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13 der besten Horrorbücher aller Zeiten

13 der besten Horrorbücher aller Zeiten
© midjourney

Markus Mäurer, 19.10.2022

Halloween steht vor der Tür. Unser Redakteur Markus Mäurer stellt euch 13 gruselige Lesetipps für die schaurige Zeit vor. Darunter einige der besten Horrorbücher aller Zeiten. Von Klassikern bis zu modernen Werken.
 

Halloween steht vor der Tür. Unser Redakteur Markus Mäurer stellt euch 13 gruselige Lesetipps für die schaurige Zeit vor. Darunter einige der besten Horrorbücher aller Zeiten. Von Klassikern bis zu modernen Werken.

Ursprünglich wollte ich diesen Artikel die 13 besten Horrorbücher aller Zeiten nennen, aber das erschien mir doch etwas zu clickbaitig und anmaßend. Das hier sind natürlich nicht DIE 13 besten Horrorbücher aller Zeiten, sondern 13 DER besten Horrorbücher aller Zeiten. Um der Vielfalt des Genres und der Zahl der großartigen Bücher halbwegs gerecht zu werden, bedarf es eigentlich einer Liste, wie wir sie mit den 100 besten Fantasybüchern aller Zeiten oder den 100 besten Science-Fiction-Bücher aller Zeiten mittels Leserschaft und Jury ermittelt haben.

Ich habe versucht, die Zahl der bekannten Klassiker auf dieser Liste relativ gering zu halten, damit eben nicht nur die üblichen Verdächtigen auftauchen, die sowieso schon alle kennen. Aber alle konnte ich mir dann doch nicht verkneifen. Und ich habe die Liste auch relativ modern gehalten, in der Hoffnung, dass hier viele Leser*innen noch den einen oder anderen aktuellen Titel für sich entdecken. Wer mehr über die Vielfalt des Horrorgenres in der Literatur wissen möchte, kann meinen dreiteiligen Artikel Alles, was ihr über Horror wissen müsst lesen.

Dracula | Bram Stoker (1897)

Wer nur die Verfilmungen und Pastiches kennt, dürfte ein falsches Bild von diesem Roman haben. Swantje Niemann hat erst kürzlich in ihrem Artikel zu schwarzromantischen Erzählstrukturen erklärt, was diesen Briefroman, der vor allem aus Korrespondenz der Protagonist*innen besteht, so besonders macht und warum er auch heute noch relativ modern wirkt. Kein anderer Roman dürfte das Horrorgenre und den Vampir-Mythos so geprägt haben, wie die Geschichte von Jonathan Harker, seiner Verlobten Mina und den düsteren Ränken des rumänischen Grafen Dracula, der gegenüber einer jungen Frau mehr als übergriffig wird.

Es gibt mehrere Übersetzungen, die aktuellste ist von Andreas Nohl.

Spuk in Hill House | Shirley Jackson (The Haunting of Hill House, 1957)

Wohl der Klassiker des Spukhausromans, der mit illustrem Figurenensemble, psychologischer Raffinesse und subtilem Grusel Standards setzte. Dr. John Montague erforscht paranormale Phänomene und hat drei Personen mit Verbindungen zu übernatürlichen Ereignissen eingeladen, um herauszufinden, ob Hill House unter diese Kategorie fällt. Der Grusel baut sich im Verlauf der Handlung sehr langsam und - wie erwähnt – sehr subtil auf, wodurch er eine ungleich tiefergehende und beunruhigende Wirkung entfaltet, die sich nicht allein auf übernatürliche Phänomene stützt, sondern auch auf der psychologischen Dynamik der Figuren untereinander fußt und den emotionalen Belastungen aus ihrer Vergangenheit. Die Netflix-Serie Hill House ist übrigens eine herausragende Horrorserie, hat mit der Buchvorlage aber nur wenig gemein. Da empfehle ich eher die Verfilmung Bis das Blut gefriert von 1963.

Die aktuellste Übersetzung stammt von Eva Brunner.

Interview mit einem Vampir | Anne Rice (Interview with the Vampire, 1976)

Der moderne Klassiker unter den Vampirromanen, der dem Genre (auch vor der gelungenen Verfilmung mit Brad Pitt und Tom Cruise schon) neues Unleben eingehaucht hat. Durch den Reporter, der den Vampir Lestat zu dessen Lebensgeschichte interviewt, bleibt Rice dabei trotzdem ein wenig der berichtsartigen Erzählstruktur von Dracula treu. Es folgten zwölf, mal mehr, mal weniger gelungene, Fortsetzungen, die letzte 2018, von denen die letzten drei aber nicht mehr auf Deutsch erschienen sind. Anne Rice verstarb 2021, ihr Vermächtnis bleibt aber lebendig, aktuell auch durch eine Serienadaption von Interview mit einem Vampir.

