Mehr Phantastik

This is fine – Die Welt brennt, auch in der SFF

Szene aus "Mad Max: Fury Road", die im zweiten Absatz des Artikels beschrieben wird
© Warner Bros. Pictures

Lars Schmeink, 18.07.2024

Nicht nur Union und FDP halten am Verbrennungsmotor fest, auch in der Fantastik bleibt das Verbrennen fossiler Rohstoffe ein wichtiges Element. Lars Schmeink ist der Frage nachgegangen, woran das liegt, was Petromaskulinität ist und warum Männer so gerne die Welt verbrennen.

„In real life“ versuchen wir unseren Konsum an Energie zu mindern, doch in der Fantastik scheint das Verbrennen fossiler Energieträger nach wie vor eine Blütezeit zu haben. Die Fantastik ist durchsetzt mit nostalgischen Momenten automobiler Freiheit – von Marty McFlys DeLorean zu Dean Winchesters Baby – oder dem Wunsch nach fliegenden Rennschüsseln wie dem Millennium Falken, der den Kessel-Run in weniger als 12 Parsecs geschafft hat. Die Fantastik, insbesondere die Science Fiction, lebt hier gerade einen schizophrenen Moment aus. Ein paar Anmerkungen…

Ultimative Machtfantasien des Fossilen

Der Doof-Warrior (engl. doof: Wumms, wie die Vibration von Bässen) steht auf einem massiven Gefährt, ausgestattet mit hunderten Lautsprechern und spielt eine martialische Mischung aus Gitarre und Flammenwerfer, um damit die automobile Kriegsmaschinerie der War Boys anzutreiben. George Millers Film Mad Max: Fury Road hätte uns kaum ein besseres Bild für unsere aus den Fugen geratene Welt und ihre schizophrene Denke liefern können als diesen Exzess. In der post-apokalyptischen und vom Klimawandel völlig ausgetrockneten Welt klammern sich mächtige Männer wie Immortan Joe an die Ausbeutung des Planeten und anderer Menschen. Es ist ein Bild voller nicht allzu subtiler Ideen und Bedeutungen: der LKW ist ein umgebauter Raketentransporter, phallisches Symbol einer maskulinen Weltsicht von Eroberung, Dominanz und Gewalt. Die Lautsprecher sorgen für Verstärkung, die Botschaft ist unüberhörbar, kann nicht ignoriert werden. Die Gitarre spuckt unerlässlich brennendes Benzin, trotz des Mangels der Ressource, und steht damit als Zeichen von Immortan Joes Macht. Für den Effekt, für die Einschüchterung diese Menge wertvoller Energie zu verbrennen ist gewaltvoll und es spricht für Immortan Joes Autoritarismus. Das der Doof-Warrior blind ist und an Seilen aufgehängt wie eine Puppe gehört ebenso zur Botschaft wie die Tatsache, dass Immortan Joe all seine War Boys zehntausende Liter Benzin verbrennen lässt, um seine Macht über einige rebellische Frauen zu beweisen, die er mit misogyner Gewalt als „Breeder“ und als sein Eigentum deklariert hat. In der Welt von Mad Max regiert toxische Männlichkeit auf der Grundlage fossiler Ausbeutung und Gewalt. 

Was Miller in seinen Filmen als postapokalyptische Welt in extreme Bildsprache umsetzt, gilt der Politikwissenschaftlerin Cara Daggett als kulturelle Ausprägung einer sozio-politischen Denkweise, die sie „Petromaskulinität“ nennt. Sie verweist mit dem Begriff auf die Machtstrukturen, die zugleich auf der Verbrennung fossiler Energieträger beruht, als auch dabei andere rückwärtsgewandte Positionen einnimmt, etwa die Rückgewinnung eines (weißen) Patriachats und den Rückgriff auf autoritäre Politik. Donald Trumps Versprechen die Kohleindustrie zurück zu bringen ist ebenso ein Ausdruck davon wie Markus Söders Forderung nach dem Aus vom Verbrenner-Aus, die Bild-Hetze gegen Wärmepumpen oder Fritze Merz‘ väterliche Belehrungen gegen die Letzte Generation. Dabei steht diese Form der Machtdemonstration gegen die eigene rationale Erkenntnis der Überholtheit. Statt Teil einer soliden Ökonomie, sind die fossilen Energien vielmehr Identitätsmarker: sie werden zu Werten wie Autonomie, Freiheit, Unabhängigkeit. Petromaskulinität beruft sich also nicht auf marktgetrieben Realitäten, sondern bedient vor allem „psycho-affektive Dimensionen“, wie Dagget sagt: Es geht um Wünsche und Fantasien. Und genau das macht auf kultureller Ebene die Auseinandersetzung mit Petrokulturen (beispielsweise die teils unterschwellige Darstellung einer Abhängigkeit von fossiler Energie zur Erhaltung von Wohlstand), gerade auch in der Fantastik so problematisch.

