Fantasy

Elric für Einsteiger

Elric - Cover-Ausschnitt. Elric steht in schwarzer Rsütung, mit wehendem Umhang und Flügelhelm, das Schwert vor sich auf den Boden stellt, hinter sich ein Drache, vor einer gewaltigen Burg, die Belagert wird.
© Chris Achilléos

Markus Mäurer, 09.11.2023

Mit Elric stellt uns Markus Mäurer heute die berühmteste und tragischste Inkarnation von Michael Moorcocks ewigem Helden vor und geht auf die Neuausgabe von Fischer Tor ein.

Für den Einstieg in die Thematik empfehle ich zunächst die Lektüre meines Artikels Michael Moorcocks Multiversum, der den Autor genauer vorstellt, sein Multiversum erklärt und euch mit Helden wie Corum und Falkenmond bekanntmacht.

Antiheld Elric

Elric war nicht der erste Antiheld der Fantasy. Robert E. Howards Conan ist ein Dieb, ebenso Fritz Leibers Fafhrd und der Graue Mausling, aber sie sind im Prinzip relativ einfach gestrickte Figuren, mit einem funktionierenden moralischen Kompass und so etwas wie Grundanstand. Während Elric durch seine innere Zerrissenheit, den Zwiespalt zwischen seiner Herkunft sowie der Gebundenheit ans Chaos und seinen progressiven Ideen von Herrschaft zu einer ambivalenten Figur wird, die unterwegs schon mal ihren moralischen Kompass aus den Augen verliert und auf Abwege gerät.

Wir lernen Elric als den Herrscher von Melniboné kennen, einem alten Volk, das auf einer archaischen Welt voller Magie, Monster und Drachen zurückgezogen auf einer Insel lebt, wo sie praktisch der spätrömischen Dekadenz frönen, alle anderen Völker und Rassen als minderwertig ansehen und sich ihnen gegenüber äußerst grausam verhalten. Pervertierte Elben wäre wohl keine ganz abwegige Beschreibung. Gleich zu Beginn erfahren wir, dass sie Menschen als Sklaven halten und sie teilweise so operiert haben, dass sie als Musikinstrumente herhalten, deren Musik aus Schmerzschreien besteht.

Karte von Melnibone und den jungen Königreichen drumherum
John Collier

Dass sich niemand mit Melniboné anlegen möchte, hat zwei Gründe: zum einen liegt es an dem undurchdringlichen Labyrinth, das die Einfahrt zur Insel bildet (was noch eine wichtige Rolle spielen wird), und zum zweiten an den Drachen, über die die Melnibonéer gebieten. Die schlafen teils Jahrzehnte lang, bevor sie geweckt werden können. Für viele Menschen der restlichen Welt sind die Menibonéer ein Mythos geworden. Elric wurde via Geburt zum Herrscher, doch sein Cousin Yyrkoon trachtet nach dem Rubinthron. Er lässt Elrics Geliebte Cymoril entführen, was eine ganze Reihe von Ereignissen in Gang setzt, die Elric schließlich zu seinem verfluchten schwarzen Schwert Sturmbringer führt.

Elric ist von Geburt an von schwächlicher Konstitution und kann seine Kräfte nur mit Hilfe verschiedener Drogen aufrechterhalten. Mit dem Schwert ist dies auch möglich, doch der Preis dafür ist hoch, es dürstet nach Seelen und führt ein gefährliches Eigenleben, das auch Elrics Gefährten in Gefahr bringt. Blut und Seelen für Arioch! lautet Elrics Kampfruf, wenn er in die Schlacht zieht, mit dem Schwert, das ihn oft in eine wilde Raserei bringt, in der er alles um sich herum abschlachtet. Deshalb möchte er die Klinge im Verlauf wieder loswerden, doch wie bei so vielen Süchtigen gelingt ihm dies nicht wirklich.

Die sechs Hauptbände der Elric-Reihe (Elric von Melniboné, Auf der See des Schicksals, Der Zauber des weißen Wolfes, Die schlafende Magierin, Der Fluch des schwarzen Schwertes und Sturmbringer) bilden in sich eine abgeschlossene Geschichte, die uns in die Welt des Albino-Herrschers einführt und sie auch zu einem befriedigenden Ende bringt. Sie sind zwischen 1961 und 1977 entstanden. Gerade den ersten Bänden ist noch anzumerken, dass sie teilweise aus mehreren Kurzgeschichten zusammengefügt sind, Elrics Abenteuer kommen sehr episodenhaft daher, was sich im Verlauf aber ändert. Die beiden Romane Am Hof der Perle und Die Rache der Rose entstanden 1989 und 1991, was dem Schreibstil deutlich anzumerken ist, die Handlung spielt aber innerhalb der sechs Hauptbände, weshalb sie in der neuen Prachtausgabe auch dort eingeordnet wurden, wo sie zeitlich in der Geschichte zu verordnen sind.

