Judith Madera, 24.05.2023
Wie werden wir leben – in 20, 30 oder 100 Jahren? Werden wir uns an Trockenheit, Hitze und Starkregen anpassen und die schlimmsten Folgen der Klimakrise aufhalten können? Wird sich die soziale Spaltung vertiefen oder werden wir neue solidarische Gemeinschaftsformen finden? Die Science Fiction hat einige spannende Ideen dazu, wie das Leben im Deutschland der Zukunft aussehen könnte:
In der internationalen Science Fiction sehen wir meist die neondüsteren Zukünfte amerikanischer Metropolen oder asiatischer Megastädte. Deutschland ist oft nur eine Randnotiz und meistens nicht einmal das. Auch bei der Erforschung unseres Sonnensystems und Reisen durch die Galaxie spielt Deutschland keine Rolle, gibt es in einer so weit entfernten Zukunft doch meist keine Staaten mehr wie heute. Auch die deutschsprachige Science Fiction wählt gerne imposante Schauplätze im Ausland, doch immer öfter widmet sie sich auch der Zukunft in Deutschland. Near-Future-SF und Climate Fiction zeichnen ein meist düsteres Bild unserer Zukunft und gehen durch die zeitliche und räumliche Nähe vielen deutschsprachigen Leser*innen unter die Haut. In diesem Artikel schauen wir uns unterschiedliche Szenarien an, manche davon relativ realistisch, andere (hoffentlich) zu düster und manche auch sehr phantastisch, aber ebenso faszinierend.
Kurztrips in die Zukunft
In vielen Anthologien und Magazinen lassen sich außergewöhnliche Kurzgeschichten finden und sie sollen in diesem Artikel nicht fehlen. In Klimazukünfte 2050 – Geschichten unserer gefährdeten Welt (2023) finden sich verschiedene Zukunftsvisionen einer vom Klimawandel veränderten Erde, wobei das Setting oft unbestimmt ist, bei vielen Beiträgen jedoch auch eindeutig Deutschland. Hervorzuheben sind hier zwei Geschichten: „Zwei Grad“ von Pia Marie Hegmann zeichnet ein recht realistisches, wenn auch pessimistisches Porträt einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Töchtern, die in ihrem Alltag in Süddeutschland die Auswirkungen der Klimakrise schmerzhaft spüren. Während für die jüngere Tochter das zu trockene Deutschland Normalität ist, ist die ältere Tochter von Zorn und Anklagen erfüllt – die Mutter hingegen von Reue und Sorgen. In "Nordmeer-Delfine" von Janika Rehak erleben wir ein teilüberflutetes Norddeutschland, in dem der Protagonist als Müllskipper auf der verseuchten Nordsee unterwegs ist. Die Geschichte konzentriert sich auf das schwierige Leben junger Menschen mitten in der Klimakrise – so könnte die Zukunft der Kinder der heutigen Schüler*innen aussehen.
Auch in „Nicht von dieser Welt“ von Aiki Mira (erschienen in NOVA 32, 2023) befinden wir uns an der Nordsee, wo allerdings kaum noch Menschen leben. Das Wasser ist verseucht und frisst sich immer tiefer ins Land. Ein Vater hat für sich und seinen Sohn eine Festung gebaut, sie trotzen dem Klimawandel und dem aufziehenden Krieg, während die Mutter längst auf dem Weg zum Mars ist.
Christian Endres widmet sich in „Wer hat Angst vorm bösen W@lf“ (erschienen in Spektrum der Wissenschaft 4/21) dem Müllwahnsinn in Deutschland. In der Zukunft können wir unseren Müll nicht mehr nach Übersee verschiffen und werfen ihn stattdessen in die Wälder, wo sich tonnenweise futuristischer Elektroschrott ansammelt und die Tiere in Cyborgs verwandelt – und die technologisch veränderten Wölfe sinnen auf Rache.
Hoffnungsvollere Einblicke in Deutschlands Zukunft erhalten wir in „Als wir uns treffen, lächeln die Dinos“ von Oliver Bayer (erschienen in Sonnenseiten – Street-Art trifft Solarpunk, 2022): Düsseldorf ist in der Zukunft eine grüne, helle Solarpunkstadt, in der virtuelle Dinosaurier die Menschen erfreuen und junge Menschen über neue Kunstformen diskutieren.