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Phantastische Kleinverlage, die ihr kennen solltet (Teil 2)

Phantastische Kleinverlage 2
© Wandler Verlag/Thomas Canty

Markus Mäurer, 30.03.2023

Teil 2 unserer Reihe über phantastische Kleinverlage ist da. Neun weitere werden euch hier vorgestellt, dazu kommt ein erster Einblick in das Programm des neuen Memoranda-Imprints Carcosa.

In Teil 1 habe ich bereits einige interessante Kleinverlage vorgestellt und etwas dazu geschrieben, was sie besonders macht, warum es sich lohnt, ihre Programme anzusehen, aber auch, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben. Worauf ich nicht eingegangen bin, ist die Frage: Was ist eigentlich ein Kleinverlag?

Verleger Ernst Wurdack schreibt dazu, nach steuerrechtlicher Definition gelte man erst am ab einem Umsatz von 10 Millionen als Kleinverlag, alles darunter zählt als Kleinst- oder Microverlag.

Ohne die Umsätze der einzelnen Verlage zu kennen, vermute ich mal, dass die meisten aus dem Bereich Fantasy, Science Fiction und Horror eher in die Kategorie Kleinstverlag fallen. Aber wir sind ja hier nicht beim Finanzamt. Und obige Unterscheidung erscheint mir für einen solchen Artikel und im Alltagsgebrauch etwas übertrieben.

Der Umsatz ist für die Verlage natürlich wichtig, damit sie ihren Autor*innen, Lektor*innen, Korrektor*innen und Coverkünstler*innen Honorare zahlen und ihre Bücher produzieren können. Trotzdem dürfte es für viele Kleinverlage eher die Leidenschaft zur Literatur sein, die sie antreibt, weniger der wirtschaftliche Erfolg oder gar der Traum, damit reich zu werden. Viele Verleger*innen betreiben ihre Unternehmen eher nebenberuflich, da sie von den Einnahmen durch diese Tätigkeit allein nicht leben können (demnächst gibt es hier aus erster Hand einen Bericht aus dem Alltag eines Kleinverlegers). Um so bewundernswerter ist ihr Engagement, das für uns Leser*innen und die deutschsprachige Phantastikszene eine echte Bereicherung darstellt. Und natürlich auch für die Autor*innen, die dort Möglichkeiten finden, Titel jenseits von Mainstreamvorgaben und Marktkonventionen zu veröffentlichen. Und für einige waren die anfänglichen Kleinverlagsveröffentlichungen das Sprungbrett zu einer großen Karriere, die sie bis auf die Bestsellerlisten katapultiert hat.

Die folgenden Verlage kannte ich teilweise schon, auf einige bin ich aber erst dank eurer Vorschläge aufmerksam geworden.

 

Carcosa

Im ersten Teil hatte ich bereits den Memoranda Verlag von Hardy Kettlitz vorgestellt. Dort wird gerade ein neues Imprint namens Carcosa vorbereitet, das von Hannes Riffel (dem ehemaligen Golkonda- und Fischer-Tor-Chef) verantwortet wird und den Schwerpunkt auf anspruchsvolle anglo-amerikanische Science Fiction und Phantastik legt. Im Herbst 2023 werden Erst- und Neuübersetzungen von Ursula K. Le Guin (Always Coming Home), Gene Wolfe, Leigh Brackett und Samuel R. Delany erscheinen sowie ein phantastischer Almanach, das das Programm vorstellt und Essays und Erzählungen renommierter Autor*innen enthält. Im Jahr 2024 werden Werke von Alan Moore (Jerusalem), Becky Chambers (Monk & Robot) und Michael Moorcock (Mother London) folgen, weitere Bände von Brackett, Delany und Wolfe sowie Erst- und Neuausgaben von Joanna Russ und Karin Tidbeck. Bei Interesse an dem Newsletter, der ab Juni monatlich verschickt werden wird, bitte eine Mail an [email protected] schicken, dann wird es auch eine eigene Carcosa-Internetseite geben.

Drachenmond Verlag

1996 von Astrid Behrendt gegründet ist Drachenmond seit Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschsprachigen Phantastikszene. Wie der Name vermuten lässt, findet sich im Programm vor allem Fantasy, teils stark mit Märchen-Bezug, Feen und romantischen Themen, wie z. B. in Aschenkindel - Der wahre Kaiser von Halo Summer. Historische Phantastik gibt es mit dem Staubchronik-Universum von Lin Rina. Steampunk mit Gruselcharakter in Die Seele eines Spukhauses von Helena Gässler.

Edition Phantasia

Ich glaube, die Edition Phantasia ist der älteste Verlag auf dieser Liste. Verleger Joachim Körber dürfte vielen meiner Generation+ noch als Übersetzer von Stephen King und Clive Barker ein Begriff sein. Zusammen mit Uli Kohnle und Thomas Bürk gründete er die Editon bereits 1984, führt sie aber inzwischen alleine weiter. Bekannt ist der Verlag unter anderem für seine limitierten Luxusausgaben, aber auch dafür, Werke zu bringen, die bei den größeren Verlagen inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Und dazu gehören teilweise echte Perlen. Wie zum Beispiel die vierbändige Reihe um Fafhrd und den grauen Mausling von Fritz Leiber. Aber auch knallharte Thriller wie Fettsack von Rex Miller. Zuletzt erschienen dort seltene Klassiker, wie z. B. Doktor Therne von Henry Rider Haggard oder einige unbekanntere Titel von H. G. Wells. E-Books gibt es hier übrigens nicht.