Die ursprüngliche Übersetzung der sechs Hauptbände stammt von Thomas Schlück, die der beiden zusätzlichen von Edda Petri und Haiko Langhans. Die aktuelle Neuübersetzung aller Bände hat Hannes Riffel übernommen.

Was macht den Reiz von Elric aus?

Vor allem die Figur Elric selbst und ihre tragische Geschichte. Der Abkömmling eines mächtigen Herrschergeschlechts, das dekadent und der Welt müde geworden ist und sich größtenteils aus ihr zurückgezogen hat, der aber selbst neugierig auf die Welt mit den jungen Königreichen und deren Bewohner ist, der andere Vorstellungen von Herrschaft hat, gerade zu Beginn der Geschichte aber sehr naiv handelt und sein Reich damit ins Unglück stürzt.

Er soll der ewige Held sein, der die Balance zwischen Ordnung und Chaos aufrechterhält, bringt aber, Freund wie Feind, vor allem den Tod. Außerdem ist er einerseits dem Chaosfürsten Arioch verschrieben, ruft dessen Hilfe immer wieder an, hadert jedoch mit der Fremdbestimmtheit seines Schicksals.

Ein gewisser Reiz dürfte aber für einige Leser*innen auch darin liegen, dass Elric einfach zur coolen Sau mutiert, wenn er sich in seiner schwarzen Rüstung mit Sturmbringer durch ganze Horden von Gegnern metzelt. Dank der zahlreichen Illustrationen kann man sich das auch bildlich gut vorstellen.

Ich habe vor allem mit Mondmatt mitgefiebert, Elrics vielschichtigem Gefährten, bei dem nie so ganz klar wird, was er an seinem Freund findet, der aufgrund des kosmischen Schicksals aber an ihn gebunden ist.

Jenseits der Figuren sind aber auch die Abenteuer einfach spannend und faszinierend gestaltet. Moorcocks opulente Phantasie läuft hier auf Hochtouren und bietet uns exotische und bizarre Welten und Figuren, wie sie nur in den LSD geschwängerten Sixties entstehen konnten. Doch trotz des oberflächlichen Abenteuercharakters der Geschichten, der Sword & Sorcery, schwingt hier viel Subtext mit. Elric als Sinnbild des orientierungslosen Jugendlichen, der seinen Platz in der Welt sucht, emotionale Turbulenzen durchmacht, Freunde und Familie vor den Kopf stößt und unter Weltschmerz leidet.

Bleistiftzeichnung von Elric, er hält das Schwert mit der Spitze nach oben vor seiner Brust
Joe Picacio

Die Neuausgabe

1.178 Seiten, vier Farbtafeln, elf Illustrationen, eine schicke Karte, acht Vorworte bekannter Autor*innen, acht Romane in Neuübersetzung. Die gebundene Neuausgabe ist nicht nur richtig schön geworden, sondern auch gewaltig.

Die Vorworte

Jeder einzelne Roman in diesem Band hat ein Vorwort erhalten.

Den Auftakt macht Comic- und Romanautor Alan Moore (Watchmen, Jerusalem) und lässt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, in dem er Relikte Melnibonés in London und Großbritannien verortet, dabei aber auch seine autobiografischen Begegnungen mit Elric schildert, geht auf den revolutionären Charakter ein, den Elric auf das Genre damals hatte, stellt Moorcocks Stärken heraus und vergleicht ihn mit Autoren wie Angus Wilson und Mervyn Peake, aber auch Anthony Skene, dessen Albino-Pulp-Detektive Monsieur Zenith Pate für die Figur des Elric stand. Ein Vorwort, das durchaus eine neue Perspektive auf Elric und Moorcock eröffnen kann.

Neil Gaiman (American Gods) dürfte der prominenteste unter den Vorwortverfasser*innen sein, er beschreibt, wie die Erstlektüre von Sturmbringer sein Leben im Alter von neun Jahren veränderte und er in den Folgejahren sein Taschengeld für Moorcock-Bücher verbraten hat. Ein gutes Beispiel dafür, welchen Einfluss Moorcock auf einige der heute einflussreichsten Autor*innen hat. Sein Multiversum scheint mir auch in der Welt von Sandman durchzuschimmern.

