Science Fiction

Einige der wichtigsten deutschsprachigen Science-Fiction-Autorinnen des 21. Jahrhunderts

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BUCH

 

Judith Madera, 04.08.2021

Seit es Science Fiction gibt, gibt es auch Science-Fiction-Autorinnen, allerdings sind sie bis heute weniger zahlreich und weniger sichtbar als ihre Kollegen. Um zumindest Letzteres zu ändern, haben wir Euch im letzten Jahr bereits die wichtigsten SF-Autorinnen des 20. Jahrhunderts vorgestellt – nun wollen wir uns den Autorinnen des 21. Jahrhunderts widmen.

In den vergangenen zwanzig Jahren haben mehr Frauen in der deutschsprachigen SF veröffentlicht, als im ganzen 20. Jahrhundert. Sie alle zu nennen ist nahezu unmöglich, doch die Wikipedia-Liste versucht es zumindest, gegen regelmäßig aufflammenden Widerstand. Trotz ihrer wachsenden Zahl und immer mehr Veröffentlichungen bei kleinen und großen Verlagen sowie bekannten SF-Serien wie Perry Rhodan erhalten SF-Autorinnen meist weniger Aufmerksamkeit als ihre Kollegen. Über sie wird weniger berichtet, sie werden seltener besprochen und seltener zu Veranstaltungen eingeladen. In den letzten Jahren wurde viel über die Gründe diskutiert, die wir hier nicht wieder aufrollen wollen, zumal sich langsam, aber stetig etwas verändert. Immer mehr Autorinnen sind über Social Media miteinander vernetzt, organisieren gemeinsame Events wie Onlinelesungen- und talkrunden. Das Netz verhilft zu Sichtbarkeit, gleichzeitig fällt es oft schwer, nicht im Rauschen unterzugehen. Daher wollen wir Euch auch für die SF-Autorinnen des frühen 21. Jahrhunderts einen Überblick liefern.

Zwei werdet Ihr in diesem Artikel nicht finden, obwohl sie hier natürlich genannt werden sollten: Uschi Zietsch alias Susan Schwartz und Ulrike Nolte haben im 21. Jahrhundert einiges an SF veröffentlicht, doch da sie bereits im letzten Jahrhundert sehr aktiv waren und von Markus Mäurer bereits vorgestellt wurden, lasse ich sie hier aus. Bei den Autorinnen des (frühen) 21. Jahrhunderts beschränke ich mich überwiegend auf die, die ab der Jahrtausendwende erstmals in der SF aufgetaucht sind und die mehrere Romane und/oder Kurzgeschichten im Genre veröffentlicht haben. Vielleicht wird Euch auffallen, dass nicht alle hier genannten Autorinnen Frauen sind – ich erwähne aber nur diejenigen, die mit den weiblichen Pronomen einverstanden sind.

Von der Quotenfrau Richtung Normalzustand

Im 20. Jahrhundert gehörten Marianne Sydow und Uschi Zietsch zu den ersten Autorinnen bei Perry Rhodan, womit sie einerseits Pionierinnen im Genre waren, aufgrund ihrer geringen Zahl jedoch auch als Quotenfrauen gesehen werden konnten. Nun wurden sie natürlich nicht einer Quote wegen in die Autorenteams aufgenommen, doch wir sehen, dass die SF im 20. Jahrhundert sehr männlich war. Inzwischen schreiben acht Autorinnen für die bisher umfangreichste SF-Serie der Welt: Michelle Stern, Susan Schwartz und Verena Themsen veröffentlichten in der Hauptserie, während bei Perry Rhodan NEO Madeleine Puljic, Lucy Guth und Andrea Bottlinger mitmischen. Zu den aktuellen Gastautor*innen gehören zudem Claudia Kern und Tanja Kinkel.

