Judith Vogt, 28.03.2024
Einmal eine Lese- und Vortragsreise durch Irland machen, an altehrwürdigen Universitäten, da dürften nicht wenige Phantastikautor*innen von träumen. Für Judith Vogt wurde dieser Traum Wirklichkeit.
„Ich kann noch gar nicht richtig glauben, dass das passiert“, habe ich in den Wochen vor meiner Irland-Vortragsreise gesagt. In den Wochen nach meiner Irland-Vortragsreise hat sich nur die Zeitform des Satzes geändert. Ich kann nämlich immer noch nicht richtig glauben, dass das passiert ist. Aber was denn nun eigentlich?
Ich fange von vorn an. Schließlich habe ich extra für magische Eloquenz kopfüber hängend einen Stein geküsst, dann wird es Zeit, diese Kraft verantwortungsvoll einzusetzen.
Im September trudelte eine Mail mit dem Betreff: „Anfrage des DAAD zu einem Besuch am University College Cork (Irland)“ bei mir ein. Darin schrieb Inga Owesen, die Deutschdozentin des Deutschen Akademischen Austauschdiensts in Cork, dass sie über die Recherche zu ihrer Doktorarbeit zu „The representation of female leaders in German and English speculative literature“ auf „Schildmaid – Das Lied der Skaldin“ gestoßen sei und mich daher gern für Vortrag, Lesung und / oder Workshop nach Cork einladen würde, eventuell mit der Möglichkeit, weitere Unis in Irland zu besuchen.
Ich habe die Mail geschlossen und einen Tag lang darauf gewartet, dass sie sich auflöst, weil ich sie mir eingebildet habe. Danach habe ich vorsichtig gegoogelt, was der DAAD ist, und ob es im Bereich des Möglichen ist, dass sie Leute nach Irland einladen. Und dann habe ich geantwortet. (Die Antwort enthielt eloquente Wörter wie „wow“ und „baff“.)
Ich gehöre zu der seltenen Subspezies der Schreibenden, die nie studiert haben. Kein einziges Semester, ich habe nicht einmal ein winziges Studium abgebrochen! Das Akademischste, was ich in meinem Leben getan habe, war, die Doktorarbeiten meiner Freund*innen Korrektur zu lesen und Mitglied bei der GfF, der Gesellschaft für Fantastikforschung, zu werden. Wenn mich Universitäten anfragen, erstarre ich – ganz Opfer des Hochstapler-Syndroms – immer in (Ehr-)Furcht.
Wobei das gar nicht so selten vorkommt. Progressive Phantastik mag von den nackten Verkaufszahlen nicht gerade eingeschlagen sein wie Bombe, aber dass wir Progressiv-Phantast*innen einen literarisch-politischen Genrebegriff etablieren konnten, knüpft Verbindungen in die akademische Landschaft – wenn auch witzigerweise eher zögerlich zu den Germanist*innen in Deutschland, es sind oft andere Fächer wie Amerikanistik oder Institutionen wie die Queerreferate der Hochschulen, die Interesse haben.
Und jetzt also Deutsch-Dozentinnen in Irland – nicht nur das UCC in Cork, auch die University of Galway, sowie das Trinity College und die DCU in Dublin meldeten sich, dass sie sich je einen Vortrag zu Progressiver Phantastik mit „Schildmaid“-Lesung und einen Workshop gut vorstellen könnten. Manche auf Deutsch, manche auf Englisch. (Streicht jetzt das „Ehr“ vor „Furcht“, ich hatte wochenlang Fremdsprachenlampenfieber um drei Uhr nachts!)
Es folgten viele Zoom-Calls, einige Recherchekaninchenlöcher und ein genehmigter Antrag, und dann war irgendwie auch schon Februar und es gab kein Zurück mehr. Die „Schildmaid“-Hauptfiguren gehen auf Nordsee-Odyssee, ich jedoch habe eine von den Dozentinnen reibungslos geplante Rundreise angetreten, bei der wirklich keine einzige Panne aufgetreten ist, außer, dass es am 1. März in Dublin geschneit hat und das Flugzeug anderthalb Stunden verspätet ankam. Christian, mein Partner und Co-Autor, kam dabei die (selbstbezeichnete) Rolle des „Trophy Husbands“ zu: Wir haben das Wochenende zusammen in Cork verbracht und uns die Gegend (und die Pubs) angesehen, bevor er dann am Montag wieder nach Hause ist, um schulpflichtige Teenager zu bevatern.