Fossile Energie ist, vor allem in der Science Fiction, ein unterschwelliges Thema, das zwar selten zum Dreh- und Angelpunkt der Story wird, aber unterbewusst doch immer mitschwingt. Daher ist unser Umgang mit den „Männern, die die Welt verbrennen“ (wie Christian Stöcker so passend formuliert hat) auch in der Fantastik durchaus kritisch zu sehen. Da sind die Momente einer Nostalgie, die uns in die Mitte oder das Ende des 20. Jahrhunderts zurückversetzt – in eine Zeit, die vermeintlich einfacher war, geordneter, in es noch Werte wie Gemeinschaft, Familie, Glaube gab. Sam und Dean Winchester fahren den 1967er Impala in Supernatural nicht ohne Grund. Er steht in der amerikanischen Zeitgeschichte (wie in der Serie auch) für den Moment, den es wiederherzustellen gilt: Wohlstand, Sicherheit, Fürsorge. Daddy Winchester lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen das perfekte Mittelstandsleben in Kansas, ist Automechaniker und kann mit der Kraft seiner zwei Hände das Leben seiner Familie sichern. Das Auto repräsentiert in der Serie die Autonomie der beiden Helden ebenso wie ihre Männlichkeit – mit einem Augenzwinkern wird „Baby“ zum Zentrum der Winchester-Identität als moderne Cowboys. Der Marlboro-Man lässt grüßen, die Freiheit liegt auf der Straße. Wir ignorieren dabei natürlich, dass diese Form des amerikanischen Wohlstands eng mit der Ausbeutung anderer Gesellschaften (für die Ressourcen), Ungleichheit (in der Verteilung des Wohlstands zwischen schwarzen und weißen Amerikanern), und vor allem getrennten Genderrollen (die Hausfrau vs. der arbeitende Mann) verbunden war.

Petrokultur findet sich aber nicht nur als nostalgischer Moment einer reaktionären Fantasie in der Fantastik wieder. Anspielungen darauf sind in vielen SFF-Produktionen durchaus erkennbar. Der DeLorean benötigt die nahezu unmögliche Menge von 1,21 Gigawatt, die zwar zuerst noch durch illegales nukleares Material organisiert wird, dann aber am Ende des Films durch Recycling von Lebensmittelresten. Das ist wohl diese Technologieoffenheit von der die FDP immer schwadroniert, eFuels for the win. Und auch wenn die Welt von Blade Runner durch Klimawandel unbewohnbar ist (wie die riesigen Werbetafeln für ein besseres Leben „off-world“ ja deutlich zeigen), fliegt der „Spinner“ von Deckard am Anfang des Films vorbei an Erdöl-Anlagen, die überschüssige Gase abbrennen. Erst dreißig Jahre später im zweiten Teil Blade Runner 2049 fliegt Ks Spinner über Solarthermie-Anlagen hinweg. Da jedoch ist die Erde schon nahezu unbewohnbar und kämpft mit den massiven Folgen des Klimawandels – von der Ausbreitung der Wüsten bis zu den steigenden Wasserpegeln der Meere.

Treibstoff im Weltraum

Aber was ist mit Space Operas und der Eroberung des Weltalls? Woher stammt die Energie für Warp, Hyperdrive und Co? Bleiben wir bei den großen Franchises. Um dem Problem aus dem Weg zu gehen, wird in Star Trek kurzerhand eine neue Reaktorform erfunden, die den Atomreaktor in eine supersaubere und völlig unproblematische Technologie verwandelt. Star Trek ist eine Techno-Utopie, und die Antimaterie-Reaktoren, die hier als Lösung vorgeschlagen werden sind leider ähnlich wissenschaftlich machbar wie Replikatoren, Transporter oder auch der Warp-Antrieb – die FDP kauft schon mal Aktien, der Rest von uns sucht realistische Alternativen. In Star Wars hingegen findet sich ein fossiles Energiesystem, das Rohöl durch ein Element namens Coaxium ersetzt. Ansonsten funktioniert es genauso: es wird unter ausbeuterischen Bedingungen extrahiert, ist Objekt von Kriegen und Kriminalität, und es wird verbrannt.

