Christian Handel, 03.05.2023
Als wir sie selbst besucht haben, konnten wir gar nicht erwarten, ihnen wieder zu entkommen: die Schule und die Uni. In Phantastik-Büchern lieben wir allerdings diese Orte als Setting magischer Geschichten, und das nicht erst seit der Erfindung von Hogwarts. Christian Handel über magische Orte des Lernens.
Wieso ist das so? Liegt es vielleicht daran, dass wir aufgrund unserer eigenen Erfahrungen sowohl die Probleme als auch die Erfolge von Schülern und Studenten nachempfinden können? Ist der Grund, dass wir uns selbst einen magischeren Alltag gewünscht hätten? Autorinnen und Autoren berichten, dass dieses Setting sich als wunderbarer Schmelztiegel eignet: Eine Gruppe mitunter sehr unterschiedlicher Charaktere auf engstem Raum, die sich dort zwar mit Lehrerinnen und Lehrern, nicht aber mit Eltern herumschlagen müssen. Das sorgt für Zündstoff und Emotion, und das überträgt sich natürlich auch beim Lesen.
Was es auch ist: Es gibt zahlreiche Einzeltitel und Romanserien, die an magischen Schulen und Universitäten spielen. Fünf besonders ungewöhnliche Exemplare stellen wir euch heute vor:
Black Forest High | Nina MacKay
Gut verborgen im Schwarzwald liegt ein Internat, das seine Schüler in ganz speziellen Fächern unterrichtet: Auf der Black Forest High werden Exorzisten, Geisterjäger und Geisterseher ausgebildet. Aber das ist noch nicht alles: Poltergeister treiben ihr Unwesen im Gemäuer, es gibt eine mysteriöse Arbeitsgruppe, von der niemand etwas wissen darf, Absolventen verschwinden spurlos und Türen öffnen sich nur, wenn man vor ihnen einen Stepptanz aufführt oder einen Flachwitz erzählt. Seven, die Protagonistin von Nina MacKays Trilogie, zieht gemeinsam mit ihrem besten Freund Remi in die Black Forest High ein – und das, obwohl Remi selbst ein Geist ist und Seven eigentlich gar nicht auf der Schule sein sollte. Ursprünglich galt nämlich nicht sie, sondern ihre Schwester Nova als "Auserwählte". Aber Nova ist tot. Und dadurch hat Seven jetzt jede Menge Probleme. Nina MacKays fantastische Geschichten zeichnen sich immer durch eine ordentliche Portion Humor aus. Gepaart mit seiner actionreichen Handlung ist diese Reihe genau das Richtige für Freunde von Geistergeschichten und Internatsromanen.
Krabat | Otfried Preußler
Bereits in seiner Sagenadaption von 1971 beschrieb der deutschsprachige Schriftsteller Otfried Preußler (Die kleine Hexe) eine magische Schule – allerdings eine der ganz anderen Art. Die "Schwarze Schule" in Krabat steht nur zwölf Schülern gleichzeitig offen, und alle davon müssen männlich sein. Die Schule befindet sich in einer Mühle in der Oberlausitz. Tagsüber schuften die Müllergesellen in den Mahlkammern, nachts unterrichtet ihr Meister sie in der Kunst der schwarzen Magie. Zunächst ist Krabat, der Protagonist des Romans, begeistert von seinem neuen Leben – auch wenn es wie an jeder anderen Schule eine Hackordnung unter den Gesellen gibt. Mit der Zeit begreift er allerdings, wie gefährlich das Spiel mit der dunklen Kunst ist, und dass Hexerei einen grausamen Preis fordert. Es braucht List, Liebe, Opferbereitschaft, Vertrauen und Mut, um der tödlichen Bedrohung zu entkommen, die von der Schwarzen Mühle ausgeht. Preußlers moderne Klassiker spielt im Sorbien des 17. Jahrhunderts und basiert auf Sagen aus dieser Gegend. Trotz der fünfzig Jahre, die er bereits auf dem Buckel hat, erweist er sich auch heute noch als intensives Leseerlebnis.
The Atlas Six – Wissen ist tödlich | Olivie Blake
Noch exklusiver als die Schwarze Mühle ist das Ausbildungsprogramm der Alexandrinischen Gesellschaft - eine jahrtausendealte Geheimorganisation, die längst verloren geglaubtes Wissen hortet. Nur alle zehn Jahre nimmt die Gesellschaft sechs neue Anwärter an: Auserwählte, deren magische Fähigkeiten besonders herausragend sind – seien es Telepathen, Illusionisten oder Naturmagier. Der Haken: Während ihrer Probezeit müssen die Adepten damit umgehen, dass sie ebenso Verbündete sind wie Konkurrenten. Denn in die Gesellschaft aufgenommen werden schlussendlich nur fünf der sechs Kandidaten. Und einer von ihnen muss sterben. Olivie Blakes Figuren sind etwas älter als jene in den vorgenannten Büchern und zudem korrupter und kaputter. Kein Actionplot trägt die Handlung, sondern die Interaktion der sechs Charaktere – denn sie verbringen viel Zeit miteinander auf engstem Raum. Fetzen fliegen ebenso wie Funken und Sex gibt's auch. Außerdem beschäftigen sich die Adepten – und damit die Lesenden – mit Fragen wie: Was bist du bereit, für ein Ziel zu opfern? Ist Wissensgewinnung und Wissensbewahrung um jeden Preis noch immer ein hehres oder aber zumindest ein notwendiges Ziel? Wer auf Dark Academia-Vibes und komplex ausgearbeitete Figuren steht, sollte unbedingt zu The Atlas Six greifen.