Alessandra Reß, 04.06.2020
Unsere Ressourcen sind endlich, der Klimawandel ist da und die Erde erhitzt sich immer mehr. Klingt dystopisch? Nicht für die Künstler*innen, die seit knapp zehn Jahren mit dem Solarpunk einer im wahrsten Sinne des Wortes strahlenden Zukunft entgegensehen.
So angenehm wir die Sonne im Sommer auch finden mögen – ist sie zentrales Settingelement in der Phantastik, so sieht es selten gut aus für die Lebensumstände der Erdbewohner. In Tim Fehlbaums Spielfilmdebüt „Hell“ beispielsweise kämpfen sich zwei Schwestern durch eine von Sonnenstürmen verheerte Erde, und auch in der „Mad Max“-Reihe erleben wir eine von der Sonne gezeichnete Postapokalypse.
Mit Lenkdrachen in eine neue Ära?
Einen anderen Weg wählt der Solarpunk: Auch hier müssen sich die Menschen den Folgen der Erderwärmung stellen. Doch sie versuchen, das Beste draus zu machen.
2008 machte gerade die Jungfernfahrt der Beluga SkySails von sich reden, ein Frachtschiff, das mit Lenkdrachen angetrieben wurde. Eine tolle Idee, die sich leider nicht durchsetzen konnte: 2011 ging die Beluga-Reederei pleite, im selben Jahr stellte die Hamburger SkySails GmbH die Produktion der Lenkdrachen ein. Zwar hatte sich die Technik bewährt, allerdings machten sinkende Ölpreise das Vorhaben unrentabel.
Ein in mehrfacher Hinsicht enttäuschendes Ende. Und doch machte die Technik Hoffnung und führte dazu, dass in einem Blogpost auf „Republic of the Bees“ der Solarpunk aus der Taufe gehoben wurde. Die Idee war anfangs, ebenso wie im gewissermaßen als Vorbild dienenden Steampunk, „alte“ und „neue“ Technologien zusammenzudenken. Während Steampunk allerdings im Bereich der Alternate History verortet wird, möchte Solarpunk realistische Möglichkeiten aufzeigen, wie erneuerbare Energien und insbesondere Solar- und Windtechnologie der Ressourcenknappheit der Zukunft begegnen können. Kein Wunder also, dass Solarpunk einen sehr engen Schulterschluss mit Wissenschaftler*innen und innovativen Unternehmer*innen pflegt.
Literarisch wird in dem Blogpost – allerdings eher scherzhaft – Norman Spinrads „Songs from the Stars“ von 1985 als geistiger Vater des Genres genannt. Als weitere Vorläufer können Kim Stanley Robinson mit der „California“- und der „Mars“-Trilogie, Ursula K. LeGuin mit „Always coming home“, Poul Anderson mit „Orion wird sich erheben“ oder Starhawks „Das fünfte Geheimnis“ gesehen werden.
Infrastruktur als Widerstand
So kurz der Blogpost auch war, die Idee vom Solarpunk fand insbesondere im südamerikanischen Raum Anklang. In Brasilien erschien 2012 mit „Solarpunk: Histórias ecológicas e fantásticas em um mundo sustentável“ eine von Gerson Lodi-Ribeiro herausgegebene Anthologie mit Kurzgeschichten und Essays, die die Ideen der neuen Bewegung literarisch festhielt. 2014 wiederum veröffentlichte Adam Flynn auf der Webseite des Projekts Hieroglyph den ersten Versuch in Richtung eines Manifests, in dem es unter anderem heißt: „We’re solarpunks because the only other options are denial or despair.“ [Hervorhebung im Original] Es geht darum, der Angst vor der Zukunft innovative infrastrukturelle Ideen zur Rettung der Menschheit entgegenzustellen. Das Suffix -punk, so wird im Text weiter betont, folgt dabei nicht einem Trend, sondern verweist auf „opposition that begins with infrastructure as a form of resistance“ [Hervorhebung im Original]. Ein ausführliches Manifest im Namen der Solarpunk Community erschien schließlich 2019. Die meisten dieser Veröffentlichungen werden dabei bewusst nicht mit bestimmten Verfasser*innen in Verbindung gebracht, denn der Gemeinschaftsgedanke ist ein zentrales Element.