Henning Mützlitz, 31.03.2020
Vom Kind seiner Zeit zum Vorreiter im Science-Fiction-Genre: „Star Trek“ hat hinsichtlich der Repräsentation und der Charakterisierung seiner weiblichen Figuren einen langen Weg hinter sich. Im ersten Teil unseres Überblicks haben wir die Frauen von Uhura bis Major Kira betrachtet, nun schlagen wir den Bogen vom ersten weiblichen Captain bis zu den aktuellen Frauenfiguren in „Star Trek: Picard“.
Madame Captain auf die Brücke!
In „Voyager“ war es endlich so weit: Die Serienmacher um Rick Berman gingen einen Schritt weiter, und mit Captain Kathryn Janeway (Kate Mulgrew) bekam zum ersten Mal eine Frau das Kommando auf der Brücke einer „Star Trek“-Serie. Wieder einmal übernahm das Franchise eine Vorreiterrolle, nachdem mit Benjamin Sisko (Avery Brooks) in „Deep Space Nine“ im Jahr 1993 ein schwarzer Befehlshaber in die Fußstapfen der Captains Kirk und Picard getreten war.
Wenngleich die Brückencrew der in den Delta-Quadranten gerissenen Voyager quantitativ nach wie vor männlich dominiert war, besetzte man zwei entscheidende Positionen auf der Odyssee durch die unbekannten Weiten weiblich: Die Rollen des Anführers und des Chefingenieurs, zwei bis dahin zutiefst männlich konnotierte Betätigungsfelder, lagen nun in den Händen von Captain Janeway und der ebenfalls nicht zu vernachlässigenden B'Elanna Torres (Roxanne Biggs-Dawson), einer streitbaren Halbklingonin, der man besser nicht in die Quere kam, wenn es um „ihren“ Maschinenraum ging.
„Voyager“ stellte also bereits 1995 eine Frau in den Mittelpunkt einer der größten Unterhaltungsmarken der Welt – heute eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Doch bekanntermaßen gibt es vor allem im Internet im fortschreitenden 21. Jahrhundert jedes Mal üble Reaktionen, wenn ein Franchise sich zum Schritt eines weiblichen Lead Characters entschließt. Mal zur Einordnung: Es sollte nach „Voyager“ zwanzig Jahre dauern, bis beispielsweise „Star Wars“ diesen Schritt im Jahr 2015 vollzog, und mit „Dr. Who“ folgte erst 2017 eine andere große SF-Serie diesem Beispiel – wir erinnern uns noch gut an den Shitstorm rund um diese Bekanntmachung.
Für „Star Trek“-Fans, die den Geist und die Entwicklung des Franchises verinnerlicht hatten, stellte Captain Janeway damals nichts Besonderes dar. In reaktionär-chauvinistischen Kreisen wurde allerdings durchaus ähnlich gerantet, wie es in den letzten Jahren bei anderen Franchises der Fall gewesen ist, mangels sozialer Netzwerke allerdings bei weitem nicht so ausufernd und öffentlichkeitswirksam. Das analoge Zeitalter hatte eben auch seine Vorteile!
Doch „Voyager“ lediglich auf Captain Janeway zu beschränken, würde der Serie Unrecht tun: Im Zuge des Abschieds von Kes (Jennifer Lien) kam mit der ehemaligen Borg Seven of Nine (Jeri Ryan) in der vierten Staffel eine neue weibliche Figur dazu, die – mal abgesehen von ihrem plakativen sexy Outfit – zu einer der stärksten und ikonischsten im gesamten „Trek“-Universum avancieren sollte. Gemeinsam mit ihr die verloren gegangene Persönlichkeit wiederzuentdecken, an der Entwicklung ihres Charakters teilzuhaben sowie gleichzeitig menschliche Verhaltensweisen aus einer einzigartigen Perspektive zu erleben und zu hinterfragen, ließ Seven bald über die vergleichsweise stereotyp angelegten Janeway und Torres hinauswachsen. Nicht umsonst kehrte Seven of Nine dieser Tage in „Star Trek: Picard“ zurück auf den TV-Schirm.