Das Vorwort von Michael Chabon (Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay) bezieht sich konkret aauf den Roman Auf der See des Schicksals, den er als „kleines Meisterwerk“ bezeichnet und unter der Oberfläche einer Abenteuergeschichte Kritik an diesem Genre mit all seinen Tropen entdeckt. Und auch er hat als Jugendlicher die Figur des in der Welt herumirrenden Elrics als Trost empfunden.

Kai Meyers antiquarische Anekdote zeigt gleich, welchen Status Moorcocks Werk bei ihm hat. Ich würde Kai (Die Seiten der Welt) schon fast als Moorcock-Ultra bezeichnen. Er vermutet auch, dass sich Phantastik-Autor*innen insgesamt öfter bei Moorcock bedient haben als bei Tolkien, und gibt einige Beispiele. Dazu stellt er heraus, dass nicht nur SFF-Autor*innen aus dem Golden Age Moococks Einflüsse waren, sondern auch die Gothic Novel von Autoren wie Charles Robert Maturin oder Horace Walpole. Und wie Moorcock in den frühen Elric-Geschichten seine eigenen Probleme aus der Jugend verarbeitet. Ich merke gerade, dass dieser Artikel hier eigentlich von Kai hätten geschrieben werden sollen, da er sich noch mal deutlich besser mit Moorcock auskennt als ich.

Walter Mosley ist vermutlich der eine Vorwortautor, den ich hier noch etwas vorstellen sollte, da von ihm hauptsächlich Krimis erschienen sind und der Name in Deutschland nicht so geläufig ist. Der amerikanische Autor ist vor allem für seine Reihe um den schwarzen Privatdetektiv Easy Rawlins bekannt. Hat aber auch etwas Science Fiction geschrieben. Der Kalifornier entdeckte Moorcocks Werke während einer Schulreise nach London und lernte aus ihnen einiges über das Schreiben.

Auch die Fantasyautorin Holly Black (Elfenkrone) machte schon während ihrer High-School-Zeit Bekanntschaft mit Elric, als ein Junge ihr eine Beziehungsprobe stellte, indem er ihr die Elric-Bücher in die Hand drückte. Wir sehen, die Tragik des Weißen Wolfes wirkt sich auch auf unsere Realität aus, aber ob es da doch ein Happy End gab, findet ihr nur raus, wenn ihr den Band lest.

Markus Heitz (Die Zwerge) wurde als Jugendlicher auf der Suche nach neuem Fantasy-Stoff doch tatsächlich vom legendären Rodney-Matthews-Cover auf dem inzwischen ikonischen Heyne-Sammelband abgeschreckt, hat ihn dann aber doch gelesen.

Im letzten Vorwort wird Michael Moorcock von Tad Williams (Der Drachenbeinthron) sogar zur Religion erhoben – zumindest zu seiner. Außerdem geht er auf Moorcocks kritisches Verhältnis zu Tolkien ein.

Die Illustrationen

Der erste Blickfang ist direkt das Cover mit einer Illustration des 2021 leider verstorbenen Chris Achilléos. Elric in typisch schwarzer Gewandung mit Flügelhelm, schwarzem Schwert und schwarzem Drachen. Die Gesichtszüge etwas feiner gestaltet als in vergleichbaren Abbildungen. Aber dann ist da noch der Hintergrund, der das wilde Getümmel einer Belagerung mit Schlacht rund um eine gewaltige Burg zeigt. Perfekt geeignet für den Schutzumschlag eines solchen Prachtbandes.

Der 1947 in Zypern geborene, aber in Großbritannien aufgewachsene Christos "Chris" Achilléos ist vor allem für seine Buchcover zu Conan, Doctor Who, Star Trek und Fighting Fantasy bekannt. Der Konzeptkünstler hat auch an Filmen wie Heavy Metal und Willow mitgearbeitet und die Titelillustration für das Whitesnake-Album Lovehunter geschaffen.

Von anderen Künstlern sind im Buch sind vier schöne Farbtafeln enthalten:

Das farbenprächtigste Gemälde gibt es von Joe Picacio, das einen energiegeladenen Elric vor blau bis türkisem Hintergrund zeigt, in der rechten Hand sein berühmtes schwarzes Schwert, von dem hier Flammen ausgehen, die die untere rechte Bildhälfte ausfüllen. Eine eher untypische Darstellung, die trotzdem alle ikonischen Merkmale des Weißen Wolfes enthält.