Deutsche Übersetzung von Karl Berisch und C. P. Hofmann.

Die Bücher des Blutes | Clive Barker (Books of Blood, 1984)

Als Horror-Altmeister Ramsey Campbell das Manuskript zu Clive Barker Büchern des Blutes las, sei ihm die Kinnlade runtergeklappt, berichtete er. Denn so was radikal Gutes und vor allem Neuartiges hatte er im Genre bis dato nicht gelesen. Barker hob den Horror in den 1980ern nicht nur durch seine Hellraiser-Verfilmung, sondern auch durch seine Kurzgeschichtensammlung mit den sechs Büchern des Blutes auf eine neue Ebene. Die Storys selbst präsentieren sich sehr vielseitig, mal äußerst brutal, mal abgründig, mal poetisch und subtil, aber immer sehr originell und visionär.

Deutsche Übersetzung von Peter Kobbe

Es | Stephen King (It, 1986)

Mit Pennywise hat Stephen King im Prinzip das perfekte Monster erschaffen, das einem als die Verkörperung der eigenen größten Ängste erscheint. Und auch wenn Ray Bradbury mit Das Böse kommt auf leisen Sohlen schon vorher da war, ist Es die Mutter aller Coming-of-Age-Horrorromane, die danach erschienen sind. Auch mich hat er damals als zwölfjährigen Leser für die Zukunft stark geprägt. Die Kleinstadt mit der bedrohlichen Atmosphäre; die ignoranten Erwachsenen, die die Kindermorde einfach ausblenden; und die Jugendlichen natürlich, die als Einzige dem Grauen auf die Spur kommen und dem Schrecken Einhalt gebieten können. Clever erzählt auf zwei Zeitebenen, die unbarmherzig verdeutlichen, was es bedeutet, erwachsen zu werden, welche Verluste damit einhergehen, welchen Zauber wir im Lauf der Jahre verlieren. Zweimal wurde dieses Meisterwerk verfilmt, zuletzt extrem erfolgreich mit zwei Kinofilmen, die zeigen, dass die Vorlage nichts an Aktualität verloren hat.

Deutsche Übersetzung von Joachim Körber, Alexandra von Reinhardt und Anja Welligmann.

Verlorene Seelen| Poppy Z. Brite (Lost Souls, 1992)

Hinter Poppy Z. Brite steckt der trans Mann Billy Martin, der seinen Namen erst im Laufe seiner Karriere geändert hat. Da die Bücher aber weiter unter dem Künstlernamen Poppy Z. Brite erhältlich sind, ist es wohl okay, ihn auch weiter zu verwenden. Lost Souls ist sein Debütroman, der nach Erscheinen für viel Aufsehen sorgte. Eine Vampirgeschichte im modernen Amerika - unter anderem New Orleans – über, vorwiegend jugendliche, gesellschaftliche Außenseiter auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Sehr einfühlsam und mitreißend geschrieben, teils sogar etwas poetisch. Die Vampire im Roman sind eine Spezies für sich, keine Menschen, die in Untote verwandelt werden.

Es gibt eine deutsche Übersetzung, von der aber dringend abgeraten wird, auch von Brite selbst. Das Cover der deutschen Ausgabe ist auch zum Davonlaufen und deutet schon an, dass der Verlag das Buch nicht einmal im Ansatz verstanden hat (es geht um moderne Teenager und Gothic-Musik á la Bauhaus, nicht um romantische Bela-Lugosi-Vampirfilmklassiker). Was auch der unterirdische Klappentext zeigt. Das Buch Ist aber sowieso schon lange auf Deutsch vergriffen.

Wer neben Poppy Z. Brite noch Horrorliteratur von einer trans Frau lesen möchte, sollte mal einen Blick auf die Werke von Haily Piper werfen, z. B. The Worm and his Kings, aber vor allem Queen of Teeth.

