Fantasy

Faschistische Hobbits? Julius Evola und die rechtsextreme Adaption von J.R.R. Tolkiens Welt

Szene aus "Die Rückkehr des Königs" über die behelmten Köpfe der Krieger von Rohan blicken wir auf das geöffnete schwarze Tor, durch das Saurons Armee sich nähert, im Hintergrund der Schicksalsberg, orange leuchtend
© New Line Cinema

Tobias Hof, 14.03.2024

Was reizt Faschist*innen wie Georgia Meloni so am Herrn der Ringe? Welche Lesarten von Tolkiens Werk lassen solche Interpretationen zu? Tobias Hof klärt uns auf.[1]

J.R.R. Tolkiens Fantasy-Trilogie Der Herr der Ringe, die erstmals 1954 veröffentlicht wurde, erfreute sich in den 1960er Jahren in der linken Gegenkultur in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich großer Beliebtheit. Während der Fantasyroman, der teils als „Bibel der Hippies“ bezeichnet wurde, seinen jungen Lesern und Leserinnen eine Flucht aus der Realität bot, wurden Tolkiens Figuren auch hochgradig politisiert. Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs (1955–1975) sowie der Studenten- und Antikriegsproteste avancierte Sauron zur Personifizierung des US-Imperialismus und in New Yorker und Londoner U-Bahn-Stationen fanden sich Graffiti–Slogans wie „Frodo lives“ und „Gandalf for President“.[2]

Heutige Medienberichte erwecken aber den Eindruck, dass sich diese progressive politische Adaption von Tolkiens Werken in ihr Gegenteil verkehrt hat. Vor allem die rechtsgerichtete Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni (*1977), einst Mitglied der neofaschistischen Jugendbewegung und eine Bewunderin Benito Mussolinis (1883–1945), gab sich als Tolkien-Fan zu erkennen. Meloni bezeichnete den Herrn der Ringe gar als „heiligen Text“, der ihre persönliche Weltanschauung stark beeinflusst habe. Im November 2023 eröffnete sie in Rom eine Tolkien-Ausstellung, die vom italienischen Kulturministerium ausdrücklich gewünscht und unterstützt wurde.[3]

Die Popularität Tolkiens und der von ihm geschaffenen Fantasywelt im rechtsextremen Milieu Italiens ist jedoch keine Neuigkeit. Vielmehr geht sie auf die erste italienische Ausgabe von Der Herr der Ringe aus dem Jahr 1970 zurück. Marco Tarchi (*1952), ein Protagonist der italienischen rechtsextremen Jugendbewegung in den 1970er Jahren und heute Professor für Politikwissenschaft an der Universität Florenz, schrieb 1975 in seiner Rezension über den Roman, Der Herr der Ringe sei „das zauberhafteste Buch, das wir je in den Händen hatten“ und eigne sich besonders für die rechte Jugend, weil es nicht durch eine faschistische Vergangenheit vorbelastet sei.[4]

Dass gegensätzliche politische Extreme Tolkien für sich in Beschlag nahmen und heute immer noch nehmen, wirft die Frage auf, welche Narrative und Symbole in seinen Werken die italienischen Rechtsextremen besonders ansprachen und ansprechen. Außerdem stellt sich die Frage, warum und wie es dazu kam, dass gerade in Italien erstmals ein rechtsextremes Publikum im größeren Maße Tolkiens Welt für sich entdeckte.

Die Suche nach Antworten und Julius Evola

Die Suche nach Antworten führt uns zunächst zur ersten italienischen Ausgabe von Der Herr der Ringe aus dem Jahr 1970, die im Verlag Rusconi Editrice erschien. Nicht nur war der Verlag in rechten Kreisen beliebt, sondern das Vorwort schrieb auch noch der konservative Philosoph Elémire Zolla (1926–2002). Im Gegensatz zu Tolkien, der jede politische Deutung seines Buches ablehnte, vertrat Zolla die Auffassung, dass Der Herr der Ringe eine mythische Philosophie verkörpere und dass seine archaische Welt, seine Figuren und Symbole eine klare Ablehnung der modernen Gesellschaft darstellten. Darüber hinaus erklärte er, dass der Roman nicht als ein Märchen missverstanden werden dürfe. Vielmehr sei es eine Geschichte über den endgültigen Triumph des Guten über das Böse.[5]