Edition Roter Drache

Drachen erfreuen sich nicht nur in Fantasygeschichten großer Beliebtheit, sondern auch in Verlagsnamen. Dieser hier ist rot. 2006 im Sauerland gegründet, findet sich dort im Programm nach eigener Auskunft: »die Phantastik mit all ihren Spielarten wie Steampunk, Fantasy, Thriller und Horror […]. Darüber hinaus führen wir Krimi, Satire, Biografien, Sachbücher sowie Kinder- und Jugendbücher im Programm.« Zu den bekanntesten Werken dürften die Jugendbuchreihen Ghostsitter von Tommy Krappweis und Drachengasse 13 von Bernd Perplies und Christian Humberg zählen. Boris Koch ist dort z. B. mit Die Mondschatzjäger vertreten. Und Laura Dümpelfeld mit Lemmy Lokowitsch. Um mal ein paar Autor*innen zu nennen, die ich kenne. Auf seiner Webseite bezieht der Verlag ganz klar Position gegen Rechts.

Greenlight Press

Greenlight Press wurde 2012 von Andreas Suchanek gegründet, der dort zunächst seine eigenen Werke vertrieb, inzwischen aber auch andere Autor*innen im Programm hat, wie Madeleine Puljic (Herz des Winters) und Nicole Böhm (Die Chroniken der Seelenwächter). Am bekanntesten dürfte Suchaneks Science-Ficton-Reihe Heliosphere 2265 sein, zu der es auch eine erfolgreiche Hörspieladaption gibt.

Leseratten Verlag

Der Leseratten Verlag gehört zu jenen Kleinverlagen, die sich sehr umtriebig auf Cons und Buchmessen zeigen. Er wurde 2013 von Marc Harmacher gegründet und entstand praktisch aus der Szene heraus. Ein Schwerpunkt liegt auf Ausschreibungen und Anthologien. Darunter finden sich auch humoristische Titel wie die Suppenhelden, Funtastik oder Vikings of the Galaxy sowie Reihen wie German Kaiju.

Polarise

Der Name Polarise ist mir in den letzten Jahren zwar gelegentlich begegnet, so richtig auf dem Schirm habe ich den Verlag aber erst seit Aiki Miras Neonregen. Polarise gehört zum 1995 gegründeten Fachverlag dpunkt, der sich auf digitale Technologie spezialisiert hat. Polarise, 2018 gegründet, dürfte die fiktionale Variante davon sein, die sich auf Romane konzentriert, die sich mit der Zukunft beschäftigen. Also Science Fiction. Dort sind Bücher von Autor*innen wie Uwe Post (Klima-Korrektur-Konzern), Meike Eggers (Cybionic – Die unaufhaltsame Einheit), Alice Delwin (Eden.exe), Arno Endler (Im Visier) oder Uwe Hermann (Nanopark) erschienen. Nanopark hat übrigens den Kurd Laßwitz Preis 2022 gewonnen.

Verlag Torsten Low

Torsten Low ist mir erstmals vor vielen Jahren auf dem BuCon in Dreieich begegnet. Damals hat er noch vorgeführt, wie Bücher von Hand gebunden werden. Seitdem hat er sich zu einem Urgestein der deutschsprachigen Phantastikszene entwickelt. Kaum eine Veranstaltung, auf der der nicht nur bissige, sondern auch sehr rührige Verleger mit Frau und der lebhaft umherturnenden Tochter nicht anzutreffen war. Bekannt ist das Programm für seine Anthologien und Reihen von mehreren Autor*innnen wie z. B. Die Herbstlande.

Wandler Verlag

Der Wandler Verlag ist noch ein sehr junges Projekt mit relativ wenigen Titeln im Programm. Doch die stechen durch ihre Qualität besonders heraus. Auch, dass im Verlag bisher nur Übersetzungen erschienen sind, ist in der deutschsprachigen Kleinverlagsszene eher ungewöhnlich, da die Übersetzungskosten meist nicht zu stemmen sind. Spezialisiert ist der Verlag von Michael Schmitt auf Horror und Weird Fiction. Darunter befinden sich Titel wie Der Angler von John Langan, Die Ereignisse auf der Poroth - Farm von T.E.D. Klein, Veniss Underground von Jeff VanderMeer oder Das große Werk der Zeit von John Crowley.

Wurdack Verlag

Zuletzt wurde es etwas ruhiger um den 2004 von Ernst Wurdack gegründeten Verlag, trotzdem ist er aus der deutschsprachigen SF-Szene seit zwei Jahrzehnten nicht wegzudenken. Viel Aufmerksamkeit erzielte jüngst die SF-Reihe Die neunte Expansion, die unter anderem von Dirk van den Boom, Niklas Peinecke, Holger M. Pohl, Nadine Boos, Karla Schmidt und Matthias Falke geschrieben wurde. Den deutschen Science Fiction Preis erhielt 2010 Vilm. Der Regenplanet / Vilm. Die Eingeborenen von Karsten Kruschel. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Anthologien, die von Heidrun Jähnchen und Armin Rößler herausgegeben wurden. Von Jähnchen erschien unter anderem auch der Roman Simon Goldsteins Geburtstagsparty bei Wurdack und sie wurde für einige ihre dort erschienene Kurzgeschichten mit dem Kurd Laßwitz Preis und dem DSFP ausgezeichnet. Zu den aktuellen Publikationen des Verlags gehört das Magazin !Time Machine.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel) und arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur. http://lesenswelt.de/

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