Auch andere SF-Serien boten Autorinnen eine Bühne. So waren bei den ersten deutschen Shadowrun-Romanen in den 2000ern zwei Autorinnen dabei und von zehn Bänden der Space-Opera-Reihe Justifiers stammten fünf aus den Federn von Frauen. Bei Die neunte Expansion und dem Spin-Off Der Loganische Krieg schreiben bisher sieben Autorinnen mit, womit sie sogar in der Überzahl wären – allerdings haben die fünf männlichen Kollegen jeweils mehr Romane innerhalb der Reihe veröffentlicht. Trotzdem gibt es bei den Romanreihen insgesamt eine positive Entwicklung, die immer mehr Autorinnen berücksichtigt.

Wer abseits dieser Reihen in Verlagsprogrammen nach SF-Romanen von Autorinnen suchte, landete nur vereinzelte Glückstreffer, auch weil Romane von Autorinnen mit SF-Anteil eher anderen Genres zugeordnet oder ins Jugendbuch gedrängt wurden, wie beispielsweise Birgit Rabischs Duplik Jonas 7Oft wurden bereits Exposés von Autorinnen mit SF-Ideen als unverkäuflich abgelehnt und so wissen wir heute nicht, wie viele Romane in den Schubladen verschwunden sind oder gar nicht erst geschrieben wurden. In Anthologien sah es dagegen etwas besser aus: In den 2000ern stammten circa 10-20 Prozent der Beiträge von Autorinnen, allerdings die meisten davon von wenigen Stammautorinnen, die es regelmäßig auf die Nominierungslisten bekannter Szenepreise schafften.

Es folgen nun einige Kurzporträts wichtiger Genrevertreterinnen, ehe wir nochmals einen allgemeineren Blick auf die Situation in Deutschland werfen und uns abschließend der neuen Generation zuwenden

 

Wer abseits dieser Reihen in Verlagsprogrammen nach SF-Romanen von Autorinnen suchte, landete nur vereinzelte Glückstreffer, auch weil Romane von Autorinnen mit SF-Anteil eher anderen Genres zugeordnet oder ins Jugendbuch gedrängt wurden, wie beispielsweise Birgit Rabischs Duplik Jonas 7Oft wurden bereits Exposés von Autorinnen mit SF-Ideen als unverkäuflich abgelehnt und so wissen wir heute nicht, wie viele Romane in den Schubladen verschwunden sind oder gar nicht erst geschrieben wurden. In Anthologien sah es dagegen etwas besser aus: In den 2000ern stammten circa 10-20 Prozent der Beiträge von Autorinnen, allerdings die meisten davon von wenigen Stammautorinnen, die es regelmäßig auf die Nominierungslisten bekannter Szenepreise schafften.

Es folgen nun einige Kurzporträts wichtiger Genrevertreterinnen, ehe wir nochmals einen allgemeineren Blick auf die Situation in Deutschland werfen und uns abschließend der neuen Generation zuwenden

Myra Çakan

1999 erregte die Journalistin Myra Çakan mit ihrem Debütroman When the music’s over Aufsehen, der 2000 für den Kurd-Laßwitz-Preis (KLP) nominiert war, ebenso wie Downtown Blues 2002 und Dreimal Proxima Centauri und zurück 2012. Zuvor hatte sie Kurzgeschichten veröffentlicht, zum Beispiel im c’t Computer Magazin oder Anthologien wie Die Sterne sind weiblich – Frauen schreiben Science Fiction im Moewig Verlag. Çakan gilt als erste deutschsprachige Cyberpunkautorin und veröffentlichte bis heute fünf Romane, diverse Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien sowie einige Hörspiele. Teilweise erschienen ihre Erzählungen auch im Ausland wie „Ocean of Stars“ im Webzine The Infinite Matrix und „Studene svetlo hviezd" ("Das kalte Licht der Sterne") im slowakischen Magazin Fantazia.

Man merkt Çakans Geschichten an, dass sie von einer Schauspielerin und Musikerin verfasst wurden. Zwischen ihren Worten schwingt Rock’n Roll mit, sie schreibt hart, schnell, intelligent, zuweilen auch düster-humorvoll. Dabei widmet sie sich nicht nur dreckig schillernden Dystopien, sondern auch den Weiten des Alls wie in ihren Geschichtensammlungen Nachtbrenner (2012) und Winterlang (2013) sowie in den Weltraumabenteuern von Luke Harrison (2001) oder auch der Retro-SF in Geschichten aus der Zukunft von Gestern (2013).