Angesichts von Tolkiens gesellschaftspolitischem Hintergrund war Zollas Interpretation nicht allzu abwegig. Tolkien galt als konservativer Schriftsteller, dessen politische und soziale Ideen auf einem katholischen Weltbild beruhten. Er stand dem wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt skeptisch gegenüber, weil er in ihm eine Gefahr für die menschliche Seele sowie für die Umwelt sah. Tolkien lehnte Sozialismus, Nationalsozialismus und Kapitalismus ab und wertete die Menschheitsgeschichte als einen langwierigen Prozess des Niedergangs. Dennoch hatte er noch die Hoffnung, dass dank einer starken romantischen und ritterlichen Tradition des Heldentums und der Aufopferung eine Besserung noch möglich sei.[6]

Doch es war nicht nur Zollas Interpretation, die es rechtsextremen Kreisen erleichterte, Tolkien für sich zu entdecken. Vielmehr überlappte sich Tolkiens Welt in vielen Bereichen mit der Gedankenwelt des faschistischen Philosophen Julius Evola (1898–1974). Evola wurde in den 1970er Jahren zu einer Ikone der rechtsextremen Jugend Italiens. Er hatte sich nie einer politischen Partei angeschlossen, auch wenn er den italienischen Faschisten, den deutschen Nationalsozialisten und der rumänischen Eisernen Garde nahestand. Er diffamierte Benito Mussolinis Marsch auf Rom 1922 als „Karikatur einer Revolution“ und lehnte dessen faschistisches Regime als zu populistisch und bar jeglicher Spiritualität ab. Folglich kritisierte er in der Nachkriegszeit auch die Nostalgie der neofaschistischen Partei Italiens (Movimento Sociale Italiano, MSI). Dieses angespannte Verhältnis zwischen Evola und dem MSI machte ihn zu einem Verbündeten der orientierungslosen rechtsradikalen Jugend, die sich von der Partei verraten und im Stich gelassen fühlte.[7]

Ein Vergleich von Tolkiens archaischer Welt mit Evolas abstrakter Ideologie, die mehrere Traditionsschulen miteinander vermischte – darunter den Buddhismus, fernöstliche Lehren, den Traditionalismus von René Guénon (1886–1951) und völkische Konzepte –, gibt uns eine Idee davon, welche Narrative aus Tolkiens Romanen Rechtsextreme besonders ansprachen. Im Folgenden sollen drei Aspekte betrachtet werden: der Kampf zwischen Gut und Böse sowie die Rolle des Außenseiters, die Darstellung der Männlichkeit und des Patriarchats und der Antimodernismus.

Gut und Böse, Männlichkeit und Patriarchat, Antimodernismus

Erstens war Evolas Philosophie stark von der nordischen Sagenwelt und Mythologie beeinflusst. Er nutzte diese Mythen, um den ewigen Kampf zwischen den Mächten des Bösen und des Guten – darunter verstand er die Anhänger seiner Philosophie – zu veranschaulichen. Ein Kompromiss zwischen diesen Gewalten war seiner Meinung nach unmöglich. Der einzige Weg, eine neue, bessere Welt zu schaffen, die dem imaginären, paradiesischem Land „Hyperborea“ mit seinen spirituellen Traditionen ähneln würde, bestehe darin, dass die Mächte des Guten die moderne Welt vollständig zerstören müssten. Doch, wie er in seinen Büchern Revolte gegen die moderne Welt (Rivolta contro il mondo moderno, 1934/1951) und Den Tiger reiten (Cavalcare la Tigre, 1961) argumentierte, waren die Mächte des Guten in der heutigen Gesellschaft marginalisiert. Um in diesem feindlichen Umfeld überhaupt überleben zu können, müssten seine Anhänger deshalb eine „abwartende Haltung“ verinnerlichen, die Evola als „apoliteia“ bezeichnete. Er argumentierte, dass sie derzeit nicht stark genug seien, die Mächte der Finsternis zu besiegen. Deshalb müssten sie im Verborgenen den richtigen Zeitpunkt abwarten und dann zuschlagen, wenn der „Tiger“ – bei Evola eine Analogie für die moderne Welt – zu müde ist, um wegzulaufen.[8]

