SF-Club Andymon, 16.03.2023
Im Zuge einer Ausstellung unter dem Titel „Leseland DDR“ haben wir den SF-Club Andymon nach den zehn besten Science-Fiction-Romanen der DDR gefragt. Hier die Antwort:
Basis für die Liste und die dazugehörigen Texte ist eine Club-interne Umfrage, die im letzten Jahr gemacht wurde. Im Vergleich dazu gibt es unten auch noch die gleiche Umfrage aus dem Jahr 1989. Die beiden Statistiken zu den Umfragen findet ihr am Ende des Beitrags.
Andymon – ein Weltraum-Utopie | Angela und Karlheinz Steinmüller (1982)
In einer fernen Zukunft schwebt ein Raumschiff durch das All. In ihm leben Menschen, die aus tiefgefrorenen Eizellen aufgetaut sowie durch Roboter betreut und erzogen werden. Das Ziel ist ein Planet, der noch lebensfeindlich ist, aber durch eine Art Terraforming ein neues Zuhause bieten soll. Der Roman „Andymon“ von Angela und Karlheinz Steinmüller beschreibt lebendig, eindrucksvoll und nahe an den einzelnen Figuren dran die Entwicklungen der Menschen, die auf dem Raumschiff aufwachsen und danach die Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen, die sich bilden. Denn nicht alle glauben an einen Erfolg auf dem neuen Planeten, der per Zufallsgenerator den Namen „Andymon“ erhält. Es gibt neben den Befürwortern für Veränderungen entschiedene Gegner, die ein autoritäres System durchsetzen wollen. Und bestimmte Vertreter ziehen sich auch ganz zurück, suchen auf einem Mond von Andymon ihre Zuflucht. Doch zum Glück können die demokratisch gesinnten Menschen eine Diktatur verhindern. Und eventuell gibt es auch Hoffnung für neue Weltraumreisen, um andere ferne Planeten zu besiedeln. Der Roman hat bis heute nichts von seiner Lebendigkeit verloren. Er bleibt ein zeitlos wertvolles Zeugnis erfüllter und nicht erfüllter Utopien, die über die DDR hinaus wirken. Der Berliner SF-Klub ANDYMON hat sich nach diesem Titel benannt.
Wer stiehlt schon Unterschenkel? und Der Samenbankraub | Gert Prokop (1977; 1983)
Der Abdruck von Prokops SF-Krimi-Erzählungen vom kleinwüchsigen Privatdetektiv Timothy Truckle 1977 in der Wochenzeitschrift „Neue Berliner Illustrierte“ (NBI) ist wohl nur von wenigen SF-Fans zur Kenntnis genommen worden. Aber die Publikation der Geschichtensammlung in Buchform löste größtes Käuferinteresse aus. Der Verlag Das Neue Berlin hatte mit „Wer stiehlt schon Unterschenkel?“ einen echten Verkaufserfolg gelandet (obwohl sich SF ohnehin sehr gut verkaufte). Im Jahr 1983 kam die zweite Sammlung unter dem Titel „Der Samenbankraub“ auf den Buchmarkt. Im DDR-SF-Lexikon (1988) heißt es zusammenfassend: „Auf dem Gebiet der SF erlangte Prokop sofort außerordentliche Popularität mit seinen „Kriminalgeschichten aus dem 21. Jahrhundert“, so der gemeinsame Untertitel der in den beiden Bänden gesammelten Erzählungen. Es handelt sich um handfeste, aktionsreiche Detektivgeschichten klassischen Zuschnitts, deren Verlagerung in eine hochtechnisiert-dekadente westliche Zukunftswelt zum höchst amüsanten Spiel um das Thema des perfekten Verbrechens und dessen Aufklärung durch den spleenig-genialen Privatdetektiv führt. Diese durch den Autor überaus gelungene Figur des Timothy Truckle ist für den Leser eine Quelle pointiert gesetzten und leicht unterkühlt dargebotenen Humors.“
Die Ohnmacht der Allmächtigen | Heiner Rank (1973)
Als der Krimiautor Heiner Rank im Jahr 1973 seinen ersten (und einzigen) SF-Roman veröffentliche, löste er damit eine ziemliche Überraschung aus. So etwas hatte man in der DDR noch nicht gelesen. Er beschrieb eine utopische Gesellschaft, in der langsam eine Dystopie empor kriecht. Es ist keine Bedrohung der Gesellschaft, sondern eine des Lebens. Die Menschen auf dem Planeten Astilot wurden genetisch manipuliert. Sie leben in einem friedlichen Miteinander ohne Aggression und Krieg, durch Biomaten rundum versorgt, aber auch ohne wirklichen Antrieb. Mit gelegentlichem Drogenkonsum kann man sich die Laune weiter aufhellen. In dieses Biotop kommt der Raumfahrer Asmo. Der Autor schafft mit wenigen Beschreibungen eine fremdartige Welt von Technik, Architektur und Sozialverhalten, in die sich der Ankömmling hineinfinden muss. Nach und nach erkennt er den Riss im System und will die Hintergründe erkunden. Er entdeckt die Konflikte hinter der Eutopie, die durchaus Bezüge zu Huxleys Roman „Schöne neue Welt“ aufzeigen (welcher in der DDR erst 1978 erschien). Rank gelingen einige schöne Wortschöpfungen, die fremdartige Welt wird überzeugend dargestellt. Im Roman steht der – für DDR-Verhältnisse bemerkenswerte – Satz: „Dabei machte ich die Entdeckung, dass der Zweifel der Beginn der Freiheit ist.“ Asmo ist zwar kein Revolutionär, aber er ebnet den Weg in die Freiheit.