Christian Handel, 07.06.2023
Feen oder Fairies/Fae, wie sie im Englischen heißen, liegen in der Fantasy aktuell ebenso im Trend, wie Märchen-Themen. Und manchmal wird beides miteinander kombiniert. Christian Handel stellt uns einige dieser Bücher vor.
Seit jeher faszinieren Feen- und Elfenwesen uns mit ihrem ambivalenten Charakter und ihrer magischen Aura. Oft sind sie schillernde Grenzgänger, die zwischen den Welten wandern und sich in die Geschicke der Menschen einmischen – mal belohnend, dann wieder strafend. Ihr Moralkodex unterscheidet sich gänzlich von unserem, und das macht sie so interessant. In der Phantastik haben sie ihren ganz eigenen Platz gefunden. Von Shakespeares Sommernachtstraum, mittelalterlichen Dichtungen und Volks- und Kunstmärchen über Young Adult-Bücher wie etwa Holly Blacks Elfenkrone und Sarah J. Maas‘ Das Reich der sieben Höfe bis hin zu epischen Fantasy-Romanen, in denen sie entweder als Antagonisten, als Trickster-Wesen oder aber gar als Love Interest auftreten.
Emily Wildes Enzyklopädie der Feen | Heather Fawcett
In Emily Wildes Enzyklopädie der Feen sind sie all das und noch viel mehr. Autorin Heather Fawcett erschafft – unter anderem – ein skandinavisches Feenvolk, das von keltischen Sagen inspiriert ist, dem sie jedoch auch neue Seiten abgewinnt. Titelheldin Emily Wilde ist eine angesehene Collegeprofessorin zu Beginn eines 20. Jahrhunderts, das dem unseren stark ähnelt. Einen Unterschied gibt es allerdings: Die Existenz von Feen wird allgemein anerkannt. Um die allererste Enzyklopädie über Feenwesen zu vollenden, reist Professor Wilde in ein winziges, nordisches Inseldorf, um dort die hiesigen Wesen der Anderswelt – Gestalten aus Eis und Schnee – zu erforschen. Emily ist eine ebenso akribische wie hervorragende Wissenschaftlerin, im Umgang mit Menschen jedoch leider reichlich ungeschickt. Ohne es zu wollen und ohne zu wissen warum, hat sie bald das halbe Dorf gegen sich aufgebracht. Die Ereignisse verkomplizieren sich, als auch noch Wendell Bambleby in ihrer Hütte auftaucht, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Bambleby ist Emilys Kollege aus Cambridge, stets frustrierend gut gelaunt und gesellig – und lässt sich aus irgendeinem Grund von Emilys ungelenker Art nicht vertreiben. Zu zweit stolpern sie in ein fantastisches Abenteuer vor einer malerischen Winterkulisse. Fawcett verfasst ihren Roman im Tagebuchstil. Emilys unbedarfte Art trägt zu dem zauberhaften Wohlfühl-Charme des Buches ebenso bei, wie die vielen Feengeschichten, die sie sammelt und in die Handlung mit einstreut.
Die Erlkönig-Saga | S. Jae-Jones
Wenn das alte Jahr stirbt und der Winter beginnt, zieht der König der Kobolde aus, um sich eine neue Braut zu suchen …
Als Kind hat Liesl noch gewusst, dass die ebenso märchenhaften wie düsteren Geschichten, die ihre Großmutter über den Koboldkönig und seine Unterwelt der Feen erzählt, der Wahrheit entsprechen. Tief im Wald ist sie selbst einem jener Wesen begegnet. Später hat sie Erinnerung und Glauben an all das verloren – bis zu dem Winter, in dem ihre Schwester den Kobolden in die Hände fällt. Liesl folgt den finsteren Wesen in ihr dunkles Reich, um sie zu retten. Weil ihr nichts Anderes übrigbleibt, fordert sie den faszinierenden Erlkönig zu einem gefährlichen Spiel heraus. Autorin S. Jae-Jones gibt unumwunden zu, dass sie sich für ihren aus Wintersong und Shadowsong bestehenden Zweiteiler vom 1980er-Jahre-Kultstreifen Labyrinth mit David Bowie als Koboldkönig hat inspirieren lassen. Einige Parallelen gibt es tatsächlich, Jones Erlkönig-Saga ist aber deutlich düsterer, romantischer und eigenständiger. Die Handlung, die Figuren, die Atmosphäre, die Sprache: Alles an den beiden Büchern ist dunkel, glitzernd, gefährlich, tragisch und emotional wie das Volk der Kobolde und Feen selbst.
Im Schatten der Raunacht | Spiel der Fae von Nina Bellem
Als Raunächte bezeichnet man im Brauchtum die gefährliche Zeit zwischen den Jahren, in der die Wilde Jagd durch die Gegend zieht und man sich selbst besser gut geschützt in den eigenen vier Wänden aufhält. Und in dieser Zeit – allerdings im modernen Berlin - spielt Nina Bellems Urban Fantasy-Roman Im Schatten der Raunacht – Spiel der Fae. Hauptfigur Vivienne wurden zwanzig Jahre ihres Lebens gestohlen. Von einem Feenwesen. Und diese Jahre will sie wiederhaben. Mittlerweile ist sie gut darin geworden, die Wesen der Anderswelt zu erkennen, die sich unerkannt unter den Menschen bewegen – und sie zu jagen. Eines Tages klopft ein sprechender Hund an ihre Tür, ihre Wohnung wird von Monstern verwüstet und plötzlich steht das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel. Zwischen dem Fernsehturm am Alexanderplatz und einem Pub für Fabelwesen entspinnt sich eine Geschichte voller dunkler Feen, einer Menschenfrau, die sich mit ihnen anlegt – und einem ganz speziellen Corgi.