Diese Interpretation der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse kann auch in Tolkiens Mittelerde mit ihrem ewigen Kampf zwischen dem Guten – den Hobbits, den Elben, den Zwergen und den rechtschaffenen Menschen – und dem Bösen, verkörpert durch Sauron und die Orks, hineingelesen werden. Dabei waren Hobbits in der Welt der schwertschwingenden und magiebegabten Helden die großen Außenseiter. Aber genau mit diesem Außenseiterstatus konnten sich die rechtsextremen Jugendlichen Italiens der 1970er Jahre angesichts ihrer eigenen wahrgenommenen Marginalisierung in Politik und Gesellschaft identifizieren. Generoso Simeone (1944–2000), ein Bewunderer Evolas und einer der Organisatoren der rechtsextremen Campo Hobbit-Festivals in Italien, die 1977, 1978, 1980 und 1981 stattfanden, erklärte dies folgendermaßen: „Indem wir uns auf die Figuren bezogen, die Tolkien in seinen Fantasyromanen und Märchen geschaffen hatte [...], wollten wir zeigen [...] [dass] wir den Zustand der Welt ablehnten und nicht akzeptierten. [...]. Wir sind wie Bewohner Mittelerdes, die auch mit Drachen, Orks und anderen Kreaturen zu kämpfen haben.“[9]

Mario Bortoluzzi, Sänger der rechtsextremen Band Gemeinschaft des Ringes (Compagnia dell'Anello), die eigens für das Campo Hobbit-Festival gegründet und nach dem ersten Buch von Tolkiens Herr der Ringe-Trilogie benannt wurde, fügte hinzu: Nach Tolkien könne selbst die kleinste und unwahrscheinlichste Person zum Helden werden und den Materialismus und die Industrialisierung zu besiegen, um zu einer traditionalistischen Gesellschaft zurückzukehren. Viele jüngere Rechtsradikale, so Bortoluzzi, fühlten sich damals wie ein Hobbit: „Klein, aber zäh, unverwüstlich, kämpferisch und am Ende siegreich“.[10] Das berühmteste Lied der Band, „Der Morgen gehört uns“ („Il domani appartiene a noi“), war ein Aufruf zum Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit und wurde zur Hymne der neofaschistischen Jugendbewegung. In ihrer Autobiografie Ich bin Giorgia (Io sono Giorgia, 2021) griff Giorgia Meloni auf eine ähnliche Interpretation zurück, wie sie Bortoluzzi ausgeführt hatte. Sie schrieb, dass Samweis „Sam“ Gamdschie stets ihr Lieblingshobbit gewesen sei. Sam, so argumentierte Meloni, sei weder stark oder schnell noch majestätisch wie andere Protagonisten des Herrn der Ringe aufgetreten – er sei einfach ein ganz normaler Hobbit gewesen. Aber ohne ihn – und damit ohne die Hilfe einfacher Leute – hätte Frodo seine Mission niemals erfüllen können.[11]

Zweitens predigte Evola eine patriarchalische Weltanschauung mit traditionellen Geschlechtermodellen. In zahlreichen Texten und Büchern, darunter Die große Lust (Metafisica del sesso, 1958) und Revolte gegen die moderne Welt, betonte Evola die Überlegenheit des Mannes, bezeichnete die Emanzipation der Frau als „Plage“ und argumentierte, dass das Matriarchat ein Zeichen des kulturellen und gesellschaftlichen Niedergangs sei. Er vertrat die Ansicht, dass es die Pflicht der Frauen sei, von den Männern, als hypermaskulinen Kriegern, erobert und beherrscht zu werden. Erst die Unterwerfung der Frauen würde es ermöglichen, die Gesellschaft wieder zu den Traditionen des mythischen Landes „Hyperborea“ zurückzuführen. Darüber hinaus könnten nach Evola nur Männer die wahre Spiritualität erlangen und deshalb die materialistisch-dekadente moderne Welt überwinden.