The Graveyard Apartment | Mariko Koike (1993)

Mit The Graveyard Apartment der japanischen Autorin Mariko Koike befindet sich ausnahmsweise auch ein Buch auf der Liste, das noch nicht auf Deutsch erschienen ist (in der Hoffnung, dass sich das bald ändern wird). Horror aus Japan kommt (siehe Ring von Koji Suzukii) oft in ruhiger Form mit langsamem Spannungsaufbau daher. Dieser Roman ist ein subtiler Grusler, in dem es mehr um Familiendynamik als den übernatürlichen Schrecken geht, auch wenn der dramatische Folgen für die Familie hat. Richtig gut geschrieben, mit fein ausgearbeiteten Hauptfiguren, in einem für Japan erstaunlich modernen Setting eines Apartmentkomplexes, der die Bewohner*innen das Fürchten lehrt.

Englische Übersetzung aus dem Japanischen von Deborah Boliver Bohem.

Das Haus – House of Leaves | Mark Z. Danielewski (2000)

Für mich ist House of Leaves das erste große Horrormeisterwerk des neuen Jahrtausends. Ein postmodernes Labyrinth, das seine Leserschaft ebenso in verwinkelte Abgründe zieht, wie Protagonist Will Navidson, der eines Tages feststellt, dass sein Haus von innen größer ist als von außen. Was ihn zu einer Expedition in ein sich anscheinend unendlich erstreckendes Kellerlabyrinth führt. Obwohl uns Navidson mit in seinen Abgrund zerrt, sind wir nicht direkt dabei. Nein, wir erfahren von dem Dokumentarfilm nur aus zweiter Hand. Der mysteriöse und blinde Zampano hat eine wissenschaftliche Abhandlung über den „Navidsonrecord“ und seine Entstehung geschrieben. Wie er den Film sehen konnte, bleibt sein Geheimnis. Doch Zampano ist längst unter ungeklärten Umständen verstorben. Seine Geschichte und die Geschichte seines Manuskripts erfahren wir durch die eingeschobenen, teils seitenlangen Fußnoten von Johnny Truant, die er neben Zampanos Fußnoten ergänzt hat. Auf der vierten Ebene gibt es noch die Fußnoten der Herausgeber, die unter Truants Randbemerkungen stehen.

Klingt kompliziert, ist es auch, weshalb ich hier ausnahmsweise auf meine ausführliche Besprechung verlinke, aber wer sich auf diese sperrige Konstruktion einlässt, wird mit einem unheimlichen Sog belohnt, dessen Grusel schleichend und auf clever konstruierte Weise eine langfristige Wirkung entfaltet.

Deutsche Übersetzung von Christa Schuenke.

Hiobs Spiel | Tobias O. Meißner (2002)

Eine solche Liste kann ich ja schlecht anlegen, ohne nicht zumindest auch einen deutschsprachigen Titel draufzupacken. Da böten sich natürlich einige große Klassiker an, wie Gustav Meyrink oder Hanns Heinz Ewers, aber ich habe mich für ein relativ aktuelles Buch entschieden, das viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als es bisher erhalten hat. Denn Hiobs Spiel ist ein hoch ambitioniertes Werk, das einiges wagt, und versucht, neue Wege zu beschreiten. Jetzt nicht ganz auf dem Niveau von House of Leaves, aber doch auf sehr gelungene postmoderne Weise. Was es aber auch zu einem Buch macht, das nicht immer ganz einfach zu lesen ist. Hiob Montag, der um das Schicksal der Welt gewettet hat, muss ihre grausigsten Schauplätze aufsuchen und sich in die Niederungen der menschlichen Grausamkeit begeben. Jede, dieser Episoden ist in einem anderen Stil verfasst. Ursprünglich wurde das Projekt auf 50 Jahre und eine unbestimmte Zahl von Bänden angelegt, 2018 erschien Band 4 (Weltmeister) im 25. Jahr.

Der Historiker | Elizabeth Kostova (The Historian, 2005)

Wer einen wirklich außergewöhnlichen Vampirroman lesen möchte, ist bei Elizabeth Kostovas Der Historiker an der richtigen Adresse. Als historisches Puzzle angelegt, orientiert sich das Buch eher an Umberto Ecos Das foucaultsche Pendel, denn an den üblichen Genrekonventionen, auch wenn Graf Dracula persönlich auftaucht und es sich ebenfalls um einen Briefroman handelt. Manche Lesenden könnten die 800 Seiten als etwas langatmig empfinden, mich hat dieser Brocken förmlich in sich hineingezogen. Im Prinzip ist es die tragische Geschichte einer Familie, deren Tochter dem Familiengeheimnis auf die Spur kommen möchte und dabei in einer düsteren Verschwörung landet.

