Relativität, Tod und Liebe
Christopher Nolan wagt sich hier an schwere Themen heran: der drohende Untergang der Menschheit, Wurmlöcher, Schwarze Löcher, Relativität, Tod und Liebe. Die Gefahr ist groß, dass man sich da verzettelt, und in der Tat ist das Timing nicht immer glücklich. Die erste Stunde zieht sich sehr lange hin, während man am Ende mit der Handlung kaum noch mitkommt. Im Eiltempo erfährt man, dass ein im Raumschiff zurückgebliebener Astronaut während des kurzen Aufenthalts der restlichen Crew auf einem Planeten wegen der Zeitdilatation 23 Jahre allein verbracht hat. Eine faszinierende Ungeheuerlichkeit, die viel zu schnell abgehakt wird, weil es in der Handlung weitergehen muss.
Der Film beschäftigt sich intensiv mit physikalischen Themen. Das bringt, ähnlich wie bei »Gravity«, wieder die Besserwisser auf den Plan, die sich schleunigst auf die Suche nach Fehlern begeben und den Streifen deswegen kritisieren. Selbstverständlich kann und soll sich ein Film künstlerische Freiheiten nehmen, denn es ist ja immerhin noch Unterhaltung und kein Lehrvideo. Andere Hard-SF-Streifen sind da viel dramatischer am Realismus gescheitert, wie zum Beispiel »Starflight One«, »Mission to Mars« oder »Armageddon«. Außerdem ist »Interstellar« keineswegs unrealistisch, und wer sich über vermeintliche Fehler aufregt, möge bitte zunächst das Buch »The Science of Interstellar« von Kip Thorne lesen, bevor er den Mund aufmacht. Nach der Lektüre dieses Buches und einigen eigenen Berechnungen haben sogar Physiker wie Phil Plait ihre ersten Verrisse reumütig wieder zurückgezogen.
Swingby-Manöver über dem Ereignishorizont
Der Film baut, ähnlich wie »2001«, auch die eine oder andere esoterisch angehauchte Passage ein. Wenn Astronaut Cooper im Schwarzen Loch auf unglaubliche Weise mit seiner weit entfernten Tochter kommuniziert, ist das eine Referenz an das Ende des Science-Fiction-Klassikers. Einige Kritiker bemängeln daher auch die Ähnlichkeit zum Meisterwerk von Stanley Kubrick, was bei diesem Thema und der Umsetzung aber nicht ausbleiben kann. Auch an andere Meilensteile des Genres wie »Der Stoff, aus dem die Helden sind« erinnert »Interstellar«.
Das sollte man dem Streifen aber nicht vorwerfen, denn er hat genug Originelles zu bieten. Ich kann mich zum Beispiel an keinen Film erinnern, der sich so ausgiebig mit den Effekten der Zeitdilatation beschäftigt. Im Gedächtnis bleibt auch die hervorragend inszenierte Sequenz des Andockens an das havarierte, rotierende Mutterschiff, die ihrerseits wieder an die Andocksequenz von »2001« erinnert, aber weit darüber hinausgeht. Absolut fantastisch sind die Bilder von Wurmloch und Schwarzem Loch. Sie sind realistisch wiedergegeben, nachdem Kip Thorne eng mit der Spezialeffektfirma zusammengearbeitet und neue Gleichungen dafür hergeleitet hat, was übrigens wissenschaftliche Aufsätze in Fachzeitschriften nach sich zog. Das Swingby-Manöver knapp über dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs gehört sicher zum visuell faszinierendsten und dramatischsten, was man in einem SF-Film bisher gesehen hat.
Es gibt einige Szenen mit sinnfreien Dialogen. Wenn zum Beispiel Amelia Brand (Hathaway) mit Cooper über die Liebe philosophiert, dann hört sich das schon sehr naiv an, aber diese Momente sind glücklicherweise die Ausnahme.
Insgesamt bleibt »Interstellar« ein faszinierender, zum Nachdenken anregender Film, hinter dem vor allem von wissenschaftlicher Seite mehr steckt, als man ihm vordergründig ansieht.