Corum
Corum dürfte neben Elric der beliebteste Held Moorcocks sein. Der Prinz gehört zum älteren, langlebigen Volk (damals wurde das auch im Deutschen noch als Rasse bezeichnet) der Vadagh an, das sich der Wissenschaft verschrieben hat, die von der aufstrebenden, aber eher primitiven Menschheit als Zauberei angesehen wird, weshalb sie die Vadagh nicht nur vertreiben, sondern vernichten. Damit ist Corum der letzte seiner Art und wird in den Kampf zwischen Ordnung und Chaos gezogen. Im Prinzip verliert er alles, was ihm lieb war, dazu noch seine Hand und ein Auge (er ist somit einer der ersten Helden der Fantasy mit Behinderung). Die Hand wird später durch eine magische ersetzt, die Wesen von anderen Ebenen herbeirufen kann und er bekommt auch ein neues Auge, mit dem er verschiedene Existenzebenen auf einmal sehen kann, was ihn oft überfordert und eine Augenklappe tragen lässt.
Bevor alles in einer für Moorcock typischen epischen Schlacht zwischen Chaos und Ordnung mündet, muss der zunächst noch nach Rache dürstende Corum allerlei Abenteuer in bester Sword-&-Sorcery-Manier auf den unterschiedlichsten Welten und Ebenen bestreiten. Abenteuer, denen aber anzumerken ist, dass sie nicht wie Conan während des Golden Age geschrieben wurden, sondern in den 1960ern bzw. im Fall von Corum zu Beginn der 70er, was sie teils recht psychodelisch wirken lässt.
Sechs Bände gibt es, die aufeinander aufbauen und eine abgeschlossene Geschichte erzählen, wobei ich persönlich vor allem die ersten drei sehr stark fand, während vier bis sechs nur noch aus Variationen der Vorgänger bestehen. Es heißt, Moorcock habe die ersten drei innerhalb einer Woche runtergeschrieben. Die Länge eines Bandes liegt hier allerdings in der Regel unter 200 Seiten. In den 1960ern und 70ern wurde sich in der Fantasy eher kurzgefasst.
Zu dem deutschen Sammelband Das Buch Corum gehören die sechs Romane Der scharlachrote Prinz, Die Königin des Chaos, Das Ende der Götter, Das kalte Reich, Der gefangene König und Das gelbe Streitross. Die deutsche Übersetzung stammt von Lore Straßl und Michael Görden.
Falkenmond (Hawkmoon)
Die Abenteuer um Dorian Falkenmond, dem Herzog von Köln, spielen in einer postapokalyptischen Version unserer Welt (inklusive popkultureller Anspielungen), in der ein düsteres britisches Imperium die Welt mittels phantastisch anmutender Technologie beherrscht, während der Rest der Länder auf dem technischen Stand des Mittelalters lebt. Ein britisches Reich, das an Nazi-Deutschland erinnert, ist Moorcocks Kommentar zur Kolonialpolitik seines Geburtslandes. Hinzu kommen sehr eigene soziale Gepflogenheiten, wie das Tragen von Tiermasken, die für die Gildenzugehörigkeit in einem technokratisch organisierten System stehen.
Falkenmonds Markenzeichen ist das in seine Stirn eingelassene schwarze Juwel, das ihm von seinen Feinden verpasst wurde, um ihn unter Kontrolle zu halten. Sein Ziel ist es, herauszufinden, wie er das Juwel ausschalten kann, um mit seiner großen Liebe, der Tochter von Graf Brass in Frieden leben zu können.
Auf Deutsch sind die Bände zuletzt Ende der 90er in einem Sammelband erschienen. Der enthält nicht nur jene vier Bände, die zur Falkenmond- bzw. Runenstab-Reihe gezählt werden (Ritter des schwarzen Juwels, Feind des dunklen Imperiums, Kämpfer der Morgenröte und Diener des Runenstabs, sondern auch die drei aus der Chronik von Burg Brass geführt werden (Graf Brass, Der Held von Carathrom und Die Suche nach Tanelorn) und stärkere Bezüge zum Mythos um den ewigen Helden haben als die ersten vier. Die Suche nach Tanelorn schließt auch den Zyklus um den ewigen Helden ab, bildet also den chronologischen Schlussstrich unter der Reihe.
