, sind sie uns doch fremd, und die wenigsten wissen, dass Pflanzen auf vielfältige Weise miteinander kommunizieren, Gemeinschaften bilden, Lichtkonkurrenten erkennen und sogar andere Pflanzen ausbeuten und töten. Auch die Wissenschaft entdeckt erst nach und nach, wie komplex die Lebenswirklichkeit der Pflanzenwelt ist; entsprechend setzten frühe SF-Werke eher darauf, aus vermeintlich harmlosen Blümchen eine dunkle Bedrohung zu machen.
Pflanzenmonster
Die wohl bekanntesten Monsterpflanzen dürften John Wyndhams Triffids sein, die 1951 die Jagd auf Menschen eröffneten und bisher drei Mal verfilmt wurden. Doch bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren fremdartige Pflanzen überwiegend im Spannungsfeld zwischen SF und Horror zu finden. So bekommt eine wunderschöne neue Orchideenart in H. G. Wells‘ Die seltsame Orchidee (1894) Appetit auf Menschenblut. In Edmond Hamiltons Evolution Island (1927) erschaffen Wissenschaftler bewegliche, denkende Pflanzenmenschen, die die Tierwelt verdrängen und über die Welt herrschen wollen, während sich in The Plant Revolt (1930) mutierte Pflanzen zu räuberischen Massen zusammenschließen und Dörfer überfallen. Titel wie Spores of Death (Sax Rohmer, 1913), The Devil Plant (Lyle Wilson Holden, 1923) oder auch The Tree of Evil (David H. Keller, 1934) lassen erahnen, welch pflanzliche Schrecken sie bereithalten.
Doch die SF-Flora war damals nicht ausschließlich gefährlich und tödlich. In John Edwards The Menace from Space (1934) retten Moose von der Venus die Menschheit vor einer außerirdischen Gaswolke – und erweisen sich als Wunderdünger für die irdische Landwirtschaft. A Little Green Stone (1936) von J. Harvey Haggard wartet hingegen mit einer außerirdischen Vegetation auf, die Cosmosynthese auf Basis kosmischer Strahlung betreibt, und in Over There von Henry C. Rowland machen Pflanzen auf dem Mars Musik, wenn sie blühen.
Empfindungsfähige Pflanzen und Planeten
Als James Camerons Avatar – Aufbruch nach Pandora (2009) in die Kinos kam, dürfte der atemberaubend schöne und in der Nacht bunt lumineszierende Dschungel Pandoras maßgeblich zum Erfolg des Films beigetragen haben. Doch der leuchtende Wald ist nicht nur schön anzusehen, sondern bildet eine Einheit mit den Tieren und den humanoiden Na’vi. Die Pflanzenwelt Pandoras ist über ein gigantisches neuronales Netzwerk miteinander verbunden und hat dadurch ein Bewusstsein entwickelt, das die Na’vi Eywa nennen. Mittels spezieller Organe erhalten sie Zugriff darauf und können den Erinnerungen ihrer Ahnen lauschen, die im neuronalen Netz Pandoras gespeichert sind.
Literarische Inspiration für James Cameron dürften Ursula K. Le Guin und Alan Dean Foster gewesen sein. Bereits in ihrer Kurzgeschichte Vaster than Empires and more slow (1971) beschrieb Le Guin einen fremden Planeten, dessen Vegetation auf die Ankunft eines Raumschiffs mit Angst reagiert. Die Pflanzenwelt dort verfügt über ein Bewusstsein, welches sich vollkommen vom tierischen unterscheidet und nur für ein Crewmitglied wirklich begreif- und erlebbar ist. Le Guin beschreibt den Planeten als einen großen, grünen Gedanken und „windborne sentience“. Unter- und überirdisch sind alle Pflanzen in einem unvorstellbar großen Netzwerk verbunden, über das elektrochemische Signale geleitet werden. Als die Menschen die Empfindungsfähigkeit der Flora erkennen, verlassen sie den Planeten, anders als in Das Wort für Welt ist Wald (1972), wo Invasoren die Ressourcen einer fremden Welt ausbeuten und die Verbundenheit der indigenen Bevölkerung mit dem Wald nicht verstehen (wollen).
Alan Dean Foster beschreibt in Die denkenden Wälder (1975) einen gigantischen Regenwald, in dem die Tier- und Pflanzenwelt in Symbiosen miteinander lebt und der sich in sieben Ebenen mit einzigartigen ökologischen Nischen unterteilt. Der Dschungel Midworlds ist gleichermaßen faszinierend wie tödlich und verfügt über eine Art planetenumspannendes Bewusstsein, für welches sich die eindringenden Menschen nicht interessieren. Viel mehr sind sie an einer lebensverlängernden Pflanzensubstanz interessiert, haben aber nicht mit der Wehrhaftigkeit dieser fremdartigen Dschungelwelt gerechnet.
Auch wenn die Ideen von Le Guin und Foster wie Fantasy erscheinen, haben sie doch Vorbilder in der Biologie. In unseren Wäldern gibt es tatsächlich riesige unterirdische Netzwerke, über die Bäume in Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen leben und Nährstoffe austauschen. Viele Blütenpflanzen haben eine Koevolution mit ihren Bestäubern durchgemacht, und manche Pflanze vermag sogar den Fressfeind ihres Fraßfeindes anzulocken. Die Biologie ist eine ungemein komplexe Wissenschaft, die jede Menge Inspiration für SF-Autor*innen bereithält.