Weiter geht es mit unserer Kolumne über großartige Frauen in der Science-Fiction-Literatur. Mit Kate Wilhelm kehren wir in das goldene Zeitalter feministischer Science-Fiction zurück, in der auch Ursula LeGuin, Joanna Russ, James Tiptree Jr. und viele andere schrieben: die 1960er und 1970er!
Kate Wilhelm wurde 1928 in Ohio geboren und starb 2018 im Alter von 89 Jahren. Ihr wohl bekanntester Roman ist „Hier sangen früher Vögel“, für den sie einen Hugo und einen Locus-Award sowie eine Nebula- und Jupiter-Nominierung erhielt. Ihre Kurzgeschichten, Novellen und Romane wurden immer wieder für die größten Genre-Preise nominiert, und Wilhelm wurde 2003 in die Science-Fiction Hall of Fame aufgenommen. In der zweiten Hälfte ihrer Karriere wandte sie sich vor allem dem Krimi zu, und insgesamt verfasste sie um die fünfzig Science-Fiction- und dreißig Krimi-Werke (Romane, Kurzgeschichtensammlungen und Sachbücher).
Dabei waren ihre Weichen eigentlich erst einmal nicht darauf gestellt: Wilhelm heiratete mit 19 Jahren und bekam zwei Kinder. Mit den beiden besuchte sie häufig das Observatorium der Star Lane University und sagte, das habe ihren Blick für ein weites Universum geöffnet. Sie schrieb nachts, wie viele Autorinnen ihrer Zeit und davor parallel zur vor allem ihr obliegenden Sorgearbeit in der Familie.
‚Das kann ich auch!‘
Zur Entstehung ihrer ersten Kurzgeschichte sagte sie: „Ich war eine Hausfrau mit zwei kleinen Kindern. Ich hatte gerade eine Anthologie gelesen und mir gesagt: ‚Das kann ich auch!‘ Und so habe ich The Mile-Long Spaceship geschrieben und sie hat überzeugt.“
Diese erste Kurzgeschichte erschien 1956 im Magazin „Fantastic“ – sie wurde von da an eine regelmäßige Autorin für verschiedene Science-Fiction-Magazine, zunächst mit eher pulpigen Stories. In den Sechzigern war Wilhelm eine der wenigen Frauen, die erfolgreich unter ihrem eigenen Namen veröffentlichte. (41 ihrer Geschichten sind in diesem Frühjahr als limitierte Sammlerausgabe bei Centipede erschienen – und leider schon vergriffen!)
Ihr erster Roman hingegen spielte nicht in naher oder ferner Zukunft – es war der Mysteryroman More Bitter Than Death, der 1962 erschien. 1963 ließ sie sich von Joseph Wilhelm scheiden und heiratete ihren Kollegen und Lektor Damon Knight, den sie auf einer Schreibkonferenz kennengelernt hatte. Sie zogen gemeinsam ihre fünf Kinder aus früheren Ehen groß und bekamen ein gemeinsames Kind. Auch die Leidenschaft für Science-Fiction – und für Science-Fiction-Weiterbildung – teilten die beiden und veranstalteten zunächst die Milford Science Fiction Writers’ Conference, bevor sie Mitbegründer*innen der in den USA sehr berühmten Clarion Workshops wurden. Damit wurden sie von SF-Schreibenden auch zu Lehrenden im Genre und waren weltweit in Universitäten zu Gast. Auch noch nach Knights Tod 2002 führte Wilhelm ihre monatlichen Workshops bis zu ihrem Tod fort.
Psychologische Science-Fiction
Bei Wilhelm geht es nicht darum, wie die Technologie der Zukunft funktioniert, sondern wie sich diese Technologie auf die Menschheit auswirkt. Es geht beispielsweise um Medikamente, um Klonprozesse und Unsterblichkeit.
Wilhelm wandte sich früh einer eher psychologisch fundierten Science-Fiction zu. „Ihre Texte haben etwas Eindringliches, Hypnotisches, Unvergleichliches und Fremdartiges“, so Scott Bradfield in seinem Nachruf auf Wilhelm in der LA Times. Die Dimensionen von Menschlichkeit und menschlicher Psyche, oft mit Anleihen an Traumdeutung und C.G. Jung, werfen ihre Schatten als übersinnliche Elemente in ihre Geschichten, wie im Roman Margaret And I, in dem eine Protagonistin auf der Flucht vor ihrem Mann eine neue Identität annimmt und ihr eigenes Ich aus dieser Über-Ich-Perspektive zu betrachten beginnt.
Wilhelm sagte einmal, dass es nicht in ihrer Absicht lag, mit ihren Geschichten die Grenzen des Genres zu überschreiten – sie habe lediglich einen blinden Fleck in Bezug darauf, wo diese Grenzen verlaufen. Krimi- und Mystery-Elemente vermischen sich mit ihrer Faszination für Wissenschaft und Medizin. Oft stehen in ihren Geschichten Frauen im Mittelpunkt, die in wissenschaftliche oder politische Machenschaften und Machtdynamiken verstrickt werden. Und oft thematisiert Wilhelm, dass sich das Streben nach Macht in jeder menschlichen Beziehung äußert – selbst in den intimsten.