Otherland, 12.12.2023
Gleich drei beliebte Fantasy-Reihen erhalten nach langer Zeit Fortsetzungen, bei der einen aber nicht die erwartete. Funke, Paolini, Rothfuss und weitere Buchtipps vom Team der Berliner Fantasy- und Science-Fiction-Buchhandlung Otherland .
Als Patrick Rothfuss mit Musik der Stille, der Novelle über seinen Nebencharakter Auri, fertig war, war er der festen Überzeugung, dass sie eine Fingerübung sei und nur ihm selbst gefiele, alle seine anderen Leser könnten nichts damit anfangen, so ungewöhnlich die Form der handlungsarmen Geschichte, so andersartig ihre Sprache.
Und überhaupt ist Auri schon ein arger Sonderling, „gefangen“ in einer ganz eigenen Sicht auf die Dinge, in der sie sich aber bestens eingerichtet hat. Komischerweise kamen dann immer mehr Rückmeldungen zum Autor von Leuten, denen Musik der Stille sehr gut gefiel und die sich wider Erwarten in Auri wiederfanden.
Sieht es ähnlich aus mit der neuen alten Novelle über Nebenfigur Bast (erstmals in einer Anthologie von George Martin und Gardner Dozois veröffentlicht, jetzt verlängert und überarbeitet als Novellenband Der Weg der Wünsche erschienen)?
Bast geht, wenn er nicht gerade Meister Kvothe zuarbeitet, seinen ganz eigenen Geschäften nach und offenbart eine Schwäche, die mir sehr vertraut ist. Er trägt gewisse Geheimnisse mit sich herum oder zumindest Dinge, die er eigentlich nicht herausposaunen will und doch kann er, von einer gewissen Angstlust getrieben, nicht widerstehen, aus dem Nähkästchen zu plaudern, wohl ahnend, dass ihm die Preisgaben in naher oder ferner Zukunft immensen Schaden einbringen könnten. Gibt es einen Namen dafür? Ich wette. Und ich weiß genau, wie es sich anfühlt, dieses Spiel mit dem Feuer. Bast offenbart einige weitere menschliche, allzu menschliche Wesenszüge, ansonsten bleibt der Feen-Charakter angenehm mysteriös. Immer wenn Magie gewirkt wird oder in Tarotmanier Symbolsteine geworfen werden, rutscht die Erzählung in eine ganz eigene prickelnde Sphäre. Der Weg der Wünsche ist durchweg mit hervorragenden Bleistift-Zeichnungen illustriert und mein Lieblingsbild zeigt Bast bei einem Zeitzauber (kurz nach der Mitte). Diese Novelle ist, auch nach Meister Rothfuss’ Auffassung die Gefälligere, sie wird aber hoffentlich ihre ganz eigenen Liebhaber finden! [Caro]
Willkommen zurück in der Welt aus Tintenherz! Begebt euch auf ein neues Abenteuer, diesmal mit Staubfinger als verdiente Hauptperson. Cornelia Funke beweist hier wieder einmal, dass sie eine Meisterin der vielschichtigen Jugendliteratur und des Erzählers ist. Ich würde empfehlen die ersten Teile nochmal zu lesen, um die Größe dieser wunderbaren Welt zu verstehen, in der die Magie darin besteht, Figuren aus ihren Parallelwelten in unsere zu exportieren. Mit allen Fallstricken, die so eine Fähigkeit mit sich bringt.
Zwischen dem dritten Teil aus dem Tintenwelt Universum und dem neuen liegt über eine Dekade und fast meine ganzen 20er, daher war ich einigermaßen erschrocken, als es plötzlich auf unserem Neuheiten Tisch lag. Nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Nostalgiker, die Bock auf toll erzählte Fantasywelten und eine Liebeserklärung an Bücher, Bilder und Geschichten haben! [Esther]
Formschön und gutaussehend ist der brandneue Elric-Sammelband ein Fantasyerlebnis, das unter keinem Weihnachtsbaum fehlen darf! In neuer Übersetzung speit er nicht nur acht fetzende Romane und unzählige Vorwörter (von u. a. Alan Moore, Neil Gaiman und Tad Williams), sondern auch zahlreiche Illustrationen den erwartungsvollen Augen seiner entzückten Leserschaft entgegen.
