Science Fiction

Liebe und Sex inmitten der Sterne: Romance in der Science Fiction

Coverausschnitt des Romans "Herz des Imperiums. In den dunklen Silhouetten zweier Menschen sind Sterne und Planeten zu sehen
© Cross Cult

Judith Madera, 23.01.2025

Während die Romantasy weitere Regalmeter in den Buchhandlungen erobert, bringen die wenigstens Science Fiction mit Romantik und Erotik in Verbindung – eher mit Raumschiffen und fernen Planeten. Dabei können diese sehr atmosphärische und ungewöhnliche Schauplätze für Liebesgeschichten sein …

Wer wenig Science Fiction liest, assoziiert mit dem Genre wohl vor allem Elemente der Hard-SF wie physikalische Phänomene, (Weltraum-)Technik und vielleicht Außerirdische. All das bietet Star Trek. Die Filme und Serien sind ein Mix aus Military-SF, Hard-SF und Space Opera – zugleich sind sie aber auch Soap Operas, die von den unterschiedlichsten Beziehungen innerhalb der Raumschiffscrews sowie von Freundschaften und Affären mit fremden Spezies handeln. Während beispielsweise bei Star Trek: Voyager in manchen Episoden das komplette Schiff zerschossen wird, widmen sich andere auf humorvolle Weise dem Liebesleben einzelner Crewmitglieder. Legendär ist hier die Episode „Liebe inmitten der Sterne“, in der die ehemalige Borg Seven of Nine ihr Sozialverhalten verbessern will und die Beziehungen ihrer Kollegen erforscht. Diese reagieren natürlich nicht begeistert darauf, von ihr wie Tiere beobachtet zu werden. Der Doktor, eine Künstliche Intelligenz, will Seven helfen, romantische Beziehungen einzugehen – und verliebt sich in sie. Im Prinzip handelt es sich um eine einseitige „friends to lovers“-Story, die mit einem gebrochenen Herzen endet, mit viel Humor erzählt wird und ans Herz geht.

Liebe und Erotik haben also durchaus einen Platz in der Science Fiction, werden jedoch selten so einfühlsam umgesetzt wie in „Liebe inmitten der Sterne“. Erotische Abenteuer gehörten oft zum Wesen des klischeehaften Helden, ebenso diente ihm Liebe oft als Antrieb, wobei die Beziehung meist einseitig dargestellt wurde. Das Love Interest erfüllte nur seine Funktion und war selten eine eigenständige Figur, die maßgeblich zur Handlung beitrug. Sexszenen wurden oft nur angedeutet beziehungsweise abgeblendet – und waren oft auch richtig schlecht geschrieben. Natürlich gab es Ausnahmen und die heutige SF ist wie auch die Gesellschaft offener und diverser und nutzt Genreelemente, um Liebe und Sex anders zu erzählen. So sieht man in der Serie zu The Expanse Sex in der Schwerelosigkeit und erlebt eine Raumschiffcrew als liebevolles, polyamores und queeres Beziehungsgeflecht. Insbesondere zwischen unterschiedlichen Spezies kann Sex sehr spannend werden, wie die Anthologie Alien Eroticon, erschienen im Eridanus Verlag, zeigt. Einige der Geschichten sind klischeehaft und trotz Sexszenen kaum erotisch, andere ergründen einfühlsam die Fortpflanzung fremdartiger Spezies oder schildern erotische Beziehungen zu organischen Raumschiff-KIs.

In den letzten Jahren sind vermehrt SF-Romane erschienen, die Beziehungen als wichtigen Teil der Handlung begreifen und sich dabei unterschiedlichsten Formen von Liebesbeziehungen und geschlechtlichen Identitäten widmen. Zu nennen wären hier die Wayfarer-Reihe von Becky Chambers, Der Sterne Zahl von Kameron Hurley oder auch Outlaws in Space von Elea Brandt. Natürlich gibt es auch im Cyberpunk oder der Postapokalypse mitreißende Liebesgeschichten, doch in diesem Artikel wollen wir uns insbesondere Science Fiction widmen, die im Weltall oder auf fernen Planeten spielt und in der Liebe und Erotik eine wichtige Rolle spielen.