In Tolkiens Texten finden wir zwar einige starke Frauengestalten wie die Elfe Galadriel oder die Adlige Rohans und Schwester Éomers, Ewoyn – ihr Name stand Pate für eine Frauenzeitschrift der italienischen Rechten in den 1970er Jahren. Aber diese Charaktere wurden dank der Dominanz männlicher Helden zu bloßen Nebenfiguren. Die Protagonisten von Der Hobbit waren neun männliche Zwerge und der Hobbit Bilbo Beutlin. Auch die Gemeinschaft des Rings bestand nur aus Männern. Tolkiens und Evolas männerdominierte Weltanschauung sprach – und spricht auch heute noch – insbesondere junge Männer an, die in einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung aufwuchsen, sich aber durch Umstände wie die sexuelle Revolution im Zuge der 1968er Bewegung in ihrer Männlichkeit verunsichert fühlten und sich in ihrer gesellschaftlichen Stellung gefährdet sahen. Die Verheißung beziehungsweise Beschreibung einer elitären und patriarchalischen Gesellschaft half ihnen, ihr Selbstwertgefühl wiederherzustellen.

Drittens teilten Evola und Tolkien – wie Zolla dies in seinem Vorwort betonte – eine weitere Weltanschauung: den Antimodernismus. In Revolte gegen die moderne Welt vertrat Evola die Ansicht, dass die Menschheitsgeschichte keine Erfolgsgeschichte sei, sondern vielmehr den Verfall der höchsten spirituellen Tugenden symbolisiere, wie sie im mythischen Land „Hyperborea“ vorhanden gewesen wären. Er lobte nicht nur die Tempelritter und die nationalsozialistische SS, die sich gegen den Niedergang gestemmt hätten, sondern bezeichnete auch die Renaissance, die Französische Revolution mit all ihren Werten und das italienische Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit als „falsche Mythen“, die die Welt in die Anarchie gestürzt hätten. Auch warnte Evola seine Anhänger davor, sich von einer „Zivilisation des Materialismus und der Maschinen“ täuschen zu lassen.[12]

Tolkiens Skepsis und Kritik an Fortschritt und Technologie im Herrn der Ringe wird in der Person Sarumans am deutlichsten. Geblendet von Gier und Größenwahn schuf Saruman eine neue, stärkere Rasse von Orks, wobei er natürliche Ressourcen ausbeutete und zerstörte. Besiegt wurde Saruman von den Ents, einer Spezies von Wesen, die Bäumen sehr ähnlich sind, sowie von den Hobbits und damit von einem Volk, das sich traditionellen, agrarromantischen Werten verpflichtet fühlte. Der rechtsextreme Leser fand somit in Tolkiens Welt die Bestätigung, dass „moderne Idolatrie“ wie Konsumverhalten und Individualismus durch traditionelle Werte wie „Mut“, „Heldentum“ und „Kameradschaft“ – zentrale Aspekte in Tolkiens Der Hobbit und Der Herr der Ringe – besiegt werden könnten.[13]