Die Bücher sind schon ein großer Spaß für jene, die auf klassische Abenteuer-Fantasy mit politischen Untertönen stehen, aber sie sind auch sehr episodenhaft und sprunghaft und stets nach dem gleichen Handlungsschema gestrickt, die Figuren wenig ausgearbeitet und Moorcocks Schreibstil ist hier eher mittelprächtig, da er alles auf die Schnelle runtergeschrieben hat, ohne es später noch in Ruhe zu überarbeiten. Die deutsche Übersetzung stammt von Lore Straßl und Lore Grixa.
Dass Elric, Corum und Falkenmond das Herzstück der Saga um den ewigen Helden bilden, ist auch daran zu erkennen, dass alle drei in den Geschichten der jeweils anderen auftauchen, um eine Aufgabe zu erledigen, die sie nur gemeinsam meistern können.
John Daker/von Bek
John Daker ist der eine ewige Held, der sich an seine vorangegangenen Leben erinnert und über seine Bestimmung Bescheid weiß. Er ist auch der erste aller Helden, der das Licht der Welt erblickte. Was 1957 als Kurzgeschichte begann, wurde zunächst 1962 eine Novelle und schließlich 1970 der Roman Die ewige Schlacht.
John Daker, im Sammelband Der ewige Held bei Bastei Lübbe erschienen) bietet einen guten Einstiegspunkt in Moorcocks Multiversum, wobei der Autor selbst die von-Bek-Bücher (The War Hound and the World’s Pain uund The City in the Autumn Stars) dafür vorschlägt. Das ewige Schwert wird teilweise auch als von-Bek-Roman gezählt, da es um einen Nachfahren von Ulric von Bek geht, der John Daker als Gefährte begleitet, weshalb es auf Deutsch auch im entsprechenden Sammelband gelandet ist.
Dass John Daker nie so erfolgreich und bekannt wurde wie Corum, Falkenmond und Elric, liegt sicher auch daran, dass die Mischung aus 20. Jahrhundert und der Handlung auf einer anderen Ebene in Die ewige Schlacht, wo Daker in Inkarnation als Erekosë gegen eine fremde Macht kämpf, die an Tolkiens Elben erinnert, zu ungewöhnlich für die breite Fantasyleserschaft war. Während Phoenix in Obsidian, wo Daker als Urlik Skarsol in frostiger Landschaft wiedergeboren wird, nicht wirklich eine Erwähnung wert ist.
In den Von-Bek-Romanen geht es um verschiedene Mitglieder der gleichnamigen Familie. Den Auftakt macht Ulric von Bek: Während des Dreißigjährigen Krieges schließt von Bek einen Pakt mit Luzifer, der ihm den Auftrag gibt, den Heiligen Gral zu finden, um sich bei Gott einzuschmeicheln, was von Bek auf zahlreiche Abenteuer im Multiversum bringt. Hier schlägt Moorcock also, von John Miltons Das verlorene Paradies inspiriert, die Verbindung von Ordnung und Chaos zu unserer christlichen Mythologie.
In The City in the Autumn Stars geht es dann mit Manfred von Bek weiter, der im 18. Jahrhundert während der Terrorherrschaft der Französischen Revolution die Suche nach dem Gral fortführt. Weitere von Beks tauchen unter anderem in Das Bordell in der Rosenstraße (kein Fantasy-Roman) und in der Oona-von-Bek-Reihe auf, die mit Die Tochter der Traumdiebe beginnt und in Deutschland auch als Elric-Reihe betitelt wird (wobei die Bände 2 und 3 nie auf Deutsch erschienen sind), weil der auch darin auftaucht – allerdings nur als Nebenfigur.
In Das ewige Schwert (dem dritten Band in Der ewige Held) trifft John Daker also auf einen von Bek, der nach einem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler in eine alternative Dimension geflohen ist. Hier wird auch der Ursprung von Elrics Schwert erzählt.
Doch bevor das hier zu sehr eskaliert, ziehe ich einen Schlussstrich unter die Vorstellung der unterschiedlichen Inkarnationen des ewigen Helden. Falls ihr noch tiefer in die unterschiedlichen Personifizierungen eintauchen wollt, empfehle ich die Video-Essay des Youtube-Kanals The Library Ladder, die einen umfassenden (wenn auch noch nicht abschließenden) Überblick über Moorcocks Werk liefern.