Lena Richter, 28.11.2024
Was ist eigentlich generative KI und welche Probleme bringt sie für Kunstschaffende und Kreativberufe mit sich. Lena Richter klärt uns auf und hält ein Plädoyer für Solidarität unter Kreativschaffenden. Im ersten Teil ging es um sieben Probleme an generativer KI, in diesem Teil um die Rechtslage und die Einordnung in die generellen Produktionsbedingungen.
Teil 2 - Rechtslage und Produktionsbedingungen
Dieser Text erschien zuerst im Science Fiction Jahr 2024 und wurde für die Veröffentlichung bei Tor-Online in zwei Artikel aufgeteilt. An einigen Stellen sind Informationen aktualisiert wurden, weil sich seit dem Verfassen des Textes im Frühjahr 2024 schon einige neue Entwicklungen ergeben haben.
Was sagt die Rechtslage?
Generative KI hat, wie beinahe jede neue Technologie, eine Vielzahl an rechtlichen, bisher ungeklärten Fragen aufgeworfen. In diesem Sinne auch gleich eine Warnung: Mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit sind zumindest Teile der folgenden Absätze schon veraltet und nicht mehr zutreffend, bis das Science Fiction Jahr 2024 gedruckt und ausgeliefert wurde.
Aktuell gibt es eine Vielzahl an Klageverfahren, vor allem in den USA und in Großbritannien, in denen KI-Firmen wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt werden, beispielsweise von George R. R. Martin, John Grisham oder der NEW YORK TIMES. Auch Künstler*innen und Bildagenturen wie Getty Images haben Klagen eingereicht. Bis in diesen Verfahren nicht nur eine erste Entscheidung, sondern – was bei der Tragweite der Thematik zu erwarten ist – eine höchstrichterliche Entscheidung gefällt wurde, wird es Jahre dauern. Hier in Deutschland drehen sich die Rechtsstreite aktuell eher um konkrete Anwendungsfälle: So entschied z. B. das Verwaltungsgericht München, dass die Bewerbung um einen Studienplatz, die offensichtlich mit generativer KI erstellt wurde, ein Ausschlussgrund ist.
Die erste Grundsatzfrage, die sich bezüglich der Software und deren Trainingsdatenbanken für generative KI stellt, ist – vereinfacht gesagt – die nach den Nutzungsrechten und den damit einhergehenden Vergütungspflichten. Hierbei ist Paragraf 44b des Urheberrechtsgesetzes zum Text und Data Mining (TDM) wichtig bzw. die Frage, ob das Abgreifen von Daten über den aktuellen Nutzungsumfang dieses Paragrafen hinausgeht. Beim diesjährigen Generative AI Summit des Bundesministeriums für Justiz wurde bspw. über eine gesetzliche Regelung diskutiert, die die Verwendung von Inhalten als Trainingsdaten als gesonderte Nutzung interpretiert, die zu vergüten ist. Dies setzt aber voraus, dass Firmen transparent darlegen, welche Werke genutzt wurden. Es könnte dann eine Art pauschale oder fallbezogene Vergütung entstehen, die womöglich ergänzend zu den bisherigen Verwertungsfällen der VG Wort bzw. VG Bild Kunst besteht und über diese eingezogen wird. Für die Werke, die bereits in verschiedene Datenbanken eingeflossen sind, käme eine solche Regelung vermutlich zu spät. [Ergänzung Oktober 2024: Inzwischen gibt es zur Frage der Nutzung von Werken für das KI-Trainingsdatenbanken eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, die nun wiederum zum gegensätzlichen Ergebnis kommt wie die in Teil 1 erwähnte Studie – und entschied, dass die Nutzung durch die Data-Mining-Richtlinie erlaubt gewesen sei. Ihr seht also, es gibt da gerade komplett verschiedene Meinungen und noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen.]
Die zweite Grundsatzfrage ist, ob und inwiefern ein Werk, das mithilfe generativer KI erstellt wurde, urheberrechtlich geschützt sein kann. Hierzu gibt es erste Entscheidungen, die Impulse geben können, aber auch noch keine verbindlichen Regelungen oder höchstrichterlichen Entscheidungen. Einige Beispiele: Elisa Shupe hatte vor dem US Copyright Office die Eintragung eines Copyright Schutzes für das von ihr selbst publizierte Buch AI Machinations: Tangled Webs and Typed Words beantragt, das ausschließlich von ChatGPT erstellte Texte beinhaltet, die von ihr angeordnet und bearbeitet wurden. Das US Copyright Office erkannte den Schutz für das Werk in seiner Gesamtheit, nicht aber für die einzelnen Textfragmente an, wobei Shupe eine Rolle als Redakteurin oder Lektorin zukommt. Andere könnten also jeden einzelnen Text frei verwenden, nicht aber die exakte Zusammenstellung. Ähnlich entschied das US Copyright Office bereits 2023 über eine Graphic Novel namens Zarya of the Dawn von Kris Kashtanova. Diese wurde in ihrer Gesamtheit geschützt, ebenso die Texte, die von Kashtanova selbst stammen. Die einzelnen Bilder jedoch (erstellt mit Midjourney) können von allen frei verwendet werden. In beiden Fällen vertritt die Behörde die Ansicht, dass maschinengenerierte Inhalte kein Urheberrecht begründen können.