Deutsche Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence.

Terror | Dan Simmons (2007)

Ich hätte auch Simmons Sommer der Nacht nehmen können, aber mit Kings Es haben wir schon ein ähnlich gelagertes Werk auf der Liste. Terror hingegen ist eine außergewöhnliche und herausragende Mischung aus Historienroman und Horror. Auf fiktive Weise erzählt der Autor die Geschichte der Franklin-Expedition mit den Schiffen HMS Erebus und HMS Terror nach, die 1845 in der Arktis verschollen ging. Angereichert mit einem Horrorelement, das angesichts der frostigen Schrecken des Überlebenskampfs gar nicht nötig gewesen wäre, die Geschichte meiner Meinung nach aber auch nicht schlechter macht. Auch wenn sie einer der häufigsten Kritikpunkte an dem Roman ist. Am meisten Spaß dürfte die Lektüre im Winter machen, wenn es draußen schneit und friert. Die Serienadaption von AMC ist auch ganz gut gelungen.

Deutsche Übersetzung von Friedrich Mader.

Ghost Summer: Stories | Tananarive Due (2015)

Ghost Summer von Tananarive Due ist eine großartige Kurzgeschichtensammlung, die meist leichte Horrorelemente mit afroamerikanischer Geschichte und berührenden persönlichen Schicksalen verbindet, in denen oft jene Gespenster der Sklaverei, der Segregation und des Rassismus auftauchen, von denen die amerikanische Gesellschaft heute noch heimgesucht wird. Highlight ist die titelgebende Coming-of-Age-Story, über einen afroamerikanischen Jungen, der bei den Großeltern mit der schrecklichen Vergangenheit des Orts auf gruselige Weise konfrontiert wird. Im letzten Drittel der Sammlung überwiegen dann einige sehr gelungene Endzeitszenarien mit tödlichen Pandemien - mal mit, mal ohne Zombies.

Bisher nicht auf Deutsch erschienen.

Unser Teil der Nacht | Mariana Enriquez (Nuestra parte de noche, 2019)

Eine großartige Mischung aus Coming-of-Age-Horror und okkult-verkorkster Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Militärdiktatur in Argentinien. Warnung: Es gibt drastische Gewalt gegenüber Kindern. Im Zentrum stehen Juan und sein Sohn Gaspar. Juan ist ein Medium, das mit einem übernatürlichen Wesen namens Die Dunkelheit Kontakt aufnehmen und dunkle Magie wirken kann. Dafür wird er von einem geheimen, mächtigen Orden ausgebeutet, möchte seinem Sohn dieses Schicksal aber ersparen.

Der Roman ist von der Struktur her postmodern angelegt, seine unterschiedlichen Teile werden nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, setzen sich am Ende aber, wie bei einem Puzzle zusammen. Mal ist er brutal und verstörend, dann gibt es wieder richtig schöne Passagen, mit vermeintlich jugendlicher Idylle. Ein gewaltiges Familienepos, stilistisch herausragend, atmosphärisch dicht und vor allem mal in einem für das Horrorgenre ungewohnten Setting.

Deutsche Übersetzung aus dem Spanischen von Inka Marter und Silke Kleemann.

Honorably Mentions

Den ollen Lovecraft habe ich bewusst weggelassen. Obwohl ich ihn früher gerne gelesen habe, ist er mir heutzutage im Horror etwas zu präsent. Da empfehle ich lieber noch Autoren wie Algernon Blackwood, Ambrose Bierce oder Robert W. Chambers. Und wenn es doch lovcraftscher Horror sein soll, warum nicht Autor*innen of Color, die Lovecrafts Rassismus gegen den Strich bügeln, wie z. B. Victor La Valle in The Ballad of Black Tom oder N. K. Jemisin in Die Wächterinnen von New York.

Was aktuellere Kurzgeschichtenautoren angeht lohnt ein Blick auf Thomas Ligotti (Grimescribe) und Laird Barron (Hallucigienia). Einen guten Überblick über die aktuelle Horrorszene liefern die The Best Horror of the Year-Anthologien von Ellen Dattow.

Im deutschsprachigen Bereich lohnt sich ein Blick auf die Nominierungslisten des Vincent Preis und die Lektüre des Anthologiemagazins Zwielicht, herausgegeben von Michael Schmidt. Meine Tipps sind Markus K. Korb und Fay Hell.

 

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/

Horror bei Fischer Tor