Progressive Space Operas mit Spice

Ace in Space von Judith und Christian Vogt ist vor allem eine actiongeladene Space Opera mit Cyberpunkvibes und Social-Media-Wahnsinn, bietet aber auch eine polyamore Lovestory zwischen den Protagonist*innen. Pilotin Danai desertiert und wird Mitglied der Jockeygang ihrer Mutter, die illegale Rennen mit Raumgleitern fliegen und ihre waghalsigen Stunts streamen. Kian ist nicht gerade begeistert von der Neuen, die sich als krasses Fliegerass entpuppt und so seinen Respekt gewinnt. Außerdem findet er Danai ziemlich heiß und beginnt eine Affäre mit ihr, in der beide offen ihre sexuellen Wünsche und Grenzen kommunizieren. Kians Exfreundin Neval bittet die beiden um Hilfe, sie will die Siedler auf Valoun II unterstützen, die von einer Sekte bedroht werden. Danai ist fasziniert von Neval, sie will aber auch Kian nicht aufgeben und so gehen die drei eine polyamore Beziehung ein, inklusive spicy Szenen zu dritt und Sex während dem Durchfliegen eines Wurmlochs.

Die Sternenbrand-Dilogie von Annette Juretzki ist eine queere Space Opera mit einem erzählerischen Schwerpunkt auf den freundschaftlichen und romantischen Beziehungen der Crew der Keora. Diese besteht aus Menschen und unterschiedlichen Aliens, die in einem konfliktbeladenen Bündnis zusammenarbeiten. Insbesondere zwischen Jonas (quasi dem menschlichen Captain) und dem Ghitaner Zeyn (quasi sein erster Offizier) knallt es regelmäßig – vor allem, als mit Xenen ein junger, gutaussehender Außerirdischer an Bord kommt, der das Interesse beider Männer weckt.

Im ersten Band dominieren die Streitigkeiten, im zweiten Band nimmt die Hintergrundstory an Fahrt auf und bietet reichlich Spannung, während die Beziehung zwischen Xenen und Zeyn tiefer wird. Xenen sieht abgesehen von seiner blauen Hautfarbe sehr menschlich aus, Zeyn mit seinem Exoskelett aus Knochenplatten dagegen auf den ersten Blick monströs – zumindest aus menschlicher Perspektive. Annette Juretzki geht einfühlsam auf die unterschiedlichen Körper ein und bietet geschmackvolle Erotik. Spannend sind auch die anderen Alienspezies und die politischen Verhältnisse in der galaktischen Allianz, deren Geschichte so manch dunkles Kapitel hat.

Romantasy inmitten der Sterne

Science Fiction in der fernen Zukunft spielt oftmals auf weit entfernten, fiktiven Planeten, die zu galaktischen Imperien gehören. Hier verschwimmen die Grenzen zur Fantasy, wie in Herz des Imperiums von Everina Maxwell, die eine bittersüße Liebesgeschichte mit royalem Setting erzählt. Prinz Kiem steht ziemlich weit hinten in der Erbfolge des Imperiums und genießt viele Freiheiten, doch als sein Cousin Taam stirbt, soll er dessen Mann Jainan heiraten. Politische Ehen dienen im Imperium dem Erhalt der Macht und sind wichtig für die Beurteilung der sogenannten Resolution, einem benachbarten, mächtigen Imperium, auf dessen Schutz Kiems Reich angewiesen ist. Zwischen ihm und Jainan gibt es diverse Missverständnisse, die zur Unterhaltung beitragen, doch im Verlauf der Handlung rücken ernste Themen wie Missbrauch in den Vordergrund.

Everina Maxwell setzt beim Worldbuildung auf klassische Elemente der Space Opera und Science Fantasy. Die politischen Verhältnisse im Imperium sind komplex und schwer zu durchschauen, vor allem für Kiem nicht, der sich bisher wenig für Politik interessiert hat. Jainan hingegen nimmt viel zu viel in Kauf, um keine politische Krise heraufzubeschwören. Der Roman spielt überwiegend auf dem Winterplaneten Iskat, der von einer sehr mächtigen royalen Familie regiert wird. Positiv fällt die Casual Queerness auf, queere Ehen und geschlechtliche Vielfalt sind hier normal und werden sprachlich berücksichtigt. Kiem spricht beispielsweise nicht von seinem Ehemann, sondern von seinem Partnermenschen, und nach sehr vielen Missverständnissen wird aus einer politischen Ehe die große Liebe.

Auch Star Bringer von Tracy Wolff verbindet Romance mit einer Space Opera bzw. Science Fantasy und richtet sich an jüngere Leser*innen. Kali ist die Prinzessin der Neun Planeten des Senestris Systems – und zur falschen Zeit am falschen Ort. Und zwar an Bord einer Raumstation, wo sie erstmals in offizieller Funktion auftritt und die bei einem Angriff zerstört wird. Der Söldner Ian rettet Kali das Leben und flieht mit ihr und fünf weiteren Überlebenden, zu denen auch die Rebellin Beckett und die Hohepriesterin Rain gehören, auf einem uralten Raumschiff. Es beginnt eine rasante Jagd durchs Sternensystem, dessen Sonne zu verlöschen droht.