Aufgeklappter Elric-Band mit der Farbtafel von Joe Picacio
oe Picacio

Von Brom gibt es einen muskulösen Elric in Seitenansicht, der sein Schwert Sturmbringer mit geschlossenen Augen umklammert hält, was wohl die zwiespältige Beziehung zwischen den beiden darstellen soll.

Der polnische Künstler Piotr Jabłoński hat Elric im Kampf mit einem riesigen Monster gemalt, Wir sehen ihn klein im Vordergrund, den Oberkörper uns zu gewandt, den Kopf zur gewaltigen Bestie im Hintergrund gedreht, dabei das Schwert nach unten haltend, als würde er es jeden Moment Richtung Gegner schwingen wollen.

Der französische Künstler Bastien Lecouffe-Deharme hat sein Elric-Porträt der Ikonen-Malerei entlehnt, und zeigt den bleichen Fürsten in langem Gewandt mit einer Art Heiligenscheint über dem Kopf, der aber das Symbol des Chaos darstellt, mit den Pfeilen, die in alle Richtungen zeigen. Im Hintergrund ein Sternenhimmel, alles in düsteren kosmischen Farben gehalten. Fast wirkt er wie ein dunkler Astronaut.

Und von Joe Picacio stammen auch die elf Schwarz-Weiß-Illustrationen, die sich über den Band verteilen. Neben einem fein gezeichneten Elric in verschiedenen Possen bekommen wir Monster (wie die geflügelten Affen) und Gebäude aus seiner Welt zu sehen. Besonders berührend finde ich die Illustration, in der der knieende Elric die Hand seiner leblosen geliebten Cymoril hält. Wer die Bücher gelesen hat, weiß um die Hintergründe.

Elric kniet neben der bewusstlosen Cymoril und hält ihre Hand
Joe Picacio

Und zu guter Letzt, bzw. am Anfang und Ende des Bandes darf natürlich eine Karte nicht fehlen. Die wurde von John Collier in Farbe gestaltet, zeigt die Insel Melniboné im Zentrum und den Rest der Welt mit den jungen Königreichen drum herum gebaut.

Die Neuübersetzung

Gelesen habe ich sie noch nicht, deswegen kann ich gar nichts zu ihrer Qualität sagen, aber da sie von Hannes Riffel stammt, dessen Übersetzungen ich sehr schätze und der mir schon so einiges über das Übersetzen beigebracht hat, gehe ich davon aus, dass sie gelungen ist. Aber warum überhaupt neu übersetzen? Die ursprüngliche Übersetzung der sechs Kern-Bände von Thomas Schlück ist natürlich nicht schlecht, aber doch etwas in die Jahre gekommen. Die deutsche Sprache altert viel schneller als die Englische. Beim letzten Reread sind mir da auch durchaus einige Schwächen und Fehler aufgefallen. Zudem basiert die Neuübersetzung auf den von Michael Moorcock 2013 und 2014 überarbeiteten Fassungen. Und es war jetzt möglich alle acht Bände in einen einheitlichen, zueinanderpassenden Stil zu bringen.

Die oben beschriebene Farb-Illustration von Bastien Lecouffe-Deharme
Bastien Lecouffe-Deharme

Fazit zur Neuausgabe

Das ist der Elric-Band auf den wohl nicht nur ich Jahrzehnte gewartet habe. Mit 14 Jahren kaufte ich mir den ikonischen Heyne-Band, der – wie bei so vielen – seitdem zerlesen im Regal steht und alle paar Jahre hervorgeholt wird. Ein Band, der mich und mein Interesse an Fantasy stark geprägt hat. Doch es wurde Zeit für eine neue Ausgabe, in angemessener Übersetzung und Gestaltung, die dem Status, den Elric sich über die Jahrzehnte erarbeitet hat, gerecht wird. Außerdem er sieht einfach schick aus, wie er da bei mir direkt neben dem Erdsee-Prachtband von Ursula K. Le Guin steht. Ich hoffe, Fischer Tor behält den Trend bei und bringt noch weitere Klassiker der Fantasy in solch aufwendigen Ausgaben.

The Citadel of Forgotten Myth

Der neue Elric-Roman, der 2023 erschienen ist, und in dem Gesamtband fehlt (am Verlag lag es nicht). Ich muss aber auch ehrlich gestehen, dass er mir nicht fehlt. Was Komplettesten natürlich kein Trost ist.

