Alessandra Reß, 27.07.2022
Wer oder was waren die Druiden der keltischen Gesellschaft? Während sich die Gelehrten bis heute über die Details streiten, hat die Fantasy durch verschiedene Subgenres hinweg eigene Antworten gefunden. Alessandra Reß stellt sie uns vor.
Weißer Rauschebart, weißes Gewand, blaue Schuhe, roter Umhang, eine goldene Sichel an der Seite: Miraculix, der gallische Druide, der in den „Asterix“-Comics den Zaubertrank braut, dürfte hierzulande nach wie vor für viele der erste Vertreter seiner Zunft sein, mit dem Leser*innen in Kontakt kommen. Da baut sich schnell das Bild der Druiden als bloße keltische Variante von Zauberern auf, zumal Miraculix keineswegs der einzige Druide ist, der diesem Klischee entspricht – schon gar nicht in der Fantasy. Mit dem Druidentum der Kelten hat das allerdings nur am Rande zu tun.
Druiden, die „besonders weit Sehenden“
Allerdings ist es gar nicht so leicht, herauszustellen, was ein Druide denn stattdessen ist oder war. Schon bei der Frage nach der Wortbedeutung streiten sich die Gelehrten. Oft findet sich die Information, der Begriff gehe auf das griechische drus für „Eiche“ zurück. Jean Markale, der mit „Die Druiden“ eine Art Grundsatzwerk verfasst hat, spricht sich eher dafür aus, den Ursprung im keltischen druwides zu suchen, was sich demnach als „die besonders weit Sehenden“ oder „weit Wissenden“ übersetzen lässt.
Womit wir dem Wesen des Druidentums schon näher kommen, das laut Markale „die Gesamtheit aller religiösen, intellektuellen, künstlerischen, sozialen und wissenschaftlichen Konzeptionen der Kelten vor ihrer Konversion zum Christentum“ bezeichnet (Markale, Jean: „Die Druiden“, München 1989, S. 8.). Was zugegebenermaßen nicht besonders konkret ist. Relativ sicher ist aber damit, dass das Druidentum ein verbindendes Element der sehr heterogenen keltischen Zivilisation war. Die Druiden stellten eine Klasse dar, zu der grundsätzlich jeder Zugang hatte – übrigens auch Frauen, wie z. B. ein römischer Bericht über die Bewohnerinnen der Île de Sein nahelegt. Die Organisation erfolgte über Stammes- und sogar heutige Landesgrenzen hinweg und es gab transnationale Versammlungsorte der Druiden, die als Heiligtümer und Ausbildungsstätten dienten. Einer dieser Orte befand sich auf der heutigen Insel Anglesey, ehe er 60 n. Chr. von Gaius Suetonius Paulinus in Folge des Boudicca-Aufstands zerstört wurde.
Von griechischen und römischen Autoren wurden die Druiden mal als Philosophen, mal als Magier, als Seher, Sänger und Dichter (=Barden) oder eine Art Priesterschaft bezeichnet. Tatsächlich erfüllten die Druiden entsprechende Funktionen, zudem konnten sie Markale zufolge als Richter, Heilkundige, Weitergebende von Mythen, Diplomaten und Botschafter, bei Bedarf sogar als Krieger in Erscheinung treten. Sie berieten König oder Königin und konnten ihnen Einschränkungen auferlegen. Die Worte und Weisungen von Herrschenden und Druiden hatten dabei gleichermaßen Gewicht, sie waren aneinander gebunden.
In Mythen verdrängt
Historische Druiden wie Diviciacus sind heute vor allem durch die Berichte Cäsars bekannt. Mehr Vielfalt bieten mythologische Druiden und Druidinnen. Zu ihnen zählen der hoch geachtete Cathbad, der Wahrsager Bec mac Dé, die für Dublin namensgebende Dubh, der zauberkundige Mog Ruith und dessen Tochter Tlachtga, oder Fedelma, der im altirischen Epos „Táin Bó Cúailnge“ eine ähnliche Rolle zukommt wie der trojanischen Kassandra. In Mythen findet sich auch die typische Partnerschaft zwischen Druiden und Königtum: Merlin und Uther Pendragon, Merlin und Artus, Conchobar und Cathbad, Maeve und Calatin handeln stets in Bezug aufeinander. Die Figur des Merlin zeigt dabei besonders deutlich, wie eng heute Vorstellungen von Druiden und Zauberern verknüpft sind.
Vom „ursprünglichen“ Druidentum ist heute nicht mehr viel übrig. Markale sieht die Gründe für den Niedergang der Institution vor allem im Unterrichtsverbot, das die Römer den Druiden auferlegt hatten. Im Verborgenen gaben einige ihr (kaum schriftlich festgehaltenes) Wissen wohl dennoch weiter, mit der Zeit dürfte sich das Interesse daran aber gelegt haben, da die gesellschaftliche Bedeutung verschwand. Im Zuge der Christianisierung erhielt das Druidentum zudem den negativen Beigeschmack der Zauberei, teils galten Druiden als Briganten.
Phantastische Wiederkehr
Wie aber kommt es dann, dass wir heute wieder ein relativ klares Bild dieser Klasse haben? Vieles hängt an Cäsars „De bello Gallico / Der Gallische Krieg“, was im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde, und was ein breiteres Bewusstsein über die Kelten zurückbrachte. Barry Cunliffe, Autor von „Druids“, vermutet, dass die daraufhin ansteigende Popularität und Selbstassoziation mit den Kelten in Frankreich (v. a. der Bretagne) und auf den britischen Inseln zum einen mit einem Verlangen nach kultureller Identität zusammenhängt. Zum anderen aber auch mit dem Bild des „edlen Wilden“, das sich damals in Europa unter dem Einfluss von Berichten über die indigenen Völker Amerikas verbreitete.
Die populären Assoziationen, die heute von Druiden existieren, lassen sich zum Großteil auf die Phantasie von Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts zurückführen: 1649 veröffentlichte John Aubrey eine Schrift, in der er Megalith-Strukturen wie Stonehenge als Tempel der keltischen Priester, der Druiden also, darstellte. Ein Irrtum, der jedoch im Folgenden immer wieder aufgegriffen wurde – u. a. von Henry Seymour Conway, der 1788 einen Steinkreis auf Jersey zum Druidentempel erklärte, oder William Danby, der sich kurzerhand sein eigenes Heiligtum baute. Diese Beispiele sorgen bis heute für eine enge Assoziation von Druidentum und Monolithen.
Für das heutige Bild der Druiden als alte Männer mit Wallebart und Tunika wiederum ist Aylett Sammes verantwortlich, der ein entsprechendes Bild 1676 in der „Britannia Antiqua Illustrata“ veröffentlichte. Die Darstellung wurde u. a. von Henry Rowlands und William Stukeley kopiert, die noch Eichenblatt und -baum hinzufügten. Literarisch reproduziert wurde das Bild u. a. von John Ogilvie in dessen Gedicht „The Fane of the Druids“.