Maike Hallmann

Auch die 1979 geborene Hamburger Fantasy- und SF-Autorin Maike Hallman hat sich zunächst im Cyberpunk einen Namen gemacht und zwar als erste deutschsprachige Autorin bei Shadowrun. Von 2001 bis 2005 veröffentlichte sie drei Romane im Shadowrun-Universum: PesadillasVertigo und Wiedergänger. Zudem war sie zusammen mit Catherine Beck Herausgeberin der Anthologie Matrixfeuer.

Neben dem Fantasy-Epos Die Feen (2011) veröffentlichte die Germanistin diverse Kurzgeschichten sowie einen Jugendkrimi. Mit Hard to Kill (2012) schrieb Hallmann ihren bislang letzten Roman für die Space-Opera-Reihe Justifiers. Seit 2014 arbeitet sie als Übersetzerin, unter anderem von SF-Romanen wie Nightflyers von George R. R. Martin oder Die kalten Sterne von John Birmingham.

Heidrun Jänchen

Seit 2006 ist Heidrun Jänchen Dauergast auf den Nominierungslisten des KLP und des Deutschen Science Fiction Preises (DSFP) – zwei ihrer Kurzgeschichten, „Ein Geschäft wie jedes andere“ (Lotus-Effekt, 2008) und „In der Freihandelszone“ (Emotio, 2012), wurden ausgezeichnet. In der deutschen SF-Szene ist sie insbesondere für ihre Arbeit als Herausgeberin der geschätzten SF-Anthologien aus dem Wurdack-Verlag bekannt. Zu diesen steuerte sie regelmäßig selbst Kurzgeschichten bei, 2012 erschien mit Willkommen auf Aurora eine Sammlung eigener Werke.

Die 1965 in der ehemaligen DDR geborene Physikerin schreibt seit ihrer Kindheit Prosa und Lyrik und gab 2008 ihr SF-Romandebüt mit Simon Goldsteins Geburtstagsparty, in dem die EU in zwei Staatengemeinschaften zerfallen ist – ohne Großbritannien (also fast wie heute). In ihren Geschichten widmet sie sich oft gesellschaftskritischen Themen, was sich auch in ihrem politischen Engagement zeigt. Von 2014 bis 2019 saß sie für die Piratenpartei im Stadtrat Jenas, 2018 kandierte sie bei der Oberbürgermeisterwahl. Jänchen, die sich selbst als „engagierte und unangepasste Bürgerin“ bezeichnet, bloggt unter der Überschrift Aurora schießt quer unter anderem über Politik, Biotope und Literarisches.

Nadine Boos

Die 1981 geborene Bibliothekarin Nadine Boos veröffentlichte zunächst einige Kurzgeschichten in Anthologien des Wurdack-Verlags sowie als erste deutsche Autorin im SF-Magazin Nova. Bereits ihr Kurzgeschichten-Erstling „Photosolaris“ (Lotus-Effekt, 2008) war für den KLP nominiert und ließ ihre große Liebe zu Biowissenschaften erkennen. Es folgten zahlreiche weitere Nominierungen, auch für den DSFP und den Deutschen Phantastik Preis (DPP). 2013 erschien ihr erster SF-Roman, Der Schwarm der Trilobiten, als Teil der Space-Opera-Reihe Die neunte Expansion. 2018 folgte Tanz um den Vulkan. Unter dem Pseudonym Marina Boos veröffentlichte sie zudem fünf Jugendromane.

Petra E. Jörns / P. E. Jones

In der Vergangenheit schrieben Autorinnen in der SF häufiger unter männlichen Pseudonymen oder solchen mit Initialen, bei denen sich kein Geschlecht erkennen lässt. So auch Petra E. Jörns, die für verschiedene Genres verschiedene Pseudonyme verwendet und unter dem Alias P. E. Jones begann, SF zu schreiben. Inzwischen nutzt sie hier ihren Realnamen.