Melniboné präsentiert sich in grimmer Pracht, hier gewahren wir unseren nachdenklichen Albino-Helden auf seinem Rubinthron. Doch man gemahnt zum Aufbruch! Magische Momente erwarten Elrics Reisegefährten, wenn es heißt, auf in die jungen Königreiche, in die Traumgefilde und ins sagenumwobene Tanelorn. Die Gefährten kommen und gehen, doch alle sind sie eine Bereicherung für unseren lernwilligen, philosophierenden Herrscher; so mancher mächtige Widerling jedoch gerät in die Quere seines Strebens nach Gerechtigkeit. Gegen sie schließt unser verzweifelter Streiter einen Pakt mit den Herren des Chaos und wenn er das seelenfressende schwarze Schwert Sturmbringer mit Heulen und Jaulen gegen seine Feinde zieht, ist Gänsehaut garantiert. [Caro]
Ein über Generationen wirkender Fluch, sich einmischende Götter, Kindesopfer, Gatten-, Mutter- und (Stief-) Vatermord, Rache, Gewalt und Gegengewalt und am Ende vielleicht ein Ausbruch aus diesem Teufelskreis... Der Ausschnitt der griechischen Mythologie, in den Klytämnestra hineingehört, hat es in sich!
Wie es derzeit gerne gemacht wird, ist die Geschichte hier aus einer neuen Perspektive erzählt, eben aus der Klytämnestras, Gattin des Agamenon, Halbschwester der Helena, Mutter von Iphigenie, Elektra und Orestes.
Wer in diesem Kosmos weiter herumlesen will, empfehle ich dringend Die Orestie von Aischylos (458 v. Chr.) und Sartres Die Fliegen (1943), außerdem für einen Überblick Stephen Fry’s Mythos, Helden und Troja (2017-2020). [Caro]
ES IST SOWEIT!
Ein neues Buch mit bekannten Charakteren! Eragon war damals das erste Fantasy Buch, was ich je in meine Finger bekommen habe, und ihr seht ja, wo das hingeführt hat. ;)
Daher war ich freudig überrascht, als dieser dicke neue Wälzer in unseren Laden geflattert kam. Willkommen zurück in Alagaësia! Murtagh knüpft genau da an, wo damals die Eragon-Quattrologie aufgehört hat. Dieses Mal ist aber nicht Eragon der Held, sondern unsere gemarterte Lieblings Nebenfigur Murtagh! Der kam meines Ermessens damals sowieso viel zu kurz, so vielschichtig und gequält er auch war. Aber nicht nur Murtagh ist mit von der Partie, es gibt natürlich noch die Stimme seines Drachens. Und Fantasy wäre nicht Fantasy ohne die titelgebende "dunkle Bedrohung" die in den Schatten des neu befreiten Kontinents lauert......
Ich für meinen Teil bin reif für eine heiße Schokolade und freudiges Schmökern bei Kerzenschein.
Ja, dem fällt auch nichts Neues ein, könnte man mir vorwerfen, da ich dieses famose Buch ja nun schon ein paar Mal, womöglich auch letztes Jahr schon als Weihnachtstipp, empfohlen habe. Ja, schon. Aber: In einem knappen Monat geht 2024 los, und das, liebe Leute, ist das Kafka-Jubiläumsjahr. Darauf solltet ihr euch noch schnell vorbereiten.
Zumal dann nicht Kafkas hundertster Geburtstag, sondern sein hundertster Todestag -- am 3. Juni -- gefeiert wird. Und die Handlung des Romans von Jon Steinhagen setzt am 4. Juni 1924 ein, an dem die Figur Kafka kerngesund im Bett erwacht und sich fragt, wieso er denn nicht gestorben ist. Sein wunderliches neues Leben führt ihn sodann nach Wien, wo er im Varieté-Milieu eine Mordserie rund um den Hängekünstler Hans Henker aufklärt. Der Klappentext lässt eher etwas Parodistisch-Witziges vermuten, das ist der Roman aber nicht. Sicher auch humorvoll, aber eher im Rahmen des kafkaschen Humors. Eigentlich sollte niemand ohne dieses Buch ins hundertjährige Jubiläum von Kafkas Todestag starten! [Simon]