Genau genommen besteht The Citadel of Forgotten Myth aus zwei Kurzgeschichten, die zuvor schon in Magazinen erschienen sind und einer knapp 200 Seiten langen Novelle, die tatsächlich ganz neu ist. Gemein haben alle drei Geschichten, dass Elric und Mondmatt in ihnen eine bis dato noch unbekannte Region der Welt von Melniboné bereisen, die liegt praktisch auf der anderen Seiten, also unten, wie auf der Unterseite einer Scheibenwelt („the world below“). Bildlich habe ich mir das wie die Hohlwelt im Film Godzilla vs. Kong vorgestellt. Und das ist ein wirklich netter Kniff, dieser eigentlich schon auserzählten Welt noch Neues abzugewinnen.

Die beiden Kurzgeschichten sind klassische Elric-Storys inklusive Deus-X-Machina-Finale. Elric befindet sich auf der Suche nach der Herkunft der Melnibonéer und gleichzeitig nach einer legendären Pflanze, die als Ersatz für seine Drogen dienen soll, mit denen er sich bei Kräften halten kann, ohne das verfluchte Schwert zu benutzen.

Die beiden Geschichten sind wirklich nett und schön zu lesen. Die Novelle fängt auch relativ vielversprechend an, durch die letzten 100 Seiten musste ich mich allerdings quälen. Obwohl sie einige gute und faszinierende Ideen enthält und wir mehr über Elrics Vorfahren erfahren, zieht sie sich wie Kaugummi.

Was ich dem Buch zugutehalten muss, ist, dass Mondmatt deutlich mehr Persönlichkeit erhält und nicht mehr der tragische comic relief aus den anderen Bänden ist. Zeitlich ist der Roman mitten in der Hauptserie einzuordnen. Es handelt sich also um keine Fortsetzung.

Einflüsse auf Popkultur und die Fantasy

So einigen Entwicklungen der Fantasy hat Moorcock vorweggenommen und mit Elric einen Vorläufer der Grimdark-Fantasy á la Black Company und Joe Abercrombie geschaffen. Figuren wie der Witcher Geralt von Riva von Andrzej Sapkowski oder der weißhaarige Dunkelelf Drizzt Do'Urden von R. A. Salvatore wären ohne Elric kaum denkbar.

Moorcock hat auch Texte für die britische Progrock-Band Hawkwind geschrieben (jene, die Lemmy rauswarf und damit Motörhead erst möglich machte). Hawkwind hat ganze Alben und Bühnenshows Moorcocks ewigem Helden, allen voran Elric, gewidmet.

Blind Guardian haben Songs namens Tanelorn und The Quest for Tanelorn, die von jener mythischen Stadt erzählt, die jenseits von Raum und Zeit existiert, wo müde Krieger Frieden finden sollen.

Dazu kommen Comic-Adaptionen, Rollenspiele und zahllose Illustrationen (von denen sich einige im aktuellen Band finden). Was Comics angeht, sind vor allem die vom französischen Autor Julien Blondel geschriebenen Bände zu empfehlen, die auf Deutsch bei Splitter erschienen sind.

David S. Goyer soll mit seiner Produktionsfirma Phantom Four aktuell an einer Serien-Adapton des Eternal Champion für AppleTV+ arbeiten.

Abschlussbetrachtungen zu Elric

Elric war seiner Zeit voraus, der Kosmos um ihn herum, das Multiversum, die Art, wie Moorcock zeitgenössische Themen in Sword & Sorcery verpackte und einen ambivalenten Helden jenseits von Gut und Böse schuf, revolutionär. Aber auch ein Kind seiner Zeit. Heutige Leser*innen könnten den überweißen Außenseiter, der in seiner Welt marginalisiert und gefürchtet wird, als befremdlich empfinden. Doch Fortschritt ist etwas, das in Etappen stattfindet, was damals als progressiv galt, ist heute veraltet und muss neuen Trends und Entwicklungen weichen. Trotzdem gibt es Werke die im genrehistorischen Kontext und aufgrund ihres Einflusses, der bis heute wirkt, zu zeitlosen Klassikern geworden sind. Und Elric mit dem ganzen Multiversums-Überbau, dem Aufbrechen der Gut-Böse-Strukturen und Moorcocks anarchistischer Ader, gehört zweifellos dazu.

Markus Mäurer

Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien an der FU Berlin, der seit seiner Kindheit zwischen hohen Bücherstapeln vergraben den Kopf in fremde Welten steckt, verfasst seit über zehn Jahren Rezensionen für Fantasyguide.de, ist ebenso lange im Science-Fiction- und Fantasy-Fandom unterwegs (Nickname: Pogopuschel), arbeitet seit einigen Jahren als Übersetzer phantastischer Literatur und ist auf Tor Online für das Content Management und die Redaktion verantwortlich.