Die Biologin und bekennende Pfälzerin ist seit ihrer Kindheit fasziniert von Fantasy und SF und veröffentlichte als P. E. Jones bei Bastei Lübbe die Military-SF-Reihe Space Troopers, in der Insekten-Aliens die Erde erobern und die man auch in Form von Hörbüchern genießen kann. 2020 erschienen die beiden Romane Fremde Heimat und Im Licht der Horen, beide ebenfalls Military-SF in Space.

Als die großen Verlage bemerkten, dass sie keine deutschen SF-Autor*innen im Programm haben

Nach dem großen Fantasyboom der 2000er folgte ein kurzer Trend der Jugenddystopien, der durchaus einzelne Perlen hervorgebracht hat. Hier hatten Autorinnen bessere Veröffentlichungschancen, getreu dem Klischee, dass Frauen nur Liebesromane und Jugendbücher schreiben. Das Strohfeuer war jedoch schnell erloschen und die großen Verlage setzten in der Science Fiction auf bekannte Genregrößen aus dem Ausland sowie Neuauflagen bedeutender Klassiker. Auch einzelne deutsche Autoren wie Dietmar Dath oder Andreas Brandhorst belegten regelmäßig Programmplätze, dennoch schien es, als wäre die SF endgültig zum nerdigen Randphänomen geschrumpft.

Vor circa fünf Jahren spürte man jedoch eine Veränderung. Bekannte Fantasyautor*innen wechselten in die Science Fiction und es erschienen zunehmend deutsche Romane bei den großen Verlagen. Von einem Boom wie bei der Fantasy kann man nicht sprechen, doch es tut sich etwas und die SF-Programme wachsen stetig, Entsprechend schaffte es 2018 auch ein prominent platziertes SF-Panel auf die Frankfurter Buchmesse. „Think Ursula!“ wurde zu Ehren von Ursula K. Le Guin veranstaltet und peinlicherweise hatten die drei veranstaltenden Verlage keine einzige deutsche SF-Autorin in ihren damaligen Programmen. Im Vorfeld gab es daher Kritik, weil keine Autorinnen zum Panel eingeladen waren, weshalb man kurzerhand Judith C. Vogt und Theresa Hannig, die bei der Konkurrenz veröffentlicht hatten, sowie Kleinverlagsautorin Annette Juretzki einlud – und sie dann kaum zu Wort kommen ließ. Spätestens seit „Think Ursula!“ wird in der Szene wieder verstärkt über die Sichtbarkeit von Autorinnen diskutiert und es zeigte sich, dass längst eine neue Generation von SF-Autorinnen da war, die gesehen und gelesen werden wollte:

Judith C. Vogt

Wie viele deutsche Autor*innen veröffentlichte Judith C. Vogt ihre ersten Werke im Rahmen des Fantasydauerbrenners Das Schwarze Auge. Gemeinsam mit Christian Vogt kreierte sie 2012 in Die zerbrochene Puppe eine eiszeitliche Steampunkwelt, die 2013 um die Anthologie Eis & Dampf und später um das gleichnamige Rollenspiel erweitert wurde. 2016 erschien mit Die verlorene Puppe ein weiterer Roman im Eiszeitsetting.

2018 veröffentlichte Vogt die Space Opera Roma Nova, basierend auf einer Idee des Filmproduzenten Philip Schulz-Deyle, der die römische Antike als SF-Setting dachte. 2019 folgte mit Wasteland, nun wieder mit Co-Autor Christian Vogt, eine gendergerecht verfasste Dystopie mit deutschem Setting und utopischen Elementen wie der diversen Gesellschaft der Hoper, die nicht-binäre und neurodiverse Personen ganz selbstverständlich einschließt. Auch die Protagonist*innen der actiongeladenen Space Opera Ace in Space (2020) sowie des Rollenspiels Aces in Space glänzen mit Diversität – und waghalsigen Weltraumstunts mit aufgemotzten Raumjägern.