Sogar im Fall von einem Midjourney-generierten Bild namens Théâtre D’opéra Spatial, das mittels 624 Prompts (also Anweisungen zur Überarbeitung) entstanden war, entschied das Copyright Office im Jahr 2023 so. Ähnlich urteilte im April 2024 auch das Stadtgericht Prag in einem Rechtsstreit zwischen zwei Anwaltskanzleien. Kanzlei 1 hatte sich mit DALL-E ein Bild für die eigene Website erstellen lassen, Kanzlei 2 hatte dieses für die eigene Website übernommen. Eine Klage von Kanzlei 1 auf Unterlassung scheiterte, da kein Urheberrecht an dem Bild vorhanden war. Eine abweichende Meinung vertrat hingegen ein Gericht in China, das einem Instagram Account recht gab, der eine andere Seite für die Weiterverwendung eines von ihm erstellten KI-Bildes verklagt hatte. Obwohl das Bild nicht einmal besonders aufwendig bearbeitet war, sah das Gericht hier die Schöpfungshöhe gewahrt. Es könnten sich also möglicherweise unterschiedliche Rechtsauffassungen in verschiedenen Staaten zu diesem Thema ergeben.
Maßgeblich könnte auch eine Gerichtsentscheidung aus Luxemburg aus Mai 2024 werden: Dort hatte die Fotografin Jingna Zhang einen Maler verklagt, der eine fotografische Arbeit von ihr beinahe ohne Unterschiede abgemalt hatte. Der Wechsel des Mediums von Fotografie zu Malerei fiel bei einer derart großen Ähnlichkeit nach Ansicht des Gerichts nicht ins Gewicht. Diese Entscheidung könnte, auch wenn sie gar nichts mit generativer KI zu tun hat, trotzdem Einfluss auf die Regulierung dieser nehmen, da auch dort oft z. B. Bilder von Filmfiguren oder Schauspieler*innen durch die Software in großer Ähnlichkeit zur Vorlage generiert oder Motive weiterverwendet werden. Außerdem beeinflusst selbstredend geltendes Recht, wie das am eigenen Bild, die Datenschutzgrundverordnung, Straftatbestände wie Volksverhetzung oder die Regelungen zu bildbasierter sexualisierter Gewalt, den Umgang mit generativer KI.
Und was ist jetzt mit dem AI Act der EU?
Dessen Entwurf stammt aus der fernen Vergangenheit von 2019, als an Midjourney und ChatGPT noch nicht zu denken war, und regelt hauptsächlich andere Anwendungen von KI, die er in vier Risikostufen, jeweils mit verschiedenen Pflichten (wie z. B. Aufsichts-, Transparenz- und Dokumentationspflichten) verbunden, einstuft. Es wurde zwar versucht, generative KI noch in den AI Act mit auf zunehmen, aber die Regelungen hierzu sind aktuell ausgesprochen dünn. Es steht nicht einmal genau fest, in welche Risikostufe generative KI einzuordnen wäre. Einigermaßen klar ist aktuell, dass Deepfakes kennzeichnungspflichtig sind (und teilweise auch ganz verboten, wenn sie Persönlichkeitsrechte verletzen), ebenso Nachrichten, die von öffentlichem Interesse sind. Bei Letzteren kann die Kennzeichnung jedoch entfallen, wenn menschliche Redaktionen noch einmal die Texte prüfen und die Verantwortung dafür übernehmen. Ob, wann und in welchem Umfang es eine Kennzeichnungspflicht für KI generierte Inhalte geben wird, die z. B. Verlage, Autor*innen, Grafiker*innen usw. trifft, ist derzeit also nicht abzusehen.
Generell ist zu erwarten, dass sich im Bereich von generativer KI in den nächsten Jahren noch einiges tun wird, was die Rechtsprechung angeht. Solange dieser Prozess noch andauert, werden alle Beteiligten noch mit Unsicherheiten leben müssen – können aber eben auch noch Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.