Zwischen Kali und Ian sowie zwischen Beckett und Rain entwickelt sich jeweils eine Liebesgeschichte, inklusive „enemies to lovers“ und reichlich Klischees. Zwar gibt es in Star Bringer auch jede Menge Action, doch der Fokus der Handlung liegt auf den Beziehungen der Charaktere und eignet sich vor allem für Romantasyfans, die Lust auf ein Space-Opera-Setting haben.

Erotische SF-Romance

Eine von wenigen SF-Romance-Reihen, die ins Deutsche übersetzt wurden, sind Ruby Dixons Ice Planet Barbarians. Die Cover folgen der Optik erotischer Romantasytitel und auch inhaltlich orientieren sich die Romane an Tropes erfolgreicher Vampir- und Werwolfromanzen. Allerdings sind die Love Interests hier keine übernatürlichen, düsteren Wesen, sondern blaue Aliens mit Hörnern, die an die Na’vi aus Avatar erinnern und natürlich muskulös und unverschämt sexy sind. Die Hintergrundstory ist schnell umrissen: junge Menschenfrauen werden von Außerirdischen entführt und sollen als Sexsklavinnen verkauft werden, doch das Raumschiff hat technische Probleme und die Frauen stranden auf einem Eisplaneten, wo sie auf die einheimischen Sa-Khui treffen, die in ihrem Dorf einen krassen Männerüberschuss haben.

Die einzelnen Romane widmen sich (wie in der Romantasy üblich) nun einzelnen Paaren, bei denen aus sexueller Anziehung wahre Liebe wird. Nebenbei wird die Hintergrundgeschichte weitergesponnen, die nicht besonders komplex ist, jedoch viele Anspielungen auf bekannte SF-Filme und -Serien wie Star Wars und Stargate enthält. Die Ice Planet Barbarians sind vor allem erotische Unterhaltung in einem klirrend kalten SF-Setting, wobei der respektvolle Umgang der Alienmänner mit den menschlichen Frauen positiv auffällt. Ruby Dixons Eisplanetbarbaren eignen sich vor allem für Romance-Leser*innen, die Lust auf ein bisschen Science Fiction haben.

Was ist mindestens genauso beliebt wie Eisplaneten? Richtig: Wüstenplaneten. Und natürlich gibt es auch hier eine passende SF-Romance-Reihe: Die Barbaren des Sandplaneten von Tana Stone. Die Protagonistinnen sind hier interstellare Kopfgeldjägerinnen, die auf einem Wüstenplaneten stranden und dort auf attraktive Aliens (Barbaren) mit goldener Haut stoßen. In jedem Roman steht ein anderes Paar im Mittelpunkt. Insbesondere der Klappentext des ersten Romans klingt sehr nach den Ice Planet Barbarians, aber „more of the same“ ist im Romance-Genre durchaus erwünscht.

Unter den englischsprachigen Romanen findet sich wesentlich mehr SF-Romance, wobei auffällt, dass es meist um humanoide, muskulöse Alienmänner geht, die an Fantasywesen wie Vampire und Dämonen und damit an als SF verkleidete Romantasy erinnern. Mehr Mut zu SF-Elementen wäre hier wünschenswert!

Brauchen wir mehr SF-Romance?

„Nein!“ werden jetzt wohl viele rufen, denen schon die Romantasy zu viel Raum einnimmt. Andere dürften einem weiteren Guilty Pleasure gegenüber nicht abgeneigt sein. Romance ist oft klischeebeladen und toxisch, daran ändert auch ein SF-Setting nichts. Doch Romance kann auch wirklich romantisch und prickelnd sein und auch die SF hat gute Liebesgeschichten verdient, zumal Liebe und Erotik auch gesellschaftswissenschaftlich relevant sind. Und im Gegensatz zu anderen Romance-Genres ist die SF-Romance ein relativ neues, offenes Feld, auf dem man sich noch herrlich austoben kann!

Judith Madera

Judith Madera ist Literatopia-Chefredakteurin und Herausgeberin des Online-Fanzines PHANTAST. Seit 2019 schreibt sie gelegentlich für TOR online über Science Fiction, Anime und Manga. Mehr unter www.literatopia.de

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