Judith C. Vogt arbeitet auch als Übersetzerin und Journalistin, wobei sie ihre Artikel insbesondere der Sichtbarkeit von Autorinnen und anderen Marginalisierten widmet. Seit 2020 ist sie Mitherausgeberin des SFF-Magazins Queer*Welten.

Theresa Hannig

Die 1984 geborene Münchner Autorin Theresa Hannig erhielt 2016 den Stephan-Lübbe-Preis für ihr Manuskript zu Die Optimierer. Der Roman erschien ein Jahr später und wurde mit dem Seraph für das beste Debüt ausgezeichnet. In ihrer Dystopie beschäftigt sich Hannig mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen wie Datenschutz, Überwachung, Automatisierung oder auch dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Den Roman hat sie unter anderem auch in Schulen vorgestellt. 2019 erschien mit Die Unvollkommenen eine Fortsetzung der Optimierer, die auch als Theaterstück inszeniert und ins Tschechische übersetzt wurden.

Hannig engagiert sich neben dem Schreiben für die Sichtbarkeit von Autorinnen, insbesondere in der Science Fiction, und erstellte in Zusammenarbeit mit anderen Kolleg*innen die Liste von SF-Autorinnen in der Wikipedia, welche auf massiven Widerstand in der Wikipedia-Community stieß. Als Reaktion darauf entstand die Aktion #wikifueralle. Sie ist auch Teil der #Wellenbrecher-Kampagne, die sich für die Einhaltung der Corona-Regeln und eine solidarische Bewältigung der Krise einsetzt, und hält Vorträge über Science Fiction und Digitalisierung. Aktuell beendet Hannig ihren vierten Roman Pantopia – eine Utopie, die 2022 bei Fischer Tor erscheinen wird. 

Alessandra Reß

Die 1989 geborene Kulturwissenschaftlerin Alessandra Reß ist ein (junges) Urgestein der deutschen Phantastikszene. Seit über fünfzehn Jahren schreibt sie für Fanzines und betreibt neben dem Schreiben ihren Blog „FragmentAnsichten“, wo sie News aus der Szene veröffentlicht, Interviews führt und natürlich ihre eigenen Werke bewirbt. Bei ihrem Debüt Vor meiner Ewigkeit (2013) handelte es sich um düstere Fantasy, während sie ihre SF-Geschichten zunächst in Anthologien wie Intergalaktisches Seemannsgarn (ohne ohren, 2013) und Roboterliebe (Saphir im Stahl, 2013) veröffentlichte.

Ihr erster SF-Roman Spielende Götter (2016) ist mit seinen virtuellen Kriegen dem Cyberpunk zuzuordnen und weist Verbindungen zu ihrer aktuellen Space Fantasy Die Türme von Eden (2020) auf, die in einem fernen Planetensystem Unterschiede in Kultur und Glauben aufarbeitet. Reß schreibt außerdem für die Space-Opera-Reihe Die neunte Expansion - Der Loganische Krieg und veröffentlichte 2018 in deren Rahmen die beiden Romane Die Netze von Nomoto und Eine Ahnung von Freiheit. Ihre Werke waren unter anderem für den DPP und den Seraph nominiert.

Marie Graßhoff

Bereits bei der ersten SF-Veröffentlichung der 1990 geborenen Autorin und Graphikdesignerin Marie Graßhoff handelt es sich um ein sehr ambitioniertes Projekt, das verschiedene Zeit- und Realitätsebenen umfasst. 2016 erschien mit Kernstaub - Über den Staub an Schmetterlingsflügeln der Auftaktband der philosophischen SF-Trilogie, die aufgrund ihrer Länge in sechs Teilen veröffentlicht werden soll. Ebenfalls 2016 erschien der zweite Band Weltasche – Über das Gift an Quallenmembranen, 2017 folgte ein Trailer für Universe of Gods, ein Filmprojekt basierend auf Kernstaub. Auf die vier weiteren Romane müssen die Leser*innen noch etwas warten, doch untätig war die Autorin in den letzten vier Jahren nicht.

