Swantje Niemann, 14.07.2023
Wenn Fantasy- und Science-Fiction gut in einer Sache sind, dann darin, immer neue Trends und Subgenres hervorzubringen. Ein Trend, der größtenteils außerhalb der traditionellen Verlagswelt stattfindet, ist Progression Fantasy (nicht zu verwechseln mit progressiver Phantastik, auch wenn eine Geschichte beides sein kann).
Aber was ist das eigentlich? Ich habe es Andy Hahnemann vom Fischer-Tor-Team schlecht erklärt, woraufhin der meinte „… also Streber-Fantasy?“ Und teilweise passt das tatsächlich. Ich habe aber trotzdem mal eine Handvoll Tabs geöffnet und jemanden zurate gezogen, der sich nochmal besser mit dem Genre auskennt als ich, um für diesen Artikel eine präzisere Charakterisierung zu liefern.
Aufstrebende Fantasy-Held*innen
In einer Menge SFF-Romane finden sich Hauptfiguren, die im Verlauf der Handlung nicht nur charakterlich an ihren Aufgaben wachsen, sondern auch neue Fähigkeiten lernen oder perfektionieren. Das gilt besonders, wenn wir Figuren dabei begleiten, wie sie von ihrer Kindheit oder Jugend an von einer Mentor-Figur oder einer Akademie oder ähnlichem auf ihre Rolle vorbereitet werden (also quasi SFF-Bildungsromane) – hier würden mir beispielsweise „Das Lied des Blutes“ von Anthony Ryan oder „Eragon“ von Christopher Paolini einfallen. Eine Menge Bücher im Phantastik-Genre haben also ein Progression-Element, teilweise sogar mit klar markierten „Leveln“, aber nicht immer steht es im Vordergrund.
In Progression Fantasy hingegen ist das der Fall. Hier geht es in erster Linie darum, wie Figuren daran arbeiten, stärker/besser zu werden, und ihre Probleme schließlich mit den neu gewonnenen Kräften oder Fähigkeiten lösen. Der Fortschritt ist hierbei quantifizierbar und übersetzt sich teilweise sogar in konkrete Zahlen.
Lakonisch gesagt: Progression Fantasy ist ein Mikro-Genre, das die eskapistische Fantasie bedient, dass harte Arbeit belohnt wird. Es überschneidet sich stark mit anderen Genres wie LitRPG (Literatur über Welten, die wortwörtlich Spielregeln folgen), Cultivation (einem Subgenre des Xianxia-Genres) und Shōnen-Mangas und -Animes beziehungsweise lässt sich von diesen inspirieren.
Viele Bücher, die aktiv als Progression Fantasy vermarktet werden, erscheinen nicht in Verlagen, sondern über Selfpublishing-Kanäle wie Kindle Unlimited oder aber werden kapitelweise als Webnovels veröffentlicht. Es gibt mittlerweile eine große Szene von Progression-Fantasy-Fans im englischsprachigen Raum. Das Subgenre scheint vergleichsweise viele männliche Leser und Autoren anzuziehen, aber es gibt auch erfolgreiche Progression-Fantasy-Autorinnen wie beispielsweise Sarah Lin.
Bisher ist mir in erster Linie englischsprachige Progression-Fantasy begegnet, wobei es bestimmt auch deutschsprachige Bücher gibt, auf die das Label passen würde. Zumindest verwandte Genres wie LitRPG werden mittlerweile auch von deutschsprachigen Schreibenden bedient.