Für diesen Teil habe ich einige Genre-Fans sowie Melina Krause von der Osiander-Buchhandlung in Reutlingen und Wolfgang Tress vom Otherland in Berlin befragt. Das Otherland ist eine unabhängige Buchhandlung, die sich auf phantastische Literatur spezialisiert hat und dementsprechend auch eine versierte Stammkundschaft besitzt. Osiander ist ein Buchhandelskette mit langer Tradition und über 60 Filialen. Wie steht es um die epische Fantasy?
Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2
Wie schätzen also die spezialisierten und erfahrenen Buchhändler*innen die Lage der epischen Fantasy ein?
„Epische Fantasy-Klassiker bzw. bekannte Fantasy-Reihen werden nach wie vor konstant gekauft, da habe ich keinen Rückgang bemerkt“, schreibt Melina Krause. „Und wenn ich mir die Top 100 der meistverkauften Fantasy-Titel in unseren Osianderschen Buchhandlungen von 2023 und 2024 bis jetzt anschaue, dann bestätigt sich dieser Eindruck.
Doch es folgt auch gleich eine Einschränkung:
„In Petrik Leos Video geht es ja aber hauptsächlich um ‚new debut fantasy authors‘ – an dieser Stelle muss ich jedoch leider zustimmen: Wenn noch relativ unbekannte Autorinnen und Autoren, die epische Fantasy schreiben, die erste unglaublich große Hürde überwunden haben und ihre Bücher veröffentlicht wurden, liegen diese dann leider vermehrt in den Buchhandlungen wie Blei – vor allem wenn es sich um einen Teil 1 einer Reihe handelt und/oder das Buch einen gewissen Seitenumfang hat. […]
Ich werde sehr oft auch spezifisch von Kundinnen und Kunden nach Einzelbänden oder ‚nicht zu dicken Büchern‘ gefragt. Viele Fantasyleserinnen- und Leser scheinen kein Interesse oder keine Zeit für ein ‚größeres Lese-Commitment‘ zu haben. Dieser Umstand erstaunt mich wenig, da das gefühlt leider zum aktuellen Zeitgeist passt … Wenn man nicht schon vorher weiß, dass ein Buch großartig sein wird (daher der Griff zum Klassiker), dann möchte man lieber keine Zeit vergeuden. An dieser Stelle kommen dann die Buchhändlerinnen und Buchhändler ins Spiel: Wer eine geniale Neuerscheinung epischer Fantasy-Natur entdeckt hat, sollte das unbedingt von den Dächern schreien – der nächste große epische Fantasy-Klassiker kann nur gefunden werden, wenn man auch darüber spricht!“
Das Otherland dürfte unter den Buchhandlungen Deutschlands einen Sonderfall darstellen, gibt es doch nur noch wenige, die sich auf Fantasy und Science Fiction spezialisiert haben. Durch die Lage in Berlin ist die Kundschaft zudem sehr international und es werden anteilig genauso viel englischsprachige Titel verkauft wie deutschsprachige.
„Ich stolper ja immer ein bisschen über diese Unterkategorien wie High/Low/Spicy/Cozy/Enemies to lovers – ich hab eben nochmal nachgeschaut, was eigentlich die Definition von epischer Fantasy ist – scheinbar das gleiche wie High Fantasy, also tolkiensche, mittelalterliche Welten mit fettem Worldbuilding, Magie, Sagen und eben irgendwelche Held*innen, die einer großen Bedrohung begegnen. Ob das gerade ausstirbt? Wenn jetzt die Verlage und die daran angeflanschten Influencer verkünden, dass das nun nicht mehr gemacht wird, kann das diverse Gründe haben, die von Planungssicherheit (kein Verlag würde heute noch ‚Spiel der Götter‘ von Erikson machen), Verkaufszahlen und Trends bei der Leserschaft abhängen können, klar. Dann gibt es da ne Zeitlang nix. Auch klar.
Bei uns im Otherland geht eigentlich immer alles, so lange die Geschichten gut sind egal ob high oder low, dark oder cosy. Da merken wir eben, dass wir eine Empfehlungsbuchhandlung sind. Wir verkaufen, was wir selber mögen.“ (Wolfgang Trees)
Tolkiensche Fantasy laufe bei ihnen genauso gut wie Brandons Sanderson oder aktuell Enemies-to-lovers-Romantasy wie Fourth Wing.
„Was bei uns an Fantasy gut läuft? Das, was wir empfehlen, was wir selber gut finden. Das sind natürlich die Klassiker wie Le Guins Erdsee, Hobbs Weitseher oder Rothfuss` Der Name des Windes und bei den neueren Parkers Sechzehn Wege eine befestigte Stadt zu verteidigen oder Barkers 'Knochenschiffe'. Ein Liebling von uns allen ist aktuell Kingfishers Wie man einen Prinzen tötet und mein Tipp ist Ed McDonalds 'Schwarzschwinge'-Trilogie.“