Otherland, 10.05.2024
Regelmäßig gibt euch das Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Tipps zu den interessantesten neuen Büchern aller Verlage.
Otherland, 10.05.2024
Regelmäßig gibt euch das Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Tipps zu den interessantesten neuen Büchern aller Verlage.
Klett-Cotta: €16
Poe, Lovecraft, das Erin-Hunter-Kollektiv und die vielen, vielen Bestücker alljährlicher Katzenliteraturkalender: sie alle haben die samtpfotigen Schnurrer auf ihre Buchseiten gehievt. Auch der Debut-Roman von Tad Williams aus dem Jahre 1985 war, tadaaaaaaaaaaa, ein Katzenroman. Jetzt hat ihn der Klett-Cotta neu aufgelegt, im Taschenbuch, mit hübschen Pfotenmustern auf dem Buchschnitt.
Wir folgen dem Abenteuer vom rotgetigerten Traumjäger, der das Geheimnis um die verschwundenen Katzen lösen will und dabei nicht nur an den königlichen Katzenhof, sondern sogar bis in die Hölle vordringt.
Dass man den Namen der Katerhauptfigur Tailchaser nicht wörtlich übersetzt hat, kann ich gut verstehen, umso mehr freut es mich aber, dass eine der Nebenkatzen Dachschatten heißt (ich les da immer Dachschaden, warumauchimmer).
HarperCollins: €21
Wie sehr ich einen Podcast mag, hängt fast ausschließlich von der Persönlichkeit der Gastgeber*innen ab. Schlechte Tonqualität und sogar relativ langweilige Themen kann ich verzeihen, wenn ich nur das Gefühl habe, dass gerade ein paar angenehme Menschen hereingeschneit sind, die mich beim Abwaschen, Busfahren oder Einschlafen begleiten.
Die Schwestern Madeleine und Grace Harnois lade ich mit "Dragonbabies" gerne in meinen Alltag ein. Sie erzählen derart begeistert über Jugendbuch-Fantasy, dass ich gleich wieder Lust habe, ein paar Klassiker und Neuerscheinungen zur Hand zu nehmen. Da sie viele der vorgestellten Werke noch aus Kinder- und Jugendtagen kennen, werden sie selbst auch wieder etwas kindlich. Es wird viel gekichert, geschwisterlich gestritten und in Erinnerungen geschwelgt. Ein lustiger, leidenschaftlicher und auf angenehme Weise unprofessioneller Podcast mit inzwischen über 100 Folgen, darunter große Klassiker wie "Taran", "Alanna", "Darkness Rising", "Narnia" oder "Der Wind in den Weiden", aber auch Unbekannteres.
Dank den Dragon Babies habe ich mich mit viel Verspätung an eine große Nummer der YA-Fantasy gewagt, nämlich "Sabriel" von Garth Nix. Endlich! kann ich da nur sagen, denn das Buch hat es echt in sich. Ein Fantasy-England grenzt an ein real existierendes Fantasyland, getrennt durch einen an die Koreas erinnernden Grenzstreifen. Die Titelheldin tritt das Erbe ihres verschollenen Vaters an, der darüber wacht, dass die Toten auch im Totenreich bleiben. Natürlich kriecht just dann ein mächtiger Toter zurück ans Licht. Eine schmacht-schöne Liebesgeschichte gibt es auch. Düster, voller Teenager-Wunscherfüllung und originell. Danke für diesen Tipp, Dragon Babies! [Jasper]
Anmerkung: Zurzeit leider nur auf Englisch erhältlich!
Anscheinend bekommt der irdische Mensch nicht genug von christlichen Jenseitsvorstellungen, denn vom Höllenfeuer inspirierte Literatur gibt es wie Sand am Meer.
Christen wird schon seit Anbeginn dieser Religion die Moral nur im Zusammenhang mit der Hölle eingetrichtert, bei deren Beschreibung der Vergleich zu Fieberträumen wohl der naheliegendste ist.
Im 14. Jahrhundert machte dann ein Italiener namens Dante Alighieri Nägel mit Köpfen und fabrizierte die bis dato detaillierteste Beschreibung: „Die Göttliche Komödie“.
In dieser wird er selbst von dem griechischen Dichter an die Hand genommen und zieht als Tourist sowohl durch alle Höllenkreise, als auch durch den Himmel und begegnet dabei so manch einer berühmten Person.
Vor allem der erste Teil des Textes, die neun Höllenkreise, zieht Menschen seitdem in den Bann und inspirierte zu zahlreichen Nachahmungen und Hommagen. Man denke nur an die detaillierten Kupferstiche von Gustave Doré, Botticellis Dämonen und unter anderem ein - sorry - unglaublich schlechter Anime namens „Dante’s Inferno“ von 2010. Diese Graphic Novel von Paul und Gaëtan Brizzi sticht trotzdem heraus, mit ihren wunderschön expressiven Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die weder überladen noch minimalistisch sind. Man merkt, dass die Künstler sich vor ihren berühmten Vorbildern verneigen und dennoch ein zeitgenössisches Werk von Wert erschaffen haben. Was ich besonders fand war, dass sie auch den subtilen Humor des Originaltextes einfangen konnten, ohne jedoch in Plattitüden abzurutschen.
Natürlich müssen unsere Hauptprotagonisten Dante und Vergil allerhand groteske Regionen durchkämmen, allerdings wirken viele Szenen eher melancholisch als grausam. So sind überall Ruinen von einstigen Prachtbauten verstreut und als sie zufällig dem Minotaurus über dem Weg laufen, versinkt der gerade in Depressionen. Versteht mich nicht falsch, blutig wird es trotzdem an einigen Stellen und ich war am Ende dann doch ganz froh darüber, Atheistin zu sein.
Perfekt für alle, die sich nicht durch einen mittelalterlichen Text quälen und trotzdem mitreden möchten. :) [Esther]