Deutungshoheit

Tolkiens Herr der Ringe enthält Narrative und Symbole, die sowohl Rechts- wie Linksextreme für ihre eigenen Zwecke vereinnahm konnten und immer noch können. Tolkiens Adaption durch Italiens Rechte seit den 1970er Jahren unterstreicht die Bedeutung von Personen und Organisationen, die eine Deutungshoheit über die Tolkiens Texte für sich reklamieren und die ambivalenten Narrative in einfache, verständliche Botschaften übersetzen. In Italien war es Elémire Zolla, der Tolkiens Fantasywelt für Rechtsextreme erstmals zugänglich machte, indem er sie mit zentralen Themen und Schlüsselbegriffen in Verbindung brachte, wie sie Julius Evola in seiner Philosophie vertrat. Diese Auslegung von Tolkiens Texten und der Vergleich mit Evola fiel Zolla auch deshalb nicht schwer, da sowohl Tolkien als auch Evola stark von altenglischen und germanischen Sagen beeinflusst waren. Die Ähnlichkeiten zwischen Evolas Revolte gegen die moderne Welt und Tolkiens Werken, einschließlich seines mythopoetischen Werks Das Silmarillion, das 1978 ebenso vom Verlag Rusconi Editrice publiziert wurde, sind daher nicht besonders überraschend.

Doch während Evolas Philosophie, die heute – wenn auch missverstanden – bei amerikanischen Rechtsextremen wie Stephen Bannon hoch im Kurs steht, komplex und schwer zu entschlüsseln war, war Tolkiens Welt mit ihrem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, ihrer vergangenen Ära eines goldenen Zeitalters und ihrem heldenhaften, selbstaufopfernden Kampf für eine scheinbar verlorene Sache wesentlich einfacher verständlich. Die Gemeinsamkeiten zwischen Tolkien und Evola, mit dessen Texten manch junger Rechtsextremer erstmals während der Campo-Hobbit-Festivals in Berührung kam, machten wiederum Evolas Kernaussagen für ein breiteres Publikum leichter zugänglich.

Heute könnte Zollas Auslegung von Tolkiens Herr der Ringe längst vergessen sein. Aber es sind neue Interpretationen aufgetaucht, die Tolkiens Werke – ungeachtet dessen, was ausgewiesene Tolkien-Experten in ihren Arbeiten herausarbeiten – erneut zu Lieblingsbücher der Rechtsextremen machen können. Das beste Beispiel ist die Filmtrilogie von Peter Jackson, die zwischen 2001 und 2003 und damit unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 weltweit in den Kinos ausgestrahlt wurde. Jackson fügte seinen Filmen Inhalte und Dialoge hinzu, die nicht – oder zumindest nicht explizit – Bestandteil von Tolkiens Originaltexten waren. Einige dieser Ergänzungen waren in der Tolkien-Fangemeinschaft höchst umstritten, fanden aber teils bei einem rechtsextremen Publikum besonderen Anklang. Im dritten Film (Die Rückkehr des Königs), kurz vor der letzten Schlacht am Schwarzen Tor, hielt Aragorn folgende Rede vor seinen verängstigten Soldaten:

Söhne Gondors und Rohans, meine Brüder! Ich sehe in euren Augen dieselbe Furcht, die auch mich verzagen ließe. Der Tag mag kommen, da der Mut der Menschen erlischt, da wir unsere Gefährten im Stich lassen und aller Freundschaft Bande bricht. Doch dieser Tag ist noch fern. Die Stunde der Wölfe und zerschmetterter Schilde, da das Zeitalter der Menschen tosend untergeht, doch dieser Tag ist noch fern! Denn heute kämpfen wir! Bei allem, was euch teuer ist auf dieser Erde, sage ich: Haltet stand, Menschen des Westens!

Vor dem Hintergrund des „Kriegs gegen den Terror“, islamistisch motivierter terroristischer Attentate und steigender Migrationszahlen war und ist die heutige Welt in der Wahrnehmung vieler Rechtsextremer –wie Tolkiens Mittelerde – dem Untergang geweiht. So konnte diese verfilmte Rede an die „Menschen des Westens“ von Rechtsextremen als Schlachtruf für ihre Sache verstanden und genutzt werden: Nur wenn die weißen, christlichen, zivilisierten Menschen zusammenstehen, würden sie im „Kampf der Kulturen“ (Samuel P. Huntington) siegreich sein. So fand Tolkiens Welt, ob beabsichtigt oder nicht, einmal mehr Anklang bei Rechtsextremen – und dank der globalen Reichweite und des Erfolgs der Filmtrilogie war und ist diese Faszination nicht mehr nur auf Italien beschränkt.