In Die Schöpfer der Wolken (2017) mischt Graßhoff Fantasy und Cyberpunk, den sie in ihrer aktuellen Trilogie Neon Birds (2019/2020) mit utopischen Elementen des Solarpunk kombiniert und sich mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. 2021 erwartet uns mit Der Dunkle Schwarm der erste Sammelband der gleichnamigen Cyberpunk-Hörbücher.

Melanie Vogltanz

Die 1992 geborene Wienerin Melanie Vogltanz debütierte 2007 in der Fantasy und bedient seitdem verschiedenste Phantastikgenres. 2014 erschien mit Ararat – Die Sündenflut ihr erster SF-Roman als finstere Postapokalypse. Ihre Dystopie Shape Me (2019), in der sie sich mit dem Schlankheits- und Optimierungswahn auseinandersetzt, schaffte es 2020 auf die Shortlist dreier wichtiger Szenepreise: dem KLP, DSFP und Seraph. 2016 wurde sie mit dem Encouragement Award der European Science Fiction Society ausgezeichnet.

Vogltanz veröffentlichte außerdem diverse Kurzgeschichten, überwiegend düstere Fantasy, aber auch SF in Anthologien wie Unsere Freunde von Eridani (Begedia, 2020) oder Dampf über Europa (Saphir im Stahl, 2018). Neben dem Schreiben arbeitet sie auch als Lektorin und Übersetzerin.

Die Versprechungen der 2020er

So mies 2020 in großen Teilen war, so gut war das Jahr für die Science Fiction, insbesondere für die deutschsprachige und auch für Autorinnen. Ich erinnere mich zum Beispiel an die großartigen Kurzgeschichten von Judith C. Vogt und Gundel Limberg in Wie künstlich ist Intelligenz? und an die gelungene Neuauflage des 2002 für den KLP nominierten Romans Unter Markenmenschen von Birgit Rabisch. Madeleine Puljic veröffentlichte mit Zweite Heimat erstmals SF außerhalb des Perry-Rhodan-Universums und Eva Siegmund legte mit Sodom einen dystopischen SF-Thriller vor.

2021 war bisher ebenfalls äußerst vielversprechend: Mit Der vierte Mond schrieb Kathleen Weise erstmals SF für Erwachsene und überzeugte mit gut recherchierten wissenschaftlichen Grundlagen und vielschichtigen, zutiefst menschlichen Figuren. Von Lisa-Marie Reuter erschien die bunte und sehr atmosphärische Climate Fiction Exit this City, in der Indien zur neuen Weltmacht aufgestiegen und Europa verarmtes Agrarland ist. In Fools in Space schickt Calin Noell Menschen mit unterschiedlichsten psychischen Beeinträchtigungen auf einen gefährlichen Trip durchs All, angeführt von einer KI mit gespaltener Persönlichkeit, die nach ihrer Menschlichkeit sucht. Kia Kahawa beschreibt in Endstation – Die Passepartout-Logfiles eine dystopische Zukunft, in der ein gigantischer Versicherungskonzern über Leben und Tod entscheidet. Und Meike Eggers widmet sich in Cybionic – Der unabwendbare Anfang der Frage, welchen Einfluss Algorithmen und Künstliche Intelligenz auf die Realität unserer Gesellschaft haben.  

In einigen Jahren werden wir sehen, ob auch sie zu den wichtigsten SF-Autorinnen des 21. Jahrhunderts zählen werden – ich bin außerdem sicher, dass noch viele andere folgen und dass die deutschsprachige SF zunehmend diverser werden wird. Das Tempo ist für SF-Verhältnisse zwar langsam, aber die Richtung stimmt, auch dank dem Engagement vieler hier genannter Autorinnen.

Judith Madera

Judith Madera ist Literatopia-Chefredakteurin und Herausgeberin des Online-Fanzines PHANTAST. Seit 2019 schreibt sie gelegentlich für TOR online über Science Fiction, Anime und Manga. Mehr unter www.literatopia.de