Spannend ist, dass Treibstoff, Extraktion und Auswirkungen in fast allen Produkten des Franchises ignoriert werden und einzig Solo: A Star Wars Story das Thema behandelt, dabei aber nur die Ausbeutung bei der Extraktion thematisiert, während Auswirkungen der Verbrennung ignoriert werden. In allen anderen Filmen und Serien wird kräftig der Mythos von (auto)mobiler Freiheit und Identitätsstiftung bedient: Anakin und sein Podracer, Vader und der TIE-Fighter, Luke und der X-Wing – jeder Charakter ist eng mit seinem Fahrzeug verbunden. Daher ist es auch dem Fandom so misogyn aufgestoßen, als ausgerechnet Han Solo seinen geliebten Falken an Rey abgegeben hat. Eine Frau?! Oh nein, das geht nicht – Petromaskulinität lässt grüßen. Aber klar ist, Todessterne, imperiale Zerstörer oder rebellische Truppentransporter benötigen viel Energie, um so einen Sternenkrieg zu führen – Energie, die im Franchise einfach vorhanden ist und keine wirklich negativ Konsequenzen für das Universum hat. Dabei gehen vorsichtige Schätzungen heute davon aus, dass militärische Fahrzeuge (im Kriegseinsatz und bei Manövern/Trainings) etwa 5,5% des globalen CO2-Ausstoßes verursachen, mehr als der ganze Staat Indien. Aber darüber reden wir lieber nicht – so ein Eurofighter fliegt halt nicht elektrisch.

Kopf in den Sand stecken

Den Klimawandel zu ignorieren, scheint die Strategie der Stunde. Der Kulturwissenschaftler Mark Bould argumentiert, dass wir die Realität des Klimawandels in unser kulturelles Unbewusstes verdrängt haben (sein Buch heißt: The Anthropocene Unconscious). Wir haben zwar die existenzielle Bedrohung irgendwie erkannt, leben aber dennoch so als sei nichts los. This is fine. Vielmehr noch, wir zelebrieren mit Filmen wie Fast & Furious oder eben Mad Max den „Todestrieb der fossilen Kultur“, so Bould: „Alles was [diese Filme] sehen, ist die verbrannte Erde. Und sie können nicht wegsehen, können nicht an etwas anderes denken. Sie sind ganz und gar Ablenkung und Verheimlichung, Prahlerei und Täuschung. Aber sie können ihre Angst nicht verbergen. Sie wissen, dass es vorbei ist.“ Die Fantastik dieser Filme, die Irrealität der immer spektakuläreren Action, der immer bombastischeren automobilen Zerstörungswut verweist darauf, dass diese petromaskuline Weltsicht sich dem Ende zuneigt. Ohne das Fantastische ist Fast & Furious nicht mehr denkbar, wie Bould deutlich macht: Die Reihe schwelge „in der Fantasie der Großen Beschleunigung des endlosen Petroleums“ ohne je die „Kosten der fossilen Kultur“ zu zeigen: Treibstoff kommt so gut wie nie vor, in Filmen, die kontinuierlich Autos zeigen. Und diese Autos sind zu den gewünschten Aktionen (die Stunts, die Rennen) gar nicht in der Lage – die Abhängigkeit von computergenerierten Bildern starrt einem ins Gesicht. In Anbetracht der Klimakatastrophe sind Autos pure Eskapismus-Fantasy. Es wird immer schwieriger sich dieser Realität zu verweigern. Es wird Zeit, dass auch die Fantastik diesen Umstand anerkennt.  

Lars Schmeink

Dr. Lars Schmeink ist freier Journalist und Medienwissenschaftler. Er ist Gründer der Gesellschaft für Fantastikforschung und hat an verschiedenen Universitäten zu Science Fiction und anderen Fantastikthemen geforscht, gelehrt und publiziert.

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