 

Weiterführende Literatur:

Bonvechio, Claudio (Hg.), La filosofia del Signore degli Anelli, Mailand 2008.

Cornelli, Pietro, Campo Hobbit 1977: … Leggete Tolkien, stolti! Quando i giovani di destra fecero il ’68, Triest 2017.

Furlong, Paul, Riding the Tiger: Crisis and Political Strategy in the Thought of Julius Evola, in: The Italianist 31, no. 1 (2011), S. 25–40.

Gregor, A. James, Mussolini’s Intellectuals: Fascist Social and Political Thought, Princeton 2004.

Hof, Tobias, “Of Hobbits and Tigers.” Right-Wing Extremism and Terrorism in Italy Since the Mid-1970s, in: Johannes Dafinger / Moritz Florin (Hg.), A Transnational History of Right-Wing Terrorism. Political Violence and the Far Right in Eastern and Western Europe since 1900, London 2022, S. 175-196.

Mortimer, Patchen, Tolkien and Modernism, in: Tolkien Studies 2 (2005), S. 113-129.

Moulin, Joanny, J. R. R. Tolkien L’Antimoderne, in: Études anglaises 62, Nr. 1 (2009), S. 73-85.

Pottsf, Michael, “Evening Lands”: Spenglerian Tropes in Lord of the Rings, in: Tolkien Studies 13 (2016), S. 149-168.

Sedgwick, Mark (Hg.), Key Thinkers of the Radical Right: Behind the New Threat to Liberal Democracy, Oxford 2019.

Stuart, Robert, Tolkien, Race, and Racism in Middle Earth. New York 2022.

Tarantino, Giovanni, Da Giovane Europa ai Campi Hobbit: 1966–1986, vent’anni di esperienze movimentiste al di là della destra e della sinistra, Neapel 2011.

Tarchi, Marco (Hg.), La rivoluzione impossibile: Dai Campi Hobbit alla Nuova Destra, Florenz 2010.

Woods, Ralph C. (Hg.), Tolkien among the Moderns, Notre Dame 2015.

Fußnoten

[1] Der Text ist eine veränderte und übersetzte Version des Beitrags Tobias Hof, Fascist Hobbits? Deciphering J.R.R. Tolkien’s World through Julius Evola’s philosophy, in: literaturkritik.de Nr. 2 (2024), https://literaturkritik.de/fascist-hobbits,30256.html [aufgerufen 5. Februar 2024].

[2] See Jane Ciabattari, Hobbits and Hippies: Tolkien and the Counterculture, BBC vom 20. November 2014, https://www.bbc.com/culture/article/20141120-the-hobbits-and-the-hippies [aufgerufen 21.2.2024]; Antonio Maria Orecchia, I cacciatori di Frodo: Tokien tra destra e sinistra nella stampa italiana, in: Claudio Bonvechio (Hg.), La filosofia del Signore degli Anelli, Mailand 2008, S. 153-180, hier S. 154.

[3] Philip Oltermann, Italy’s far right embraces Middle-earth as PM opens Tolkien show, in: The Guardian vom 14. November 2023, https://www.theguardian.com/world/2023/nov/14/italian-pm-giorgia-meloni-to-open-jrr-tolkien-exhibition [aufgerufen 21.2.2024]; Wolfgang M. Schmitt, Putin wird mit Sauron verglichen, Giorgia Meloni möchte ein Hobbit sein, in: Neue Zürcher Zeitung vom 21. Oktober 2022, https://www.nzz.ch/feuilleton/meloni-traeumt-von-hobbits-ist-the-lord-of-the-rings-rechts-ld.1707876 [aufgerufen a, 23.2.2024]

[4] Marco Tarchi, Progetto, itinerario, prospettive, in: Marco Tarchi (Hg.), La rivoluzione impossibile: Dai Campi Hobbit alla Nuova Destra, Florenz 2010, S. 83–99, hier S. 85.

[5] Zollas Interpretation wurde in Italien als „brillante“ Auslegung von Tolkiens Werk angesehen, ein Urteil, das nicht nur auf das rechtsextreme Milieu beschränkt war. Siehe Antonio Debenedetti, Un viaggio nell'occulto, in: La Stampa vom 11. Dezember 1970, S. 14.

[6] Hierzu vgl. Joanny Moulin, J. R. R. Tolkien L’Antimoderne, in: Études anglaises 62, Nr. 1 (2009), S. 73-85; Patchen Mortimer, Tolkien and Modernism, in: Tolkien Studies 2 (2005), S. 113-129, hier S. 120; Michael Pottsf, “Evening Lands”: Spenglerian Tropes in Lord of the Rings, in: Tolkien Studies 13 (2016), S. 149-168.

[7] Zu Julius Evola vgl. A. James Gregor, Mussolini’s Intellectuals: Fascist Social and Political Thought, Princeton 2004, S. 191-121; H. Thomas Hakl, Julius Evola and Tradition, in: Mark Sedgwick (Hg.), Key Thinkers of the Radical Right: Behind the New Threat to Liberal Democracy, Oxford 2019, S. 55-68.

[8] Paul Furlong, Riding the Tiger: Crisis and Political Strategy in the Thought of Julius Evola, in: The Italianist 31, Nr. 1 (2011), S. 25–40, hier S. 33.

[9] Generoso Simeone, Perché Campo Hobbit, in: Marco Tarchi (Hg.), La rivoluzione impossibile: Dai Campi Hobbit alla Nuova Destra, Florenz 2010, S. 105-107, hier S. 107. Zu den Campo Hobbits vgl. Campo Hobbit Pietro Cornelli, Campo Hobbit 1977: … Leggete Tolkien, stolti! Quando i giovani di destra fecero il ’68, Trieste 2017; Giovanni Tarantino, Da Giovane Europa ai Campi Hobbit: 1966–1986, vent’anni di esperienze movimentiste al di là della destra e della sinistra, Neapel 2011.

[10] Gianfranco de Turris, Noi? Una Compagnia dell'anello per domare il pensiero unico, in: Il Giornale vom 9. Juni 2017. In diesem Interview verwendete Bortoluzzi ähnliche Worte wie Zolla in seiner Einleitung. Dies kann als Hinweis gewertet werden, wie einflussreich Zollas Interpretation von Tolkien für eine jüngere Generation von Rechtsextremen war.

[11] Jamie Mackay, How did The Lord of the Rings become a secret weapon in Italy’s culture wars?, in: The Guardian vom 3. November 2023, https://www.theguardian.com/commentisfree/2023/nov/03/the-lord-of-the-rings-italy-giorgia-meloni-tolkien [aufgerufen 23.2.2024].

[12] Gregor, Mussolini’s Intellectuals, S. 202–3; Hakl, Julius Evola, S. 61.

[13] Zur Bedeutung von Kameradschaft in Tolkiens Werken vgl. Michael D. Thomas, Unlikely Knights, Improbable Heroes: Inverse, Antimodernist Paradigms in Tolkien and Cervantes, in: Ralph C. Woods (Hg.), Tolkien among the Moderns, Notre Dame 2015, S. 79–94.

Dr. Tobias Hof

Dr. Tobias Hof ist Privatdozent für Neuere und Neuste Geschichte an der Ludwig—Maximilians-Universität München und hatte 2022/23 den Hannah Arendt Gastlehrstuhl an der University in Toronto inne. Von 2014 bis 2018 war er DAAD-Gastprofessor an der University of North Carolina, Chapel Hill in den USA. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte des Faschismus und des Humanitarismus im 20. Jahrhundert sowie die Geschichte des Terrorismus und seiner Bekämpfung seit dem 19. Jahrhundert. Er ist der Autor von Staat und Terrorismus in Italien 1969–1982 (Oldenbourg 2011), Galeazzo Ciano. The Fascist Pretender (University of Toronto Press, 2021) sowie Die Geschichte des Terrorismus. Von der Antike bis zur Gegenwart